Unterschleißheim:Dieser Verein hat nur einen Zweck: Freude schenken

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Freuen sich wie die Schneekönige, wenn sie helfen können: Cornelia Pagel und Manfrad Baierlacher. (Foto: Robert Haas)

Vom Fahrrad bis zum Tandem-Sprung: Der Unterschleißheimer Verein "Schneekönige" unterstützt wohnungslose Menschen und erfüllt ihnen einfache und auch ganz besondere Wünsche.

Von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Es gibt eine Geschichte von Rainer Maria Rilke, in welcher der Dichter einer Pariser Bettlerin kein Geld, sondern eine weiße Rose schenkt - was diese mit einem Handkuss quittiert. Eine Geschichte, die Cornelia Pagel als Jugendliche stark beeindruckt hat. "Es geht nicht darum, einem Obdachlosen Geld in die Hand zu drücken, sondern es geht um Nahrung für die Seele." Deswegen hat die junge Frau in Unterschleißheim den Verein "Schneekönige" gegründet, der Menschen ohne Wohnung Wünsche erfüllt. Das kann eine klappbare Wickelkommode sein, weil in der Notunterkunft kein Platz für ein größeres Möbelstück ist, ein Fahrrad oder auch mal eine Konzertkarte.

Pagel erinnert sich noch gut daran, wie sehr sich ein Bewohner der Obdachlosenunterkunft in der Münchner Kyreinstraße über die Konzertkarten für "Sinatra and Friends" gefreut hat. Manfred Baierlacher, Leiter der Einrichtung des Katholischen Männerfürsorgevereins hat das ebenfalls noch im Gedächtnis. Er vergleicht die Arbeit des Vereins mit "der Fee, die mit dem Zauberstab daherkommt". Für den Konzertbesucher sei es ein ganz besonderes Erlebnis gewesen. Noch Wochen später habe er von der Show geschwärmt. Vor allem aber habe er nach dem schönen Abend zum ersten Mal davon gesprochen, sich doch vorstellen zu können, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Keine Selbstverständlichkeit für viele der Bewohner des Hauses, die unter Suchtproblemen oder psychischen Problemen - oder unter beidem - leiden.

Auch Harald Hösl hat Konzertkarten bekommen, die er sich niemals hätte leisten können. Hösl, der nach einem schweren Schicksalsschlag seine Wohnung verloren hat, arbeitet in Teilzeit bei einem Hausmeisterservice. Er ist kein Mann der großen Worte, aber dass die Besuche bei Deep Purple und Guns N'Roses etwas Besonderes für ihn waren, merkt man ihm doch an. Ganz begeistert erzählt er dann auch von seinem kleinen Kreta-Urlaub, für den er einen Zuschuss vom Verein Schneekönige bekommen hat. Ein nachhaltiges Erlebnis, auch wenn er sich gleich am ersten Tag einen "schlimmen Sonnenbrand" geholt hat. Für ihn war dieser Urlaub eine willkommene Auszeit vom Leben in der Wohnungslosenunterkunft.

Cornelia Pagel bewegt sich ganz ungezwungen in dem Haus an der Kyreinstraße, die 33-Jährige hat immer ein Lächeln auf den Lippen und ein offenes Ohr für die Geschichten. Die schlanke junge Frau mit den braunen Haaren, die im Personalwesen arbeitet, hat als Studentin im Haus für obdachlose Frauen "Karla 51" ehrenamtlich mitgeholfen. Das Thema Obdachlosigkeit habe sie seit ihrer Kindheit berührt, erzählt sie. Und sie habe sich immer gefragt, welche Lebensgeschichte wohl hinter jedem Schicksal steckt.

Der Verein, eine Gruppe aus Familienmitgliedern, Freunden und neuen Mitgliedern, nehme auch an Freiwilligenmessen teil, "aber es ist ungleich schwieriger in dem Bereich ehrenamtliche Unterstützer zu finden", berichtet sie. Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder im Tierschutz, so ihr Eindruck, sei der Zulauf größer. Dabei geht es den Schneekönigen nicht nur um Wunscherfüllung. Vielmehr wollen sie in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für das Thema schaffen, über das Ausmaß und die Hintergründe informieren und mit Klischees und Vorurteilen aufräumen. "Jeden kann es treffen", sagt Pagel und betont, dem Verein gehe es nicht um Schuldfragen. Es sei ganz egal, warum jemand wohnungslos sei, "er braucht die Unterstützung der Gesellschaft, damit er aus dieser Lage wieder herauskommt".

Ihr Verein ist mit neun Mitgliedern klein, arbeitet aber sehr effizient, wie Manfred Baierlacher berichtet. Manchmal habe er schon nach zwei Tagen das Okay, wenn er einen Wunsch übermittelt hat. Bei den Wünschen schaue die Einrichtung gezielt darauf, ob dieser einen Betroffenen auch weiterbringe - oder "ob er es verdient hat". Auf der Liste stehen Dinge, die sich die Menschen so nicht leisten könnten, sagt Pagel.

Ein Laptop für eine junge Frau, die sich für einen Job bewerben wollte. Die Grabpflege für einen Mann, der seine Kinder bei einem Unfall verloren hat. Kleider in Übergrößen, die selbst in Kleiderkammern schwer zu bekommen sind. Und immer wieder Fahrräder. Von diesem Projekt erzählt Pagel besonders gerne. "Das Fahrrad vermittelt auch ein Stück Freiheit, weil sich die Menschen damit fortbewegen können." Gerade Wohnungslose hätten oft nicht das Geld für öffentliche Verkehrsmittel. Das Fahrrad ermögliche die Teilhabe am kulturellen Leben. "Man fühlt sich vielleicht ein bisschen weniger ausgeschlossen", ist sich Pagel sicher.

Etwa 30 Fahrräder hat der Verein bislang übergeben, an Mütter mit Kindern, an alleinstehende Männer. Die Beschenkten dürfen sich die Räder beim Sozialbetrieb Dynamo Fahrradservice Biss am Münchner Ostbahnhof aussuchen, außerdem bekommen sie dort einen Reparaturkurs. "Das Thema Nachhaltigkeit ist uns ganz wichtig", sagt Pagel. Zum Fahrradpaket gehören auch Helme und gute Schlösser. Die Vereinsvorsitzende findet, dass sich mit Hilfe der Räder auch etwas verändert im Leben der Wohnungslosen. "Sie bekommen ein anderes Selbstwertgefühl."

Pagel sagt, ihr sei es wichtig, "Menschen, die schon auf einem guten Weg sind, Lebensfreude, Hoffnung und Motivation zu schenken". Und das ganzjährig und nicht nur zu Weihnachten. Bisher gab es erst einen einzigen Fall, in dem der Verein den Wunsch abgelehnt hat. Ein Mann wollte ein besonderes Gesundheitsprodukt haben, das aber die Ärztin nicht sinnvoll fand. Der Verein sagte Nein, "wir wollten ihm nicht schaden". Doch gegen ungewöhnliche Wünsche sei nichts einzuwenden. So unterstützt der Verein etwa einen Mann, der gerne einen Tandemsprung aus einem Flugzeug machen würde. Sein Psychologe sei überzeugt, es sei für die Therapie hilfreich, so Pagel.

Hilfreich war auch die Bezahlung einer Tierarztrechnung. Eine ältere Frau durfte ihre Katze nicht in die Wohnungslosenunterkunft mitnehmen und ließ sie bei einem Freund. Doch auch der hatte kein Geld, um sie behandeln zu lassen. Die Freude der Frau war riesig, als ihr die Übernahme der Behandlungskosten zugesagt wurde. "Man wird selbst beschenkt, wenn man schenkt", sagt Pagel. In diesem Sinne sei die Arbeit im Verein eine Bereicherung. Und am Ende stehen stets auf beiden Seiten Schneekönige.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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