Unterhaching:Maibaumwache am Friedhof empört nur die Lebendigen

Unterhaching: Diesen Maibaum gilt es bis 1. Mai zu bewachen. Die Unterhachinger Burschen haben dafür ihre Wachütte direkt neben dem Friedhof errichtet.

Diesen Maibaum gilt es bis 1. Mai zu bewachen. Die Unterhachinger Burschen haben dafür ihre Wachütte direkt neben dem Friedhof errichtet.

(Foto: Claus Schunk)

Denn die Toten, so sie zu Lebzeiten keine Abstinenzler gewesen waren, hätten auch ihre Gaudi.

Glosse von Michael Morosow

Die Vorstellung von wiederkehrenden Toten ist schon irgendwie auch prickelnd. Liedermacher Wolfgang Ambros, als Wiener von Geburt an mit einem ausgeprägten Hang zum Makabren gesegnet, hat seine eigene Fiktion vom Totenreich in dem Lied "Es lebe der Zentralfriedhof" verewigt: "Dort hinten bei der Marmorgruft, dort stengan zwei Skelette, die stessen mit zwei Urnen z'samm und saufen um die Wette", dichtete er. Ambros begegnet dem Thema Tod mit heiterer Freude und Leichtigkeit, nimmt uns jeglichen Schrecken vor dem Boandlkramer.

Die Botschaft lautet: Egal, ob die Seele nach deinem irdischen Verwirken in das Paradies auffährt oder in den Höllenschlund stürzt, ein Viertel Riesling geht immer noch. Sehr leiwand dieser Gedanke, fast möchte man beim Wettsaufen in der Marmorgruft mitmachen, wenn exzessiver Alkoholgenuss nicht gar so lebensgefährlich wäre. Und die Toten, so sie zu Lebzeiten keine Abstinenzler gewesen waren, hätten auch ihre Gaudi.

Wissen tut man zwar nichts, denn sicher ist nur der Tod, aber es könnte sein, dass der ein oder andere Verblichene schon lange eine Umbettung vom Unterhachinger Gottesacker auf den Wiener Zentralfriedhof in Erwägung zieht. Nun erst recht, nachdem Friedhofsbesucher sie alle gegen Feierlaune, Trinksprüche und andere Ausdrücke pietätloser Lebensfreude abschirmen wollen. Wohl von der Überzeugung beseelt, dass es bei der Beerdigung nicht von ungefähr heißt: "O Herr, gib ihm/ihr die ewige Ruhe..." mokieren sie sich über das ausgelassene Treiben der Birker Burschen, die unmittelbar vor dem Friedhofszaun ihren Maibaum abgelegt haben und in einer Wachhütte daneben einen griabigen Wachdienst schieben, mit Prost und Tralala statt Halleluja und Vaterunser. Der Lärm der Maibaumwache störe die Totenruhe, schimpfen sie.

Die Burschen wollen nach dem 1. Mai über einen anderen Hüttenstandort nachdenken. Die Toten werden damit leben müssen. Darunter sind garantiert mehrere Dutzend ehemaliger Maibaumwächter, die heuer erstmals besten Blick auf Maibaum und Wache hatten. Vielleicht singen sie in der Freinacht im Chor: "Es lebe der Zentralfriedhof".

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