Soldaten im Klassenzimmer - dieser Umstand hat kurz vor Ende der Schulferien eine heftige Kontroverse ausgelöst. Angesichts des Einsatzes von Studenten der Bundeswehr-Universität in Neubiberg als Vertretungslehrkräfte am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vom Kultusministerium, "die allgemein anerkannten Grundsätze politischer Bildung weiterhin vollständig einzuhalten". Dies sei mit angehenden Offizieren nicht möglich, heißt es in einer am Mittwoch von der Gewerkschaft verbreiteten Pressemitteilung. Das Kultusministerium beschwichtigt: Die Bundeswehrsoldaten seien lediglich zur Beaufsichtigung von Klassen tätig gewesen, nicht zum Unterrichten.
An der Schule waren die Offiziersanwärter der Bundeswehr-Uni von März bis zum Beginn der Pfingstferien Anfang Juni. Laut GEW wurden sie überwiegend in den Jahrgangsstufen fünf bis neun für Vertretungsstunden eingesetzt und gaben dabei unter anderem Auskunft über ihren Beruf. Nach Ansicht der Gewerkschaft ist dies mit allgemein anerkannten Grundsätzen politischer Bildung unvereinbar. Politische Bildung gehöre ausschließlich in die Hand dafür ausgebildeter Pädagogen. Der Einsatz von Militärangehörigen sei zumindest bei Minderjährigen unstatthaft.

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Laut Ministerium hatte das Lise-Meitner-Gymnasium wegen der Corona-Pandemie im Winter und Frühjahr ungewöhnlich hohe Personalausfälle. Die Schulleitung habe daher Ehrenamtliche für Verwaltungs- und Aufsichtsaufgaben gesucht und dabei auch in der nur sieben Autominuten von der Schule entfernt gelegenen Universität der Bundeswehr angefragt, ob Studenten aus dem Bereich der Sozialwissenschaften bereit wären, in einer Art Praktikum die Schule zu unterstützen, wie Pressesprecher Daniel Otto erläutert.

Sechs Studenten und eine Studentin hätten sich bereit erklärt, die Schule freiwillig und ehrenamtlich zu unterstützen. Dies sei nicht im Rahmen ihrer Dienstaufgaben bei der Bundeswehr geschehen, auch hätten die Studenten weder eigenverantwortlich Unterricht gehalten, wie es die GEW darstellt, noch politische Bildung vermittelt. In den beaufsichtigten Stunden sollten dem Ministerium zufolge allein die von Lehrkräften konzipierten Arbeitsaufträge ausgegeben und die Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung beaufsichtigt und gegebenenfalls unterstützt werden.
Die Gewerkschaft warnt vor der "Rekrutierung" von Minderjährigen
Die Studierenden seien bei der Einweisung schriftlich über ihr Aufgabengebiet informiert worden und hätten den Hinweis erhalten, darauf zu achten, dass ihre Tätigkeit nicht als Werbung für die Bundeswehr verstanden wird. Auch seien die Eltern durch einen Elternbrief über die bis zu den Pfingstferien begrenzte Maßnahme unterrichtet worden. Beschwerden von Schülerinnen, Schülern oder deren Eltern über den Einsatz der Studierenden sind dem Ministerium nicht bekannt.
Die Bundeswehr-Universität bestätigt die Darstellung des Ministeriums. "Es handelte sich bei dem Einsatz der Studierenden um keinerlei Unterricht", versichert Pressesprecher Michael Brauns. Die Studierenden hätten lediglich Aufsicht geführt bei Aufgaben, die von den Lehrkräften kamen, und keinerlei Anwerbung für die Bundeswehr betrieben. Sie trugen auch keine Uniform, sondern waren in Zivil, so Brauns. Als Angehörige des Studiengangs Humanwissenschaften hätten sie ihre Kenntnisse über den Lehrbetrieb an einem Gymnasium vertieft.
Die Gewerkschaft bleibt bei ihrer grundsätzlichen Kritik: "Es darf auf keinen Fall die Schwelle zur Anwerbung Minderjähriger für das Militär überschritten werden", so die bayerische GEW-Landesvorsitzende Martina Borgendale. Die "Rekrutierung" von Minderjährigen widerspreche den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. "Es muss strikt darauf geachtet werden, dass die Bundeswehr weder offen noch verdeckt Minderjährige für den Militärdienst anwirbt." Wo dies jedoch der Fall sei, müsse die Schulaufsicht informiert und tätig werden. Am Lise-Meitner-Gymnasium war niemand zu erreichen.