Premiere:Federleichte Hingucker fürs Herz

Premiere: Transportiert mit präzise gesetzten Schritten und eleganten Sprüngen eine besondere Anmut auf die Bühne: Yui Günther in der Rolle des kleinen Prinzen.

Transportiert mit präzise gesetzten Schritten und eleganten Sprüngen eine besondere Anmut auf die Bühne: Yui Günther in der Rolle des kleinen Prinzen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Die Benedict Manniegel Dance Company zeigt in Unterhaching Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" als modernes Ballett. Das Publikum feiert die erstmals aufgeführte Inszenierung von Ada Ramzews.

Von Franziska Gerlach, Unterhaching

Da sitzen sie nun, der Prinz und seine Rose, mit dem Rücken zum Publikum auf einer umgestürzten Tür. Ihre Gesichter haben sie der leuchtend blauen Bühnenwand zugewandt, die einen unbestimmten Ort darstellen soll, irgendwo bei den Sternen. Und doch weiß der Zuschauer, dass die beiden glücklich sind. Einfach, weil sie sich haben. Das ist in etwa die Quintessenz von Antoine de Saint-Exupérys Erzählung "Der kleine Prinz", und das wird auch bei Ada Ramzews klar, deren Inszenierung jetzt im Kubiz in Unterhaching ihre Uraufführung erlebte. Die Münchner Choreografin und Tanzpädagogin hat aus dem weltberühmten Stoff ein modernes Ballett gemacht, das klassische Posen um scheinbar spontan dahin getanzte Elemente erweitert. Dabei ist es ihr gelungen, die im Buch verhandelten Werte der Menschlichkeit in eine Darbietung zu übersetzen, die sich erfreulicherweise nicht im Pathos verliert. Am Ende gab es Standing Ovations für die Benedict Manniegel Dance Company, einem aus Nachwuchstänzern und freischaffenden Profitänzern bestehenden Ensemble. Und das wiederum ist so ziemlich das größte Glück, das einem Künstler widerfahren kann.

Der Besuch eines Balletts in der Vorweihnachtszeit, diese Flucht in die zauberhafte Welt des Tanzes, verbinden viele zwar eher mit Tschaikowskys "Nussknacker" oder "Schwanensee". Mit der Inszenierung von Saint-Exupérys märchenhafter Erzählung aus dem Jahr 1943 belegte Ramzews zur Musik von Claude Débussy, Franz Schubert oder Eric Satie nun allerdings, dass es nicht zwingend Spitzenschuhe und Tutus braucht, um Eleganz zu erzeugen. Insbesondere Yui Günther, die in der Rolle des Prinzen als Solistin debütiert, transportierte mit präzise gesetzten Schritten und federleichten Sprüngen nicht nur eine Anmut auf die Bühne, an der man sich nicht satt sehen konnte. Ihrem ungekünstelten Spiel nahm man auch das kindliche Erstaunen ab, mit dem der Prinz auf die Geschehnisse reagiert. Die 17-jährige Gymnasiastin sammelte bereits internationale Bühnenerfahrung in Lissabon und Tokio. Im Kubiz gab sie mit einem Krönchen auf den Locken einen knabenhaften und zugleich sinnlichen Prinzen, dem es gelang, mit seinen jeweiligen Tanzpartnern eng in Kontakt zu treten. Da ist die Schlange (May Matsuzaki), die ihren schlanken Körper auf unerhört grazile Weise über den Bühnenboden schiebt. Da ist der Fuchs (Taylor Fikes), der dem Prinzen mit luftigen Sprüngen beibringt, dass Freundschaft wachsen muss. Nun, gegen Ende des Tanzstücks, erzählen die Bewegungen des Prinzen im Duo mit dem Piloten (Ilia Sarkisov), der zweiten Hauptfigur, von einer Verbindung, der selbst der Tod nichts anhaben kann. Die Tänzer streben aufeinander zu, legen einander die Hände auf Augen und Ohren, nur um gleich darauf wieder in die Distanz zu gehen. Es klingt paradox: Aber gerade durch den Verzicht auf die sehnsuchtsvollen Elemente des Pas de Deux, des tänzerischen Duetts, entwickelte sich eine glaubhafte Nähe zwischen den Charakteren.

Premiere: Wortlos und wunderschön: In der Kunst des Tanzes entfaltet sich Kernbotschaft des Buches.

Wortlos und wunderschön: In der Kunst des Tanzes entfaltet sich Kernbotschaft des Buches.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Wer die Pause der Aufführung dann zur Lektüre des Programmblatts nutzte, der erfuhr von den Herausforderungen, die sich aus den Zeitsprüngen und zahlreichen Ortswechseln der Geschichte für die Choreografie ergaben: Ein Pilot, dem die Freude am Malen als Kind von überkritischen Erwachsenen verdorben wurde, trifft nach einem Flugzeugabsturz in der Sahara auf den kleinen Prinzen. Dieser hat - enttäuscht von dem ihm einseitig erscheinenden Leben mit der Rose - seinen Planeten auf der Suche nach Antworten verlassen. "Begegnung - Bewegung - Beziehung" seien die sich gegenseitig bedingenden Schlüsselbegriffe, die das Stück konstituierten, schreibt Choreografin Ramzews im Programm. Dass manche Menschen in ihren Gewohnheiten schlicht zu festgefahren sind, um eine Begegnung in eine Beziehung zu verwandeln, erfährt der kleine Prinz, als er auf seiner Reise von Asteriod zu Asteriod auf einen König, einen Eitlen, einen Geschäftsmann, einen Säufer, einen Geografen und einen Laternenanzünder trifft. Sechs wunderliche Charaktere, alle verkörpert Ilia Sarkisov, dessen Darbietung ihnen klare Konturen verlieh und den nötigen Humor.

Wer das Buch gelesen hatte, der fand sich leicht in Ramzews Tanzstück zurecht. Aber auch ohne detaillierte Kenntnis der literarischen Vorlage berührte die Inszenierung: Die Kostüme der Zugvögel, die den kleinen Prinzen mit auf die Reise nehmen, waren von Kimonos inspiriert. Die Rose trug ein Tuch, das an die Kopfbedeckungen afrikanischer Frauen erinnerte. Ein wesentliches Element des schlichten Bühnenbilds stellte eine Tür dar, durch die sich etwa der Pilot in seine Erinnerungen begibt. In den Bewegungen der Benedict Manniegel Dance Company fanden letztlich jene Botschaften Ausdruck, für die sich Saint-Exupéry Sätze ausdachte, die später große Reichweite erzielen sollten. "Man sieht nur mit dem Herzen gut", lautet das berühmteste Zitat aus dem Buch. Gerade in der wortlosen Kunst des Tanzes findet dieser Gedanke eine wunderschöne Entsprechung.

Weitere Aufführungen von "Der kleine Prinz" sind unter anderem am Sonntag, 11. Dezember, in Unterföhring, am Samstag, 17. Dezember, im Bürgerhaus Pullach, am 29. Januar 2023 im Münchner Künstlerhaus, und am 10. Februar im Bürgerhaus Unterschleißheim.

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