Die „Waldeslust“ am Ortseingang von Unterhaching kennt jeder. Wenn man von München kommt, fällt die Gastwirtschaft mit ihrem großzügigen, schattigen Biergarten allein durch ihren roten Anstrich sofort ins Auge. Einst hieß sie Sedlmeyrs Waldwirtschaft, 1992 übernahm sie der Gastronom Holger Müller und entwickelte sie zu einem trendigen Lokal. Doch jetzt denkt der 57-Jährige ans Aufhören und will die Waldeslust verkaufen. Dass die Wirtschaft dann einer Wohnbebauung weichen könnte, schreckt die Unterhachinger auf. Verhindern könnten sie es kaum.
Dass Müller bereits seit einigen Jahren nach einem geeigneten Käufer sucht, der im besten Fall auch das Lokal weiterführt, ist schon länger bekannt. Vor etwa drei Jahren gab es sogar ein Inserat auf einem Immobilienportal, in dem das 1279 Quadratmeter große Grundstück an der Ecke Gartenstraße/Münchner Straße als „renommierter Restaurant- und Barbetrieb“ angeboten wurde, mit drei vermieteten Wohnungen im Obergeschoss. Müller ging damals mit einer Preisvorstellung von drei Millionen Euro in die Verhandlungen, wie er sagt. Bislang aber hat sich kein Käufer gefunden.
Das Thema wurde jetzt für den Gemeinderat aktuell, da der Ferienausschuss am Mittwochabend einem Vorbescheid zustimmte, wonach auf dem Grundstück ein Dreispänner und ein Einzelhaus errichtet werden dürfen. Wohnbebauung statt Gastronomie – das wäre für die meisten im Gemeinderat eine äußerst bedauerliche Entwicklung. Zumal gerade im nahe gelegenen Fasanenpark-Einkaufszentrum (FEZ) wieder einmal ein Lokal wegen Personalmangels schließen musste.
Formal steht dem Abriss der Waldeslust und der Errichtung von Wohnhäusern allerdings nichts entgegen. Denn der Bebauungsplan setzt lediglich eine fünf Meter tiefe Baugrenze, Sattel- oder Walmdach und maximal zwei Vollgeschosse fest. Auch der Fällung einer mehrstämmigen Kastanie im nördlichen Grundstücksbereich, wie in der Bauvoranfrage beantragt, stünde nichts im Wege. Denn ein zertifizierter Baukontrolleur ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Stamm der Kastanie hohl und somit der Baum nicht mehr verkehrssicher ist.
Die Geschichte der Wirtschaft an dieser Stelle reicht mehr als hundert Jahre zurück. Leonhard Sedlmeyr, der einen Pflastereibetrieb in München-Giesing hatte, kaufte das Gartengrundstück 1920 für 6800 Mark und baute dort ein Wohnhaus mit einem Bierstüberl und einem Kiosk. Verschiedene Pächter betrieben die Gastronomie, 1936 ließ Sedlmeyr das einstöckige Gebäude abreißen, errichtete den jetzigen Bau und betrieb das Lokal als „Sedlmeyrs Waldwirtschaft“ selbst.
Weil es nach dem Zweiten Weltkrieg die einzige Gaststätte in der Siedlung war, fanden hier zahlreiche Familienfeste, Faschingsbälle und Versammlungen von Vereinen statt. Zudem entwickelte sich die Waldwirtschaft zum Treffpunkt für Radausflügler und Kartenspieler. Im Winter verabredete man sich zum Eisstockschießen auf der dann gesperrten und mit Wasser bespritzen Gartenstraße. So beschreibt es Werner Reindl in seinem Unterhaching-Buch „Erinnerungen an die Siedler“.
Der Sozialdemokrat Sedlmeyr wurde im Mai 1945 von der US-Militärregierung zum Bürgermeister ernannt und 1946 in dieses Amt gewählt, das er bis zur Wahl 1948 innehatte. Die Wirtschaft behielt nach Sedlmeyrs Tod 1971 noch lange seinen Namen, bis sie Holger Müller in „Waldeslust“ umbenannte.
„Der Vorbescheid für Wohnbebauung dient nur als Sicherheit für den Käufer“, sagt Müller
Nun stellen sich die Gemeinderäte die Frage: Reicht diese Historie aus, um die Waldeslust unter Denkmalschutz zu stellen und somit den möglichen Verlust der Gastwirtschaft zu verhindern? Der Ferienausschuss beschloss, zunächst mit dem Heimatpfleger darüber zu reden. Rathaus-Amtsleiter Simon Hötzl betonte zwar: „Die Gastronomie und Nahversorgung bewegt uns sehr.“ Er wies aber darauf hin, dass Denkmalschutz „ein harter Eingriff“ sei. Umso wichtiger sei es, alte Bebauungspläne bei der Ortsentwicklung auf einen neueren Stand zu bringen.
Von heute auf morgen will Holger Müller sowieso nicht aufhören, wie er sagt. „Aber ich mache das jetzt seit 32 Jahren und habe eine 70-Stunden-Woche“, betont er, daher suche er einen Nachfolger, „vielleicht erst in fünf oder auch in acht Jahren“. Das komme darauf an, ob sich jemand finde, der das Lokal weiterführe. Denn darum gehe es ihm eigentlich. „Der Vorbescheid für Wohnbebauung dient nur als Sicherheit für den Käufer“, sagt Müller, falls es dann doch mit der Gastronomie nicht so gut laufe: „Der soll nicht die Katze im Sack kaufen.“ Denn auch wenn der Laden weiterhin brummt, das Gasthaus und der Biergarten über die Grenzen Unterhachings hinaus bekannt und beliebt ist: Personalprobleme hat Müller auch.