Stadtentwicklungsplan 2040:Die Vorstadt will mitreden

Stadtentwicklungsplan 2040: Der große Nachbar ist nicht weit weg: Von Unterhaching bis zur Stadtgrenze sind es gerade mal 500 Meter.

Der große Nachbar ist nicht weit weg: Von Unterhaching bis zur Stadtgrenze sind es gerade mal 500 Meter.

(Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Unterhaching fürchtet angesichts der Münchner Konzepte für das Gebiet direkt vor ihrer Haustür, dass Probleme auf sie abgewälzt werden. Deshalb fordert sie Gespräche - und zwar "auf Augenhöhe".

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Das Ortsschild am nördlichen Ende von Unterhaching attestiert die Nähe: Es sind nur 0,5 Kilometer bis nach München. Ein Katzensprung, würde man sagen. Und so ist es vielleicht gar nicht arg verwunderlich, wenn die Stadt bei ihren Planungen die Gemeinde an ihrem Südostrand als Anhängsel ansieht, als Vorstadt. Dort ist man daher alarmiert, wenn der große Nachbar Zukunftsszenarien entwickelt, wie aktuell den Stadtentwicklungsplan 2040. Die Unterhachinger haben sich die Planungen direkt vor ihrer Haustür ganz genau angeschaut, sehen Konflikte und daher Nachbesserungsbedarf. Sie befürchten, dass so manches Problem einfach auf den kleinen Nachbarn abgewälzt wird. Vor allem wollen sie ernst genommen werden und fordern Gespräche "auf Augenhöhe".

Aus ihrer Sicht gibt es da noch so einiges zu besprechen. Etwa Grünflächen. "Bei Durcharbeiten der Entwürfe entsteht der Eindruck, dass das Gleichgewicht zwischen Siedlungsfläche und Freiraum das Umland schaffen soll", hat man im Unterhachinger Rathaus festgestellt. Wie die dortige Abteilung "Ortsentwicklung" darauf kommt? Es sei zu erkennen, dass in der Stadtplanung keine größeren Parkanlagen geplant seien, machte Referatsleiter Stefan Lauszat unlängst dem Gemeinderat deutlich. Erholungssuchende würden an den Stadtrand und ins Umland gelenkt.

Stadtentwicklungsplan 2040: Im Landschaftspark Hachinger Tal tummeln sich bereits jetzt viele Münchner.

Im Landschaftspark Hachinger Tal tummeln sich bereits jetzt viele Münchner.

(Foto: Claus Schunk)

Zum Beispiel in den Landschaftspark Hachinger Tal, auf den der Besucherdruck wächst. Eine Umfrage habe ergeben, dass bereits 40 Prozent der Leute, die dort mit ihren Hunden unterwegs sind, aus München kommen. Man sieht das in Unterhaching vor allem mit Blick auf den Arten- und Naturschutz kritisch und findet, dass die Stadt München selbst mehr Grünflächen schaffen sollte, sowohl kleinere Freiflächen als auch zusammenhängende Areale.

Auch über die Planungen der Verkehrsverbindungen sind die Unterhachinger nicht ganz glücklich. Zwar befürworten sie auch eine Radschnellverbindung in die Stadt, allerdings nicht entlang der S-Bahnlinie S3. Sie warnen vor allem vor einem Nadelöhr am Bahnhof-Vorplatz und fordern vielmehr eine bessere Verknüpfung der Radwege. Vorschläge hätten sie einige: einen Weg, der am Bahnhof Fasanenpark geradeaus durchführt, die Fortführung des Radweges an der Biberger Straße und eine schnelle Verbindung nach München über die Stadelheimer Straße.

Auch mit der Schienenanbindung ist Unterhaching nicht zufrieden. Klar, es gibt die S-Bahn. Aber eine Verlängerung der U1 vom Mangfallplatz aus in die Gemeinde hält man dort ebenfalls für sinnvoll, zum Klinikum Harlaching hingegen nicht. Und sollten die Münchner wie vorgeschlagen ihre Parkflächen und Autospuren reduzieren, sieht man in Unterhaching die Umlandgemeinden ebenfalls als Verlierer solcher Maßnahmen. Dann nämlich würden noch mehr Langzeitparker ihre Wohnmobile und Vans im Landkreis abstellen.

