Unterhaching/Haar/Höhenkirchen:Anschläge auf Umwelt und Ortsbild

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Vor der Europawahl diskutieren viele Gemeinden über strengere Vorgaben für das Aufhängen von Plakaten. In Unterhaching soll den Parteien sogar das Material vorgeschrieben werden, das sie verwenden

Von Iris Hilberth und Bernhard Lohr, Unterhaching/Haar/Höhenkirchen

An den Ortsausgangsstraßen von Unterhaching ist der Wahlkampf nicht zu übersehen. An jedem Laternenmast sind Plakate zur Europawahl befestigt, meist von einer und derselben Partei. Schön ist das nicht unbedingt. Vor der Europawahlen und mit Blick auch schon auf die Kommunalwahlen 2020 ist in vielen Kommunen des Landkreises eine Diskussion über Grenzen der Plakatierung ausgebrochen. Parteien verordnen sich, wie die SPD in Unterschleißheim und Haar, Zurückhaltung und rufen andere auf es ihnen gleich zu tun. In vielen Gemeinderäten wird über Plakatierungsverordnungen diskutiert.

So etwa in Unterhaching, wo sich die Grünen bei vergangenen Wahlen nicht nur über die optische Verschandelung des Straßenraums, sondern auch über das Material der Plakate ärgerten. Im Bau- und Umweltausschuss haben sie jetzt durchgesetzt, dass Hohlkammerplakate aus Kunststoff zukünftig in Unterhaching nicht mehr aufgehängt werden dürfen. So soll der Plastikmüll reduziert werden.

In Haar verabschiedete der Gemeinderat jüngst eine Verordnung, die sicherstellen soll, dass eine Woche nach der Wahl die Plakate wieder weg sind. Auf das Aufstellen von großen Plakattafeln, auf denen mehrere Parteien ihre Werbung kleben, verzichtete man vor der Europawahl ausdrücklich, um Streit zu vermeiden, wer wo seine Werbung kleben darf. Eine intensive Debatte führten kürzlich die Gemeinderäte in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wo Roland Spingler (CSU) einen von der Verwaltung vorgelegten Entwurf für eine Neuauflage der Plakatierungsverordnung mit den Worten zurückwies, er wähne sich "in den Fängen der Bürokraten". Der CSU-Ortsvorsitzende bezeichnete es als erfahrener Plakatierer einfach als nicht praktikabel, wenn da gefordert werde, auf Plakaten den Verantwortlichen für die Veröffentlichung samt Adresse zu nennen. Auch warnte er vor ähnlichen Fallstricken, wie man sie in Haar vor Augen hatte, als man auf das Aufstellen von Anschlagtafeln verzichtete.

Stell dir vor, es ist Wahl, und fast keiner plakatiert: Eine Plakatwand der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn am Dienstag. (Foto: Angelika Bardehle)

In Höhenkirchen-Siegertsbrunn sollte sogar geregelt werden, dass jeder Partei zehn Quadratmeter Werbefläche zur Verfügung gestellt werden sollte. Damit mache man sich angreifbar, warnte Spingler. Es sei nicht rechtskonform sagte er und verwies auf höchstrichterliche Entscheidungen, die eine "abgestufte Chancengleichheit" einfordere. Der Gemeinderat nahm schließlich von der Reform seiner aus dem Jahr 1991 stammenden Verordnung Abstand, die man auch wegen Klagen über zu viel Plakaten am Straßenrand angepackt hatte.

In Unterhaching ist man derweil auf gutem Weg, einige Punkte genauer zu fassen. Stimmt an diesem Mittwoch auch der Gemeinderat zu, wird die "Gemeindeverordnung über öffentliche Anschläge" dahingehend geändert, dass nur noch recyclefähige Plakate benutzt werden dürfen, die aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt wurden: Pappe statt Plastik. Die Verwaltung soll zudem prüfen, ob nicht ausschließlich Plakatwände vorgeschrieben werden könnten, die Bewerber gleichermaßen nutzen können, um so die Masse an Wahlwerbung im öffentlichen Raum einzuschränken.

(Foto: Ilona Burgarth)

Bislang war man im Rathaus davon ausgegangen, dass eine solche Regelung nicht möglich wäre. "Warum muss an jedem Baum was hängen?", hatte der Zweite Bürgermeister Alfons Hofstätter (parteifrei) die Verwaltung gefragt, nachdem auch Florian Riegel (FDP) den Wunsch geäußert hatte, sich etwa an Unterföhring ein Beispiel zu nehmen, wo seit Jahren die Wahlwerbung ausschließlich auf großen Plakatwänden stattfindet und die Straßenränder und Laternenmasten sonst frei bleiben. Vor 20 Jahren habe Unterhaching diesbezüglich eine Anfrage beim Landratsamt gestellt, die aber negativ beschieden worden sein soll, erinnerte sich Ordnungsamtsleiter Wolfgang Ziolkowski. In der Behörde ist man zumindest heutzutage nicht gegen solche Vorgaben. Wie die Sprecherin des Landratsamts, Christine Spiegel, mitteilt, sei es allein die Entscheidung der Gemeinde. "Wir werden da höchstens beratend tätig", sagt sie, "die Gemeinden müssen das auch nicht bei uns vorlegen."

Die zum geplanten Unterhachinger Verbot von Plastikplakaten angeführten Anmerkungen des Landratsamts überzeugten das Gremium letztlich mehrheitlich nicht. So wies die Behörde darauf hin, dass auch Hohlkammer-Plakate recycelbar seien. Nach Ansicht des Landratsamts sind Allwetter-Plakate aus Pappe teurer als jene aus Plastik, man sehe den Grundsatz der Gleichbehandlung und Chancengleichheit verletzt, da sich kleinere Parteien Allwetter-Plakate nicht im ausreichenden Maße leisten könnten. Dennoch hielten letztlich alle Ausschussmitglieder bis auf Riegel einen Ausschluss von Hohlkammerplakaten für sinnvoll.

Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) will Plakatwände noch einmal prüfen lassen, zumal auch dafür lediglich Papier in Frage käme. "Wir müssen auch sehen, ob das technisch möglich ist", sagte er. Die Frage wäre also auch: Bietet eine solche Wand ausreichend Platz für alle Parteien. In Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Ottobrunn und Unterföhring zumindest sind bei dieser Europawahl auf den Wänden noch Plätze frei.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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