Süddeutsche Zeitung

Unterhaching:Viele Kinder, aber auch mehr Autos

2010 gab es unter den alteingesessenen Bewohnern im Fasanenpark Widerstand gegen den Bau weiterer Wohnungen. Heute freuen sich einige über die Belebung des Viertels - andere bleiben bei ihrer Ablehnung.

Von Michael Morosow, Unterhaching

"Aufruhr im Fasanenpark", "Nachbarn machen mobil gegen Wohnanlage", "Im Fasanenpark geht die blanke Angst um" - so lauteten 2010 die Schlagzeilen zum Umzug der Fasanenschule auf die Stumpfwiese und dem damit verbundenen umstrittenen Grundstückstausch der Gemeinde Unterhaching mit der Firma Schrobenhauser. Gerüchte über 500 neue Wohnungen machten die Runde. Viele Bewohner der 1967 entstandenen Siedlung am Fasanenpark gingen auf die Barrikaden, die Emotionen kochten hoch, es kam zu Wortgefechten in öffentlichen Veranstaltungen. Die Fasanenparkler hatten vor allem Angst, dass die Wohnbebauung auf dem alten Schulgelände den Siedlungscharakter zerstören könnte und die ohnehin angespannte Parkplatzsituation sich weiter zuspitzen könnte.

Sieben Jahre sind seither ins Land gezogen. Kleine Buben und Mädchen, die damals noch gar nicht auf der Welt waren, vergnügen sich auf dem Spielplatz der lange umstrittenen und inzwischen fertig gestellten Wohnanlage an Rutsche, Kletterseil und Vogelnestschaukel. Ihnen kann es einerlei sein, ob die alteingesessenen, erwachsenen Fasanenparkler die vier fünfstöckigen und sieben vierstöckigen Häuser mit 133 Wohnungen weiter als störenden Fremdkörper im Herz der Fasanenparksiedlung betrachten oder sich inzwischen damit arrangiert haben. Aber sie freuen sich, dass auch Kinder aus der Nachbarschaft mit ihnen spielen. Auf dem alten Schulgrundstück ist eine Wohnanlage entstanden, mit der "alle leben" können, wie SPD-Gemeinderat Dieter Senninger zur Zeit der Planung sagte.

Schräg gegenüber wohnt das Ehepaar Riemerschmitt in einem der vielen Bungalows, die in den Jahren 1966 und 1967 neben Reihen-, Ketten- und Hochhäusern entstanden sind. Von 1967 bis 1999 haben sie die von ihnen gegründete Apotheke an der Parkstraße geführt. "Wir hatten die Hosen voll", gesteht Wolfgang Riemerschmitt. Aber jetzt, da die Wohnanlage gebaut und bezogen ist, glauben beide, dass ihre Ängste unbegründet waren. Der Stil der neuen Wohngebäude gleiche sich der Umgebung an, sagt Erika Riemerschmitt und würdigt damit das Fingerspitzengefühl des Münchner Architektenbüros Botzenhardt, Zeitler, Blaimberger. "Mehr Kinder, mehr Katzen, mehr Hunde" sehe man nun, aber das sei gut so. "Lärm ist für mich ohnehin Motorenlärm, nicht Kinderlärm", sagt Erika Riemerschmitt, die dennoch der alten Schule vor ihrer Haustür nachtrauert. Das Gebäude sei noch gut in Schuss gewesen, sagt sie. Aber unterm Strich, so sieht es das Ehepaar, sei die neue Wohnanlage mit schönem Kinderspielplatz und Gartenanlagen die beste Alternative zur alten Schule.

Auch Rosi Vogt hat inzwischen ihren Argwohn gegen die neue Wohnanlage aufgegeben. Im Februar saß sie zusammen mit Bekannten im Cafe Lani in der Unterhachinger Fußgängerzone, in das die Landkreis-Redaktion der Süddeutschen Zeitung alle Interessierten aus dem Hachinger Tal zur ihrer Veranstaltung "SZ im Dialog" eingeladen hatte. Schnell war der Fasanenpark Thema am Tisch, und Rosi Vogt sagte: "Ist gut geworden." Vor allem, dass der Spielplatz öffentlich und vom Park aus gut zu erreichen sei, freue sie. "Auch meine Tochter hatte vorher große Bedenken, ist jetzt aber zufrieden mit dem Bau", berichtete die Unterhachingerin.

