Unterkünfte für Asylbewerber:Redebedarf allerorten

Nach der Fragestunde zur Flüchtlingsunterbringung am Gymnasium Haar informiert der Landrat die Unterschleißheimer

Von Markus Mayr, Alexandra Vettori, Haar/Unterschleißheim

Landrat Christoph Göbel (CSU) wird nicht müde, in den Kreiskommunen um Akzeptanz für die Unterbringung von Flüchtlingen zu werben. In Zeiten wie diesen, wo der Landkreis einer wachsenden Zahl von Schutzsuchenden eine Bleibe bieten muss, kommt es nicht selten vor, dass Göbel an einem Tag gleich an zwei Orten im Landkreis gefordert ist, so wie am Dienstagabend in Haar und in Unterschleißheim.

Im Winter ein Dach über dem Kopf zu haben ist wichtiger als der Schwimmkurs. Diese Meinung vertrat ein Großteil der Eltern und Schüler im voll besetzten Mehrzwecksaal des Ernst-Mach-Gymnasiums in Haar. Landrat Göbel bat dort mit Schuldirektorin Gabriele Langner und Bürgermeisterin Gabriele Müller um Verständnis für eine Maßnahme, die "Ultima Ratio" sei, so Göbel: die Schulturnhalle und das angrenzende Hallenbad mit Asylbewerbern zu belegen, von Mitte Oktober bis voraussichtlich Mitte Dezember. Danach sollen in ausreichender Zahl Traglufthallen und feste Unterkünfte im Landkreis bereit stehen. Der abiturrelevante Sportunterricht konnte nach Eglfing verlegt werden, Schwimmer müssen auf andere Gemeinden ausweichen.

Die Anwesenden zeigten Verständnis für die Maßnahme, boten sogar Hilfe an. "Wie können wir helfen?", fragte ein Bub. Eine Schülerin will den schulischen Sanitätsdienst bereitstellen, was ihr Applaus einbrachte. Lauten Beifall bekam dann auch eine Schwimmtrainerin, die den Ausfall des Sportunterrichts zwar bedauerte, aber an die Menschlichkeit appellierte. "Da geht es jetzt um Leben und Tod", sagte sie. Ganz klar sei es, dass das Obdach der Schutzsuchenden Vorrang habe. Mit ihrer Wortmeldung reagierte sie auf Redebeiträge von Eltern, die um die Sicherheit ihrer Kinder fürchteten und den Wegfall von Schul- und Vereinssport beklagten.

"Sie hätten uns auf ihrer Seite, wenn es nicht Schulturnhallen wären", rief ein Vater in Richtung Landrat. Er sprach damit für eine relativ kleine Gruppe von Eltern, bei denen das Unbehagen vor den fremden Neuankömmlingen mitunter tief sitzt. Eine Mutter berichtete von angeblichen "Übergriffen" auf Schüler in Gräfelfing. Vehement bestritt der Landrat, selbst ein Gräfelfinger, dass es jemals solche Übergriffe gegeben habe. Wenn sich die zu Dutzenden ohne Privatsphäre Untergebrachten stritten, dann untereinander, sagte er. Um die Bedenkenträger zu beruhigen, berichtete eine Frau von ihrer persönlichen Erfahrung eines "harmonischen Miteinanders" im örtlichen Jugendzentrum.

An die 500 Interessierte sind es wenige Stunden später am Abend in Unterschleißheim gewesen, die zu einer Informationsveranstaltung von Stadt und Landkreis über die Lage bei der Flüchtlingsunterbringung gekommen sind. Viel Neues erfuhren sie allerdings nicht. Derzeit wohnen etwa 7000 Asylbewerber im Landkreis, jede Woche kommen weitere 92 dazu. 70 Flüchtlinge leben in Unterschleißheim. Die nächste Unterkunft wird in Containern auf dem städtischen Grundstück an der Paul-Kulisch-Straße entstehen, voraussichtlich im November ziehen hier 56 Flüchtlinge ein. Im Februar oder März ist der Bürobau an der Siemensstraße fertig umgebaut, hier kommen weitere 215 Menschen unter, darunter auch Familien. Dass sich alle Einrichtungen in einem Viertel von Unterschleißheim befänden, so Bürgermeister Christoph Böck (SPD), sei nicht geplant gewesen. Wo die 400 Plätze entstehen sollen, mit denen Unterschleißheim sein Soll bei der Unterbringung erfüllt, weiß derzeit niemand. Böck sagte, man führe Gespräche, Angebote von Grundstücken oder Immobilien gebe es aber nicht. Weil der Landkreis immer wieder Notunterkünfte benötigt, schloss Landrat Göbel nicht aus, dass auch die Turnhalle der Rupert-Egenberger-Schule kurzfristig wieder bezogen wird.

Eine Anwohnerin des A 1-Wohnheimes schilderte bei der anschließenden Fragerunde ihre Probleme, vor allem im vergangenen Sommer: "Die schreien so rum, der Lärm ist unerträglich." Allerdings sei es nur zu einer Anzeige wegen Ruhestörung gekommen, betonte Heinz Eckmüller, Dienststellenleiter der Polizei in Oberschleißheim. Sein Rat: Den direkten Kontakt suchen, und um Ruhe bitten. Bürgermeister Böck betonte, im Wohnheim A 1 wohnten nicht nur Asylbewerber, sondern zu zwei Drittel auch Arbeiter, vor allem aus Rumänien und Bulgarien.

Die Mitarbeiterin eines Unterschleißheimer Kinderhortes wollte wissen, ob die Betreuungseinrichtungen mit Unterstützung oder zusätzlichen Gruppen rechnen könnten, wenn sie mehr Flüchtlingskinder betreuten. Dazu konnte weder Göbel noch Böck etwas sagen, "wir können uns dafür nicht rüsten, weil wir nicht wissen, wann welche Kinder kommen", so Göbel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: