Energieversorgung:Stromtrasse rückt weiter ins Moos

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Die bestehende Hochspannungsleitung beim Umspannwerk Oberbachern. (Foto: Toni Heigl)

Die 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung nördlich von Unterschleißheim und Ismaning wird ertüchtigt und dafür etwas verlegt. Was die Anwohner in Haimhausen besänftigt, ruft Naturschützer auf den Plan.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Die einen fühlen sich bedroht und reden von der "Monstertrasse". Die anderen hoffen auf Rettung und denken an die monströsen Folgen des Klimawandels: Der geplante Ersatzneubau der 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung von Oberbachern im Landkreis Dachau nach Ottenhofen im Landkreis Erding bewegt viele Menschen. Der Übertragungsnetz-Betreiber Tennet treibt die Planung für das Vorhaben auf 50 Kilometer Länge voran. Höhere Masten sind vorgesehen, stärkere Kabel und in einigen Abschnitten soll die Trasse auch bei Unterschleißheim und Ismaning einen neuen Verlauf nehmen. Mittlerweile ist das Raumordnungsverfahren abgeschlossen. Und es zeichnet sich eine Trasse ab, die die bisher härtesten Kritiker besänftigt, dafür aber die Naturschützer auf den Plan ruft.

Das Bild von der Trasse als Monster malten bisher nicht die Unterschleißheimer und Ismaninger an die Wand. Das taten dafür umso leidenschaftlicher Bewohner von Haimhausen im Landkreis Dachau. Im Zuge der Neuplanung sollte die Möglichkeit diskutiert werden, vom Verlauf der bestehenden Trasse abzuweichen, wenn es sich anbietet, um Siedlungen oder Naturräume besser zu schützen. Wie schwer da eine Abwägung sein kann, zeigte sich im Abschnitt zwischen Haimhausen und Unterschleißheim, wo die Masten im Inhauser Moos stehen. Zum Ärger vieler in Haimhausen zauberten die Planer dort als Alternative eine Nordtrasse aus dem Hut, die näher an einige Wohngebiete herangerückt wäre.

Die Hochspannungsmasten im Inhauser Moos sind Naturschützern ein Dorn im Auge. (Foto: Niels Peter Jørgensen)

Nun hat die Regierung von Oberbayern nach hartem Ringen raumplanerisch eine Südtrasse als bevorzugte Variante benannt, was heißt, dass es weitgehend beim jetzigen Verlauf bleiben würde. In Haimhausen, wo eine Bürgerinitiative an die 1500 Unterschriften gesammelt hatte, sieht man sich bestätigt. Der Kreisverband des Bundes Naturschutz kritisiert dagegen scharf, dass dafür die "völlige Zerstörung des Inhauser Mooses" in Kauf genommen werde. Der Dachauer-Moos-Verein ist politisch in die Schusslinie geraten, weil er die Südtrasse mitträgt. In Dachau wirft die Stadtratsfraktion des Bündnisses für Dachau dem Verein vor, er verfehle seinen Auftrag.

Im Landkreis München hat sich Ismaning ohne Erfolg gegen die auf Gemeindeflur nahe der Isar etwas nach Süden verlegte Ersatztrasse ausgesprochen, die dort in 200 Meter Abstand im Außenbereich am Gleitnerhof vorbeiführen soll. In Unterschleißheim sieht man das Projekt differenziert. Die Betroffenheit ist relativ. Die Stadt wird in den Verfahren offiziell nicht gehört, weil ihr Gebiet nicht berührt ist. Spaziergänger werden etwa 400 Meter westlich des Unterschleißheimer Sees auf die Masten stoßen. Sie soll das Freizeitgelände Hollerner See auf Echinger Gebiet überqueren.

