Unterschleißheim:Heimatsound mit Hut

Lesezeit: 3 min

Frontman und Gitarrist Phil Höcketstaller ist zwar eine Rampensau, aber kein Poser. Und er hat was von einem bayerisch-charmanten Strizzi. (Foto: Robert Haas)

Der Liedermacher Hundling und seine Band kombinieren beim Zeltfest in Unterschleißheim Rhythm'n'Blues und Folkrock mit sensiblen und kritischen Texten auf Bairisch

Von Udo Watter, Unterschleißheim

"Scheiße." - "Super" .... "Unterschleißheim, so super hat des no koaner g'macht." Ob man das dem Hundling glauben kann? Hat wirklich noch kein Publikum die letzte Pointe dieses Liedes, die sich reimt auf die vorherigen Textbausteine "Reise", "Gleise", "Kreise", kollektiv so super ausgehaucht wie (nach Aufforderung) das Unterschleißheimer? Scheiße. Sanftes S. Bairisch.

Ja mei, scheiß drauf. Dieses Lob aus dem Mund von Philipp Höcketstaller, der sich als Musiker Hundling nennt und einen Hut trägt, war trotz frotzelnder Klangfärbung in jedem Fall charmant gemeint. Nicht drum herum reden, pfeilgrad die Dinge nennen, so die Message. Der Münchner Liedermacher Höcketstaller, geboren freilich in Niederbayern, liebt die Interaktion mit den Zuhörern, und das intime Ambiente beim Zeltfest im Sportpark ist solch einem Anliegen durchaus förderlich.

Hundling, das ist aber nicht nur der Frontman, Songschreiber und Gitarrist Phil Höcketstaller. Hundlinge sind auch die Bandmitglieder Klaus Reichardt (Pedal Steels), Sebastian Osthold (Piano), Steffi Sachsenmeier (Drums) und Christian Klos (Bass). Unter anderem war die Band, die stilistisch zwischen Folk, Rythm'n'Blues, Bluesrock und Reggae wandelt, 2015 Gewinner des BR-Heimatsoundwettbewerbs. Hochvirtuos sind diese Protagonisten aus der Münchner Jazz- und Bluesszene allesamt, besonders Ostholds Piano-Solos beeindrucken und Reichardts lässige Performance an der Pedal-Steel-Gitarre, einem elektrische Zupfinstrument, das sonst vornehmlich in Country-und Bluesmusik Verwendung findet.

Zu hören sind an diesem Abend Songs aus der CD "Ois Chicago" sowie Lieder aus dem neuen Album "Gestern oder im 3. Stock". Die Geschichten, die Höcketstaller in diesen Stücken erzählt, sind Geschichten aus dem Alltag, Träume, größere und kleinere Gefühlsdramen. Er ist zwar eine Rampensau, aber kein Poser und schon qua seiner Herkunft davor gefeit, Prätentiöses von sich zu geben. Statt dessen hat er einen Blick für das Kleine, Erdverbundene. "Die allergrößte Freid macht uns oft a Kleinigkeit", singt er in seinem angenehm timbrierten Bairisch.

Überhaupt zeichnen etliche Texte bei allem Ärger, den er mitunter ausdrückt, stets eine fast unaufgeregte Zuwendung zum Leben aus, ebenso schwingt bei den melancholischeren melodischen Passagen stets etwas Heiteres mit. Besonders anregend ist "Probiert hod a's", der Song, mit dem Hundling den Heimatsound-Wettbewerb gewonnen haben. Beschwingter bairischer Rythm'n'Blues, der eine fast ansteckende Leichtigkeit entfaltet. Hier wie auch bei dem ein oder anderen Song des Abends dominiert der Refrain mitunter aber ein bisserl arg, Hundling scheuen sich nicht, Redundanz als ästhetische Mittel zu gebrauchen. Auch mangelt es manchem Textpassagen bei aller angestrebten lyrischen Geschmeidigkeit doch an Originalität. Ausnehmend einfallsreich ist es auch nicht, sich über das spießige München, oberflächliche Zicken, Statusdeppen, musikfreie Zonen oder Rassisten aufzuregen.

Aber hey, die fünf Hundlinge machen das schon gut, vor allem auch, weil sie musikalisch gut sind, weil die Stücke von stimmigen Rhythmuswechseln leben, weil sie dramaturgisch versierte Steigerungen, aber auch Momente des Innehaltens kennen. Dass oft eine Verschmitztheit reinspielt, die der Band etwas Spider-Murphy-Gang-haftes gibt, die dem Blues und Rock'n' Roll etwas Münchner Flair zufügt, macht den Abend umso angenehmer.

Richtig ernst, respektive böse wird Höcketstaller nur einmal am Abend: wenn er "Odel" singt, "ein Lied über die braune Scheiße". Da befleißigt er sich dann teilweise einer Art Fäkal-Metaphorik, um den Nazi-Unsegen zu brandmarken. Hübsch auch die Zeilen: "Der Karpfenweiher dodelt und des Gartenzwergerl jodelt" (bairisch: dodeln kommt von Tod). Ansonsten ist der 42-Jährige, auch wenn er sich über die intolerante Yoga-Nachbarin oder die Ex-Freundin ärgert, nie selbstgefällig in seinem Groll. Er hat seine Meinung, verkörpert aber das bayerische "Leben und leben lassen". Dazu gehören auch die leisen Töne, das viel zitierte Entschleunigen, etwa auf der Alm in der Bergeinsamkeit, wo man nur die Stille hört. "Ich bin mir selber gnua, und schau der Zeit beim Stillstand zua."

Zum finale grande legen die fünf Hundlinge tempomäßig wieder zu. Der Song, der Höckestallers Gretchenfrage ("Warum singe ich eigentlich?") beantwortet, ist nicht nur textlich und melodisch einer der findigsten des Abends, sondern endet auch damit, dass das vom Frontman animierte Publikum als melancholischer Backgroundchor ("I sing, weil I sing so gern") agiert. Nach einem Stück mit dem kalauerhaften Titel "Ritter Dando" (inspiriert vom Musikbegriff "Ritardando") gibt es noch mal einen mitreißenden Abschlusssong, bei dem ein unsympathischer "Hausmoasta" (Hausmeister) im Mittelpunkt steht. Die Besucher im Zelt müssen dabei als Background noch mal alles geben. Wenig überraschend machen sie es super.

An diesem Freitag, 4. August, gibt es beim Zeltfest "Kasperle im Zirkus", Beginn 16 Uhr, das Konzert der "Drei Damen" ist auf 20 Uhr terminiert. Am Samstag ist von 18 Uhr an die "Große Zirkusgala".

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: