Unterhaching:Hunderte Wohnungen fehlen

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Landrat Christoph Göbel bringt bei der Unterbringung Geflüchteter auch den Aufbau von Häusern in Holzmodulbauweise ins Spiel, wie sie 2016 unter anderem in Höhenkirchen-Siegertsbrunn entstanden sind. (Foto: Claus Schunk)

In den Asylunterkünften des Landkreises leben zahlreiche anerkannte Flüchtlinge, die sich eigentlich selbständig eine Bleibe suchen müssten. Als Fehlbeleger dürfen sie aber bleiben, um nicht in die Obdachlosigkeit abzudriften

Von Martin Mühlfenzl, Unterhaching

Sie hängen am Telefon, sie laufen sich die Hacken wund, durchforsten die Anzeigen und sprechen jeden an, der vielleicht etwas wissen könnte. Ihre Bilanz im vergangenen Jahr - "oder sogar etwas länger", sagt Claudia Köhler: Zwei Familien und drei Einzelpersonen konnten aus der Unterhachinger Flüchtlingsunterkunft an der Hachinger Haid in eigene Wohnungen umziehen, die ihnen der Helferkreis vermittelt hat. Das gibt der Wohnungsmarkt in Unterhaching her. Für anerkannte Flüchtlinge wohlgemerkt.

Die gesetzlichen Vorgaben für all jene Schutzsuchenden, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen positiven Bescheid erhalten haben, sind eindeutig: Sie erhalten das Bleiberecht, eine Arbeitserlaubnis - und die Möglichkeit, sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Unterkunft zu suchen. "Aber das ist nirgendwo schwieriger als bei uns in der Region", sagt Claudia Köhler. "Der Markt ist vollkommen überhitzt, es gibt kaum Wohnungen, schon gar keine bezahlbaren. Das stellt die Flüchtlinge und uns Helfer echt vor wahnsinnige Probleme."

Daher praktiziert der Landkreis München ein System, das es so eigentlich gar nicht geben sollte - aber nicht zu verhindern ist: Schutzsuchende wohnen weiterhin in ihrer Flüchtlingsunterkunft. Als sogenannte Fehlbeleger. In den Asylbewerberunterkünften des Landkreises München, ohne die Notaufnahmeeinrichtungen der Regierung von Oberbayern, sind derzeit etwas mehr als 3200 Menschen untergebracht; mehr als 1200 von ihnen haben mittlerweile eine Anerkennung. Das entspricht etwa 37,5 Prozent aller Schutzsuchenden in den Unterkünften in den 29 Städten und Gemeinden. "Und die Zahl steigt tagtäglich", sagt Christina Walzner, Sprecherin im Landratsamt. Dies liege vor allem daran, dass das Bundesamt bei der Bearbeitung der Asylanträge deutliche Fortschritte gemacht habe.

Bleibt ein Schutzsuchender, der die Anerkennung erhalten hat, weiter in einer der Unterkünfte wohnen, dauert es in der Regel allerdings nicht allzu lange, bis er Post von der Regierung von Oberbayern erhält. In den sogenannten Auszugsaufforderungen der Behörde wird dem anerkannten Flüchtling mit Fristsetzung mitgeteilt, dass er die Unterkunft verlassen müsse und sich "geeigneten Wohnraum" suchen solle. In den vergangenen Wochen haben vermehrt Betroffene besorgt bei den Verantwortlichen im Landratsamt nachgefragt und interveniert, wie sie mit diesen Schreiben umzugehen hätte, lässt Claudia Köhler verlauten. Bei den Helfern, sagt sie, gehe die Angst um, die Schutzsuchenden würden durch die Aufforderungen der Regierung von Oberbayern der Obdachlosigkeit ausgeliefert.

Landrat Christoph Göbel (CSU) hat sich daher in einem Schreiben an die Asylhelferkreise gewandt. Darin schreibt der Landrat, die Auszugsaufforderungen seien "keine Bescheide im Sinne des Verwaltungsrechts, die eine vollziehbare Verpflichtung auslösen". Soll heißen: Kein Flüchtling wird gezwungen, die Unterkunft zu verlassen.

Er selbst, sagt Göbel, und die Bürgermeister wüssten, welch "große Hürden" die Wohnungssuche im Großraum München aufstellt. Diese Erkenntnis verbindet der Landrat zugleich mit einem Dank an die Ehrenamtlichen, durch deren Engagement zahlreiche Flüchtlinge bereits eine Wohnung gefunden hätten. Allerdings "reiche die Anzahl bei weitem nicht aus", sagt Göbel. Aus diesem Grund und um die "Problematik zu entschleunigen", habe er bereits im Jahr 2016 "mit allen Bürgermeistern" die Entscheidung getroffen, dass Asylbewerber auch nach ihrer Anerkennung in den Unterkünften bleiben dürfen. An dieser Entscheidung halte er weiterhin fest; er werde, sagt Göbel, keinen Menschen in die "Obdachlosigkeit überführen". "Ich nutze meinen Spielraum", sagt der Landrat.

Einig ist sich Göbel mit Asylhelferin Köhler darüber, dass es groß angelegter Projekte bedarf, um die Wohnungsnot - nicht nur für Flüchtlinge - zu lindern. "Es muss gebaut werden - und das schnell", sagt Köhler. "Eine andere Chance haben wir doch gar nicht." Göbel sagt, der soziale Wohnungsbau müsse weiter intensiv betrieben werden, aber auch der Einsatz der Ehrenamtlichen bei der Wohnungssuche dürfe nicht nachlassen. In Unterhaching ist ein kleiner Anfang gemacht.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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