Stadtentwicklungsplan 2040: In der ehemaligen "Ami-Siedlung" am Perlacher Forst im Stadtteil Fasangarten sieht die Stadt Entwicklungspotenzial.

In der ehemaligen "Ami-Siedlung" am Perlacher Forst im Stadtteil Fasangarten sieht die Stadt Entwicklungspotenzial.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Auch beim Blick auf die aufgezeigten Entwicklungsmöglichkeiten der Münchner Wohngebiete schrillen in Unterhaching die Alarmglocken. Denn dort ist die "Siedlung am Perlacher Forst", die den meisten unter der Bezeichnung "Ami-Siedlung" bekannt ist, als "Potenzialgebiet" ausgewiesen. Das sieht man in Unterhaching insofern als problematisch an, da sich "das Bevölkerungswachstum in einem städtischen Gebiet, das an eine andere Gemeinde grenzt, natürlich auf das Gleichgewicht von Wohnraum, Beschäftigung und Dienstleistungen in dieser Gemeinde auswirken kann", mahnt die Verwaltung.

Aktuell besuchen 59 Münchner Kinder und Jugendliche die Unterhachinger Grund- und Mittelschule am Sportpark. Das sind immerhin 2,36 Klassen. Die Gemeinde ist gerade dabei, das relativ neue Schulhaus durch einen Anbau zu erweitern. Auch das Gymnasium ist schon wieder zu klein und bekommt einen zusätzlichen Gebäudetrakt. Auf das Lise-Meitner-Gymnasium gehen derzeit 129 Schülerinnen und Schüler aus der Landeshauptstadt. Das entspricht 4,3 Klassen. Unterhaching sagt ganz klar: "Eine Aufnahme weiterer Gastschulkinder ist aus räumlicher und pädagogischer Sicht nicht möglich und daher abzulehnen."

Auch bei der Betreuung von kleineren Kindern sieht sich die Gemeinde längst am Limit. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Kinder unter drei Jahre um 28 Prozent gestiegen. Die Zahl der betreuten Kindergartenkinder nähert sich der Tausender-Marke. Auch in der Nachmittagsbetreuung der Grundschüler gehen die Zahlen nach oben. Die Gemeinde rechnet Ende der 2020er-Jahre mit 1200 Kindern in den verschiedenen Einrichtungen. "Wir haben keine Luft mehr, städtischen Bedarf abzudecken", sagte Lauszat. Die Stadt dürfe nicht glauben, die Probleme löse schon irgendwer. Dazu schickte der Referatsleiter ein entschiedenes "Nein!" über die Stadtgrenze.

Stadtentwicklungsplan 2040: Wenn die Stadt Parkflächen und Autostreifen reduziert, befürchten die Umlandgemeinden noch mehr Langzeitparker wie hier an der Albert-Schweitzer-Straße in Unterhaching.

Wenn die Stadt Parkflächen und Autostreifen reduziert, befürchten die Umlandgemeinden noch mehr Langzeitparker wie hier an der Albert-Schweitzer-Straße in Unterhaching.

(Foto: Claus Schunk)

Die Lage ist also verzwickt. Denn die Gemeinde weiß auch: "Wenn die Stadt kaum noch Wohnraum schafft, wird der Druck auf das Umland höher. Wenn allerdings Wohnraum ,um jeden Preis' geschaffen werden soll, verlagern sich die Themen wie soziale Infrastruktur, Bedarf an Freizeit- und Sportflächen, Wunsch nach Natur und Erholung in das Umland und führen dort zu Problemen", schreibt sie in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Stadtentwicklungsplans. "Die soll den Geist atmen, dass wir auf Augenhöhe arbeiten wollen", betonte Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD). Wichtig sei, dass Unterhaching nicht als Mini-Partner gesehen werde, sagte auch Lauszat: "Ziel ist ein Abstimmungsverfahren mit dem Münchner Stadtrat."

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