Ein wichtiger Punkt ist Unterschleißheims Zweitem Bürgermeister Tino Schlagintweit (Grüne), der im Vorstand des Dachauer-Moos-Vereins sitzt, freilich der Schutz des Moores - und des Klimas. Es gelte, gründlich abzuwägen, sagt Schlagintweit, der auch Interessen von Anwohnern nicht vom Tisch wischen will. Es sei jedenfalls notwendig, für eine Energiewende die Stromnetze auszubauen, sagt er und plädiert dafür, sich beim Neubau an der Bestandstrasse zu orientieren. Bürgermeister Christoph Böck (SPD) sagt: "Die wenigen Reste des Dachauer Mooses sollten aus meiner Sicht und der Stadt unbedingt erhalten werden und dürfen nicht durch die Trasse gefährdet werden."

Die alte Leitung kann den Bedarf nicht mehr decken

Der zügige Ausbau der Stromtrasse gilt als zwingend erforderlich, um die Versorgung im Raum München zu sichern. Die bestehende 380-Kilovolt-Trasse stammt aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, so wie die Umspannwerke in Oberbachern und Ottenhofen selbst. Laut Tennet hat man geprüft, die bestehende Leitungsverbindung zu ertüchtigen. Es gäbe die Möglichkeit, mit digitaler Steuerung je nach Außentemperatur mehr Strom durch Leitungen zu schicken. Zudem könnten Kabel verwendet werden, die höhere Temperaturen vertragen. Doch mit ersterem wäre nicht der Kapazitätszuwachs zu erreichen, den man brauche, heißt es von Tennet. Und für die leistungsfähigeren und schwereren Kabel seien die Masten nicht ausgelegt.

Im Bundesbedarfsplan ist die Trasse Oberbachern-Ottenhofen als Ausbauprojekt enthalten, um so die bestehende Stromtragfähigkeit von bislang 2200 Ampere auf 4000 Ampere zu erhöhen. Damit werde das Netz ertüchtigt, argumentiert Tennet, um nach der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland Ende 2022 in der Lage zu sein, Strommengen flexibler zu verteilen. Dabei gehe es vor allem, aber nicht nur, um Nord-Süd-Verbindungen. Auch die West-Ost-Trasse sei wichtig. Bis zu 80 Meter hohe Masten sollen dafür aufgerichtet werden, deren Ausleger eine Spannweite von bis zu 50 Metern haben. Sie werden im Mittel etwa fünf bis 15 Meter breiter und etwa zehn Meter höher sein als bisher. Die moderneren Kabel seien immerhin deutlich leiser als die jetzt genutzten, heißt es von Tennet.

Ob die größeren Masten mit ihren Fundamenten und all den Einschränkungen, die eine Höchstspannungsleitung sonst mit sich bringt, tatsächlich so drastische Auswirkungen haben werden, wie es der Bund Naturschutz befürchtet, ist umstritten. Die Regierung von Oberbayern sieht eine vertretbare Beeinträchtigung des Arten- und Biotopschutzes und der Moorböden. Auf der Südtrasse würden mehrere Versorgungsleitungen gebündelt. Eine 110kV-Leitung, die es dort auch gibt, wäre bei einer Verlegung der sogenannten Monstertrasse im Moos ohnehin erhalten geblieben. Tennet lotet aus, Strecken schützenswerter Natur mit Leitungen möglichst weit zu überspannen.

Sowohl für den Arten- als auch für den Klimaschutz sei die Südtrasse fatal, argumentiert der Kreisverband des Bundes Naturschutz in Dachau mit Blick auf die Bedeutung der Moore als CO₂-Speicher. Die einzige Möglichkeit sei, die Stromleitungen unterirdisch in dem angedachten Nordkorridor zu verlegen. Außerdem sollte mehr regenerative Energie in der Region produziert werden. Dann wären solche Stromtrassen überflüssig. Das letzte Wort ist nicht gesprochen. Als nächstes steht das Planfeststellungsverfahren mit Bürgerbeteiligung an. Die Regierung von Oberbayern kündigt schon an, die FFH-Verträglichkeit und artenschutzrechtliche Belange seien dann noch einmal zu prüfen.

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