Unterschleißheim:Naturschützer schlagen wegen Fällungen Alarm

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Der Kampf um die Bäume war auch ein Kampf der Bilder. Diese von Tino Schlagintweit gefertigte Visualisierung soll zeigen, dass die Schule auch mit Gehölzwall gut sichtbar bliebe. (Foto: Tino Schlagintweit)

Die BN-Ortsgruppe will nicht akzeptieren, dass für den Neubau der Michael-Ende-Schule und einen Radweg 119 Bäume abgeholzt werden sollen. Die Grünen wollen deshalb nachverhandeln und wenigstens 25 retten.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Die Entscheidung über eine Rodung von 119 Bäumen am Münchner Ring hat in Unterschleißheim mit etwas Verspätung heftigen Protest ausgelöst. Der Bund Naturschutz zeigt sich in einem offenen Brief an Bürgermeister Christoph Böck (SPD) und die Stadträte "fassungslos" und quittiert das Abräumen eines bestehenden Walls samt der dort befindlichen etwa 40 Jahre alten Bäume mit "Kopfschütteln". Die Grünen fordern nun eine 3-D-Simulation, die das Szenario anschaulich macht. Die Angelegenheit solle über die Bürgerbeteiligungsplattform Consul den Unterschleißheimern zur Beurteilung vorgelegt werden. Zweiter Bürgermeister Tino Schlagintweit (Grüne) sagt, er hoffe durch öffentlichen Druck noch auf eine Korrektur des Ende November im Umwelt- und im Bauausschuss des Stadtrats gefassten Beschlusses.

Der Konflikt offenbart ein in dem dicht besiedelten Landkreis München durchaus bekanntes Dilemma: Es wird immer enger. Die Bevölkerung wächst, neue und größere Schulen müssen gebaut werden. Dazu sollen möglichst breite, komfortable Geh- und Radwege entstehen, damit in Zukunft alle klimafreundlich unterwegs sind. Und ganz übergeordnet gilt natürlich angesichts der Erderwärmung ein Hauptaugenmerkt dem Stadtklima und dem Erhalt des Grüns. Aber alles unter einen Hut zu bekommen, ist manchmal schwer.

Noch ist der Münchner Ring von Baumreihen flankiert. Linker Hand von der Le-Crès-Brücke kommend soll der Wall abgetragen werden. (Foto: Robert Haas)

In Unterschleißheim geht es im konkreten Fall um die Umgestaltung der zentralen Kreuzung von Münchner Ring und Raiffeisenstraße, wo für etwa 70 Millionen Euro die Michael-Ende-Grundschule neu gebaut wird und ein schneller Radweg im Stadtzentrum münden soll. Lange schien dabei mit einem Erhalt des Walls ein Kompromiss in Sicht, mit dem alle hätten leben können. Doch in der entscheidenden Sitzung Ende November fand sich nach Darstellung von Teilnehmern plötzlich eine Mehrheit jenseits von Grünen und ÖDP für eine komplette Neugestaltung. Man habe "dringende Forderungen der Stadtplanung zur Klimaanpassung über Bord geworfen", sagt Schlagintweit und fragt: "Stachus statt Schule?"

Die Vorsitzende des Bundes Naturschutzes Schleißheim, Birgit Annecke-Patsch, wirft die Frage auf, ob an den Verantwortlichen "die Zeichen der Zeit spurlos vorübergegangen" seien. "Welch eine Ironie", sagt sie, dass für eine Bildungseinrichtung Bäume weichen sollten. Die Schüler hätten später die Quittung für solch eine Politik zu bezahlen. Das Vorgehen des Stadtrats erinnere sie an den Kahlschlag beim Rest des Lohwaldes für den Bau der Fachoberschule.

Der Vorwurf: Der Wall müsse nur aus architektonisch-ästhetischen Gründen weichen

Wie schlimm das Ganze ist, ist freilich umstritten. Die Gegenseite hat auch Argumente. Zum einen würde durch einen Erhalt des Walls, um den es letztlich noch ging, auch nur 25 der 119 Bäume gerettet. Ein Teil der Bäume muss für den Ausbau des Geh- und Radwegs ohnehin weg, ein Großteil für den Bau der Schule. SPD-Fraktionschef Thomas Breitenstein spricht von einer insgesamt "schwierigen Entscheidung", die in seiner Fraktion intensiv beraten worden sei. Ausschlaggebend sei gewesen, für die vielen Schulkinder, die künftig dort unterwegs seien, einen 2,5 Meter breiten Gehweg zu schaffen. Zwei Aufstellflächen seien an Übergängen über die Straße wichtig, und der schnelle Radweg auch.

Den Vorwurf der Grünen, der Wall müsse nur aus ästhetischen Gründen weichen, damit die neue Schule am Münchner Ring einen architektonischen Auftritt hat, weist Breitenstein zurück. Vielmehr sei ein wichtiges Argument der schlechte Zustand des Bewuchses auf dem Wall gewesen. Schöne Bäume würden nachgepflanzt, die eine "gute Beschattung des Schulhofs" garantierten.

Bürgermeister und Stellvertreter: Christoph Böck (SPD, links) fühlt sich an den Beschluss gebunden, den Tino Schlagintweit (Grüne) gerne revidieren würde. (Foto: Sebastian Gabriel)

Theoretisch könnten die Beschlüsse revidiert werden. Rathaus-Geschäftsleiter Thomas Stockerl sagt, wenn neue Erkenntnisse vorlägen oder eine neue Entwicklung sich ergebe, sei eine solche Wiedervorlage möglich. Außerdem könne natürlich jeder Stadtrat einen Antrag stellen. Tino Schlagintweit hofft auf einen Meinungsumschwung, auch beim Bürgermeister. Christoph Böck (SPD) fühlt sich derweil aber an den Beschluss gebunden, der von Verwaltung und Planern in mehreren Varianten gründlich vorbereitet worden sei. Die Stadträte hätten "in einer verantwortungsbewussten und nicht leichten Abwägung zwischen Sicherheit für Schulkinder, Gestaltung des Schulvorplatzes und der Erhalt von möglichst vielen Bäumen" entschieden.

Der Bund Naturschutz hätte sich mehr Kreativität gewünscht. Eine Idee wäre Schlagintweit zufolge gewesen, sich ein Vorbild an den Gartenbauern des Barock zu nehmen, die in Parkanlagen mit gezielten Öffnungen von Wällen und Mauern Durchblicke auf Schlösser geschaffen hätten. Den Wall teilweise aufzumachen, ihn so zu erhalten und so Sichtachsen zur Schule zu kreieren, wäre seiner Meinung nach eine intelligente Lösung.

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