Von den Alten sind nicht mehr viele da

Weiterhin kritisch blickt dagegen Ilse Kääb auf den "Fremdkörper" inmitten der Siedlung. Die Sprecherin der Interessengemeinschaft Fasanenpark, die in der Hochzeit des Widerstands gegen den Grundstückstausch der Gemeinde an vorderster Stelle zu finden war, beklagt dabei allgemein den Wandel zum Schlechten im Fasanenpark. Nach der Schule sei nun auch der Kirchenstandort aufgelöst worden. "Das Ganze war ein Ensemble, jetzt werden ganze Stücke rausgerissen", kritisiert Ilse Kääb. Aber auch von der einstigen "wunderbaren" Gemeinschaft der Fasanenparkler sei nicht mehr viel vorhanden.

Von den Alten seien nicht mehr viele da, "die sterben weg wie die Fliegen, die Erben verkaufen oder vermieten", sagte sie. Und die Neubürger in der neuen Wohnanlage, so habe sie festgestellt, "die grüßen nicht". Mehr Beistand würde sich Kääb vor allem von den vier Kommunalpolitikern wünschen, die selbst im Fasanenpark wohnen: Bürgermeister Wolfgang Panzer und Gemeinderat Peter Türkes (beide SPD), Claudia Köhler (Grüne) und Peter Hupfauer (FDP).

Mit "viel gutem Willen" könne man sagen, die neue Wohnanlage füge sich in ihre Umgebung ein, sagt Hupfauer, der bis zuletzt gegen den Grundstückstausch argumentiert und gestimmt hat. Die Parkplatzsituation sei allerdings noch angespannter als je zuvor. Wenn man im Bestand nachverdichte, nehme der Verkehr zu, im Fasanenpark finde man inzwischen kaum noch einen freien Parkplatz, sagt Hupfauer.

"Wohnanlage schön, Grünanlagen schön, viele Mütter mit kleinen Kindern, aber auch viel mehr Autos", sagt Köhler. Das Verkehrsaufkommen sei durch die neue Wohnanlage wesentlich größer geworden, "im Fasanenpark geht gar nichts mehr", sagt die Anwohnerin. Das liege nicht zuletzt daran, dass mancher der 133 Haushalte zwei Autos besitze und an schönen Tagen kaum einer in die Tiefgarage fahre, in der 179 Stellplätze vorhanden sind.

Bürgermeister und Anwohner Panzer ist zufrieden

Ihm gefalle die neue Wohnanlage recht gut, sie füge sich gut ein, sagt Bürgermeister und Anwohner Panzer. Bislang habe er ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen. Die Gemeinde sei aber auch auf viele Wünsche und Anregungen der Nachbarschaft eingegangen, habe sich der Diskussion gestellt. Auf die Parkplatzproblematik angesprochen, verweist er auf den Stellplatzschlüssel, der in den Sechzigerjahren im Fasanenpark 0,9 pro Wohneinheit betragen habe, inzwischen auf 1,3 erhöht worden sei und damit höher sei als im Wohngebiet auf der Stumpfwiese, für die ein Schlüssel von 1,1 gelte.

"Und auch auf der Stumpfwiese findet man im Winter jede Menge Parkplätze, im Sommer kaum einen", sagt Panzer. "Die Wohnanlage fügt sich gut ein, sie sieht genauso aus, wie wir sie geplant haben", sagt Gemeinderat Türkes. Das Thema Parkplatz sei in ganz Unterhaching ein Problem, er würde sich wünschen, dass mehr Leute auf öffentliche Verkehrsmittel umstiegen, oder wenigstens die Tiefgarage nutzten.

Und wie wohl fühlen sich die zugezogenen Mieter und Käufer in ihrer neuen Umgebung? "Wunderschön ist es, ich wohne sehr gerne hier", sagt Melanie E., die mit Mann und zehnjährigem Sohn zur Miete wohnt. Die Wohnanlage wertet ihrer Meinung nach die Siedlung sogar auf, die Umgebung sei nämlich "alt und nicht mehr so zeitgemäß". Die Einkaufssituation sei freilich nicht befriedigend, der Netto zu klein, "und sonst gibt's hier nur Friseur und Reisebüro". Dafür sei man mit der S-Bahn in 15 Minuten am Marienplatz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3450942
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.04.2017/sab
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.