Stadtpolitik:Klima-Check im Rathaus

Stadtpolitik: Priorität für den Klimaschutz: In Unterschleißheim gab es schon öfter Klimaschutz-Demonstrationen, so etwa im Jahr 2019.

Priorität für den Klimaschutz: In Unterschleißheim gab es schon öfter Klimaschutz-Demonstrationen, so etwa im Jahr 2019.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Unterschleißheimer Stadtverwaltung soll probeweise prüfen, welche Auswirkungen Maßnahmen auf den Klimaschutz haben.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Müssen Bäume gefällt werden, gibt es ein Minus. Führt ein Beschluss aber dazu, dass in Unterschleißheim künftig weniger Fläche versiegelt wird, ist das einen Bonuspunkt wert. Die Stadt Unterschleißheim führt drei Monate auf Probe in Teilen der Verwaltung eine Klimarelevanzprüfung ein. Fortan werden also zunächst im Bauamt und im Umweltsektor Projekte, die dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden, daraufhin abgeklopft, ob sie die Erderwärmung vorantreiben oder helfen, diese zu begrenzen. Unterschleißheim wendet dabei ein Verfahren an, das die Stadt Rietberg nahe Gütersloh in Nordrhein-Westfalen entwickelt hat und seit mehr als einem Jahr mit einigem Erfolg nutzt.

Die Entscheidung geht auf einen Antrag der Grünen vom Sommer 2019 zurück, in dem diese auf umfassende Schritte im Kampf gegen den fortschreitenden Klimawandel pochten. Den Grünen ging es um eine Solaranlagenpflicht für Neubauten und darum, die Fernwärme spätestens 2035 nur noch aus regenerativer Energie zu speisen. Der Fuhrpark der Stadt sollte bald klimaneutral betrieben werden und die Stadt Aufforstungen vorantreiben. Ein Kernpunkt der Forderungen war, künftige Beschlüsse unter einen weitgehenden "Klimavorbehalt" zu stellen. Damit sollte fürs Klima dasselbe eingeführt werden, was als Selbstverständlichkeit gilt, wenn es um die Finanzen geht. Bei jeder Beschlussvorlage wird den Stadträten erläutert, was ihre Entscheidung für Kosten mit sich bringt.

Nun sollen also auch die Kosten fürs Klima beziffert werden. Doch wie soll das geschehen? Und welcher Aufwand geht damit einher, in einer Verwaltung, die ohnehin personell am Rande ihrer Leistungsfähigkeit steht? Die Klagen über lange Bearbeitungszeiten etwa von Bauanträgen betreffen viele Verwaltungen. Da steht Unterschleißheim nicht alleine. Aber dort ist gerade die Bauabteilung trotz großer laufender Bauprojekte mäßig besetzt. Die Verwaltung hat deshalb über Monate und unter Beteiligung der Energieagentur Ebersberg-München Verfahren geprüft, um zu sehen, wie eine Bewertung praktikabel machbar ist. Dabei wurde das Excel-Tool "Klimaschutz in öffentlichen Projekten", kurz KöP, angewandt. Es ist das derzeit einzige allgemein zugängliche Instrument dieser Art. Und es wurde von den Unterschleißheimern verworfen.

Sechs Workshops fanden dazu von Mai bis September statt. Am Ende waren sich alle einige, dass es zu kompliziert und zeitaufwendig ist, Projekte mit KöP zu bewerten. Es fehlten laut Rathaus praktisch anwendbare Berechnungsgrundlagen. Umso besser wurde das Rietberger Modell beurteilt, auf das der Klimaschutzmanager schließlich hingewiesen hatte. Rietberg ist mit etwa 29 000 Einwohnern mit Unterschleißheim vergleichbar und hat sich schon 2019 auf den Weg gemacht, die Relevanz von Entscheidungen fürs Klima zu untersuchen. Das entwickelte Instrument sei intuitiv und einfach zu bedienen, fanden nun die Unterschleißheimer. Es belaste die Sachbearbeiter in den Fachabteilungen nicht zusätzlich. Als ein Vorteil wird angesehen, dass die vorgesehenen Bearbeitungsschritte von den Sachgebietsleitungen zentral erledigt werden können. Zwar werde keine konkrete CO₂-Bilanz errechnet. Aber das Ergebnis sei aussagekräftig. Das Rietberger Modell helfe, das Thema zu verstetigen und Haltungen und Denkweisen zu ändern. "Klimaschutz wird als integrativer Teil der Verwaltungsarbeit wahrgenommen."

Fahrradparkhaus

Ein Fahrradparkhaus wie in Dachau am Bahnhof ist ein massiver Bau. Aber es kann sinnvoll sein, um den Klimawandel zu bekämpfen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Konkret werden zwei Fragenkataloge abgearbeitet. In einer ersten Stufe geht es etwa um Auswirkungen auf Stromverbrauch, Wälder, Wasserverbrauch und Biodiversität. Da wird nur grob in negativ und positiv eingeteilt. Dann wird in einer zweiten Checkliste geklärt, wie erheblich die Auswirkungen sind. Schließlich spielt eine Rolle, ob für einen Parkplatz zwölf Quadratmeter Fläche asphaltiert werden oder für eine Straße mehrere Hektar versiegelt werden sollen. Auch wird bewertet, ob es Möglichkeiten gibt, den Schaden zu reduzieren. Und: ob das zunächst klimaschädliche Projekt ein übergeordnetes, unterstützenswertes Ziel verfolgt. Als Beispiel erwähnen die Rietberger, dass beim Bau eines Fahrradparkhauses zwar Fläche zubetoniert wird, aber vielleicht viele erst dazu bringt, aufs Fahrrad umzusteigen. Nach dem Probelauf soll der Stadtrat entscheiden, ob das Rietberger Modell weiterverfolgt und gegebenenfalls ausgeweitet wird.

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