Unterhaching will klimaneutral werden, und das schon bis 2030. Dieses ambitionierte Ziel hat der Gemeinderat im vergangenen Herbst ausgerufen. Nun stellt sich die Frage: Wie kann das in einer Gemeinde klappen, die fast 26 000 Einwohner hat, jede Menge Gewerbe und zwei Autobahnen? Der neue Klimaschutzbeauftragte im Rathaus, Philipp Dürr, hat jetzt einen ersten Plan vorgelegt. Klar ist: Leicht wird das nicht. Vor allem muss auch bei den Bürgern und in den Unternehmen noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Als Korbinian Rausch, Fraktionsvorsitzender der CSU im Gemeinderat, im Mai 2021 einen Antrag stellte, die Emissionen der Kommune bis zum Ende dieser Dekade netto auf null zu reduzieren, hielt manch einer in dem Gremium erst mal die Luft an, viele blickten skeptisch, als fragten sie sich: Will die CSU jetzt mit utopischen Ideen die Grünen auf diesem Gebiet überholen?
Bereits 2012 hatte Unterhaching entschieden, ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept zu erstellen. Im Rathaus lagen daher schon diverse Vorschläge für den Klimaschutz auf dem Tisch, hier und dort wurden Initiativen gestartet und die lokale Agenda hatte Klimaneutralität bis 2035 gefordert. Mit dem Vorschlag 2030 drückte Rausch nun aber noch mehr aufs Tempo, auch weil er sagt: "Als jüngstes Gemeinderatsmitglied kommt dieser, mein persönlicher Wunsch von ganzem Herzen." Letztlich war der Beschluss dann doch einstimmig gefallen, die bisherigen Anträge zur Klimaneutralität zu bündeln und die Jahreszahl 2030 festzuschreiben.

Die Frage, die sich zunächst stellte, bevor sich Unterhaching mit Elan an die Umsetzung machen kann, war allerdings: Was ist Klimaneutralität überhaupt? Obwohl es zunächst danach klingt, als sei dies in der heutigen Zeit schon erschöpfend beantwortet worden, ist die Thematik auf lokaler Ebene wesentlich schwieriger zu greifen. Die vom Umweltbundesamt veröffentlichte Definition bringt die Unterhachinger nicht wirklich zum Ziel. Darin heißt es: "Klimaneutralität ist der Zustand, bei dem menschliche Aktivität im Ergebnis keine Nettoeffekte auf das Klimasystem haben."
Der Klimaschutzbeauftragte Dürr wies darauf hin, dass die Verwaltung der Gemeinde Unterhaching nicht nachvollziehen kann, was die Bürger und Bürgerinnen wann und wie konsumieren oder wie deren Reiseverhalten ist. Auch hat sie keinen Einfluss darauf, wer mit welchen Fahrzeugen auf der Giesinger (A 995) und der Salzburger Autobahn (A 8) unterwegs ist, die den Ort quasi im Westen und Osten einschließen. Problematisch wird es auch bei der Materialbeschaffung des örtlichen Gewerbes. Die Lieferwege und die Herstellungsart sind in Bezug auf Klimaneutralität nicht überprüfbar. Bundesweite Durchschnittswerte wären für ein Monitoring im Hinblick auf eine lokale Bilanz auch nicht sinnvoll. Repräsentative Interviews wären mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.
Der Vorschlag der Verwaltung, dem die Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung nun zustimmte, zielt daher darauf ab, das gesetzte Ziel "Klimaneutralität 2030" so zu verstehen, bei den Treibhausgasemissionen im Gemeindegebiet die "Netto-Null" anzustreben. Diese Netto-Treibhausgasneutralität wird im Bundes-Klimaschutzgesetz als "das Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase" beschrieben. Das bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase emittiert werden als sie an anderer Stelle gebunden werden. In die Bilanzierung sollen vorerst alle auf dem Gemeindegebiet bei privaten Haushalten, Gewerbe, Handel, Industrie und Kommune freigesetzten Treibhausgase und Luftschadstoffe fließen, die durch die Umwandlung von Energieträgern etwa in Strom und Wärme entstehen. Beim Verkehr soll noch geprüft werden, ob ein Monitoring möglich ist. Vor allem soll zukünftig verstärkt Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung eingesetzt werden. Denn das Ziel sei nur zu erreichen, "wenn wirklich alle mitmachen", so Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD).