Unterhaching:Schluss mit Kaffeekränzchen

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Der Wahlkampf wirft in Unterhaching seine Schatten voraus: Im Gemeinderat geraten die Fraktionen über Fairtrade, Feinstaubmessungen und die Gestaltung des Friedensplatzes heftig aneinander

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Neulich im Umweltausschuss wirkten alle noch ziemlich entspannt. Man ließ sich fair gehandelten Kaffee ausschenken und probierte gemeinsam Schokolade, bei deren Herstellung garantiert soziale und ökologische Kriterien eingehalten wurden, und fand, dass beides gut schmeckte. Das Gremium war sich nach der Vorstellung der Pläne im Sinne der Nachhaltigkeit einig: Unterhaching soll "Fairtrade Town" werden. Dazu würde die Gemeinde genauso wie der Landkreis am Zertifizierungsprozess für das Siegel teilnehmen. Es sah daher so aus, als wäre eine flotte Abstimmung im Gemeinderat nur noch Formsache. So war das aber nicht. Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) musste in der Sitzung am Mittwochabend alsbald feststellen: Ein Jahr vor der Kommunalwahl ist Schluss mit gemütlichem Kaffeetrinken.

So geht den Grünen der geplante Einstieg in das Thema Nachhaltigkeit und Fairer Handel nicht weit genug. Die Verwendung zweier fair gehandelter Produkte im Rathaus sowie die Teilnahme von fünf Einzelhandelsgeschäften, drei Gastronomiebetrieben und öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Kirchen und Vereine, wie es die Kriterien vorschrieben, finden sie schlichtweg zu wenig. Evi Karbaumer zählte auf, wie sich ihre Fraktion das vorstelle: Berufskleidung für den Bauhof aus fair gehandelter Baumwolle, nur noch Spielbälle in Kitas, die ohne Kinderarbeit produziert wurden, fair produzierter Orangensaft bei allen Empfängen, entsprechende Standards bei allen Caterern und Blumen aus fairer Produktion für alle Jubilare. Schnell und tatkräftig sollen die Aktivitäten ausgeweitet werden, finden die Grünen.

Man konnte geradezu zusehen, wie der Bürgermeister im Kopf zusammenrechnete, was das die Gemeinde kosten würde, und vor allen Dingen, wie viel Personal er dazu würde abstellen müssen, um allein fair gehandelte Handwerkerhosen ranzuschaffen, die noch dazu nicht so viel kosten, dass ihm FDP und CSU das nicht gleich wieder um die Ohren hauen würde.

Die sind nämlich nicht alle überzeugt von der Zertifizierungsidee. Und obwohl dies nur der erste Schritt zu einem Nachhaltigkeitskonzept sein soll, wie Bauamtsleiter Stefan Lauszat erläuterte, und dieser die Gemeinde auch kaum etwas koste, schoss der politische Gegner jetzt schon kräftig dagegen. Michael Durach (CSU) sprach zwar "generell von einer guten Geschichte", forderte aber eine "Road Map". Man könne nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen, sondern müsse wissen, wo man hin wolle, um dann Maßnahmen zu ergreifen. "Und man muss sich über die Folgen im Klaren sein, bevor man loslegt", warnte er. Als Geschäftsführer von Develey wisse er, dass dies viel Arbeit sei. Sein Unternehmen habe seit 2008 diesen Weg eingeschlagen, sagte Durach. "Das hat eine enorme Kostensteigerung zur Folge."

Die FDP ließ überhaupt kein gutes Haar an den Plänen. "Wenn Unterhaching keine anderen Probleme hat", meinte Peter Hupfauer. Schließlich sei die Verwaltung doch enorm überlastet. Diese Maßnahmen seien verpflichtend für alles oder gar nichts. "Ich verstehe nicht, was das mit der Gemeinde zu tun hat, außer dass man irgendwo ein Schild hinstellen kann." Auch sein neuer Parteifreund Florian Riegel findet, die Gemeinde mische sich zu sehr bei den Menschen ein. "Jeder entscheidet, was und wie er kauft."

Es ging dann noch eine ganze Weile hin und her, sodass Bauamtsleiter Lauszat schon leicht genervt meinte: "Wenn wir als Gemeinde nicht die kleinste Schwelle überschreiten, muss ich mir mit meiner Mannschaft auch nicht die Arbeit machen." Am Ende stimmte dann doch nur die FDP dagegen. Aber Panzer ahnte schon, dass er es an diesem Abend nicht leicht haben würde. Beim Thema Umgestaltung des Friedensplatzes gefiel nach zahlreichen Sitzungen CSU-Gemeinderat Franz Felzmann die Hecke immer noch nicht, was er umfangreich erläuterte. Beim Tagesordnungspunkt zur Verlängerung der Feinstaubmessungen warf die SPD schon vor der Abstimmung CSU und FDP vor, dagegen zu stimmen - was diese zunächst empörte, größtenteils aber dann taten. "Die Luft in Unterhaching wird nicht schlechter, sondern eher sauberer, weil die Autos sauberer werden", so die These Hupfauers (FDP). Die Messungen seien allein ein Instrument für ein Tempolimit, "um die bösen Autos zu bekämpfen", warf er dem politischen Gegner vor. Die Maßnahme sei "ideologisch" begründet, "ohne Sachverstand".

Die Dritte Bürgermeisterin Christine Helming (Grüne) sah sich schließlich genötigt, mal darauf hinzuweisen, dass die Kommunalwahl erst in einem Jahr stattfinde. Bürgermeister Panzer blieb an diesem Abend trotzdem relativ gelassen - auch ohne Schokolade.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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