Unterhaching:Daumendrücken

Vor dem letzten Saisonspiel an diesem Samstag fiebert ein ganzer Ort. Denn ein Abstieg der Spielvereinigung Unterhaching aus der Dritten Liga hätte Auswirkungen weit über das Sportliche hinaus

Von Stefan Galler und Michael Morosow, Unterhaching

Die goldenen Zeiten der Spielvereinigung Unterhaching gehören schon lange der Vergangenheit an. Bis in die Bundesliga waren die Fußballer aufgestiegen, die Republik schaute auf den kleinen Ort im Süden von München, erst recht, nachdem die Rot-Blauen 2000 durch einen 2:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen den FC Bayern zum Deutschen Meister gemacht hatten. Die einstige Hochstimmung ist inzwischen der Tristesse gewichen sowie der Angst, dass die sportliche Talfahrt nicht aufzuhalten sein wird. Der Pleitegeier und das Abstiegsgespenst sind mittlerweile ohnehin zu ständigen Begleitern geworden. Am Samstag kämpft die Mannschaft im Auswärtsspiel bei Rot-Weiß Erfurt um das Überleben in der Dritten Liga. Dem einstigen sportlichen Aushängeschild der Gemeinde droht der tiefe Fall in die Bedeutungslosigkeit. Der Ort leidet mit, fiebert mit.

Doch nicht allen Unterhachingern, die der Mannschaft am Samstag die Daumen drücken, geht es ausschließlich um Sieg, Ruhm und Ehre. Der Ausgang des letzten Saisonspiels hat Auswirkungen über das Sportliche hinaus und gibt Anlass zu allerlei Spekulationen und Fragen. Steigt die Spielvereinigung am Samstag tatsächlich in die Regionalliga Bayern ab, braucht sie dann weiterhin das Stadion am Sportpark als Spielstätte? Das dürfte die wichtigste Frage sein, die den Gemeinderat in diesem Fall beschäftigen wird.

"Wie es mit dem Stadion weitergeht? Wir werden es momentan nicht abreißen, denke ich", sagt Bürgermeister Wolfgang Panzer. Bis auf das VIP-Haus und den Pavillon gehört die Sportstätte der Gemeinde, was mit erheblichen laufenden Kosten einhergeht. Der Unterhalt des gesamten Sportparks mit Trainingsplatz, Parkplatz und Außenanlagen kostet die Gemeinde laut Panzer jährlich zirka 600 000 Euro. Viel Geld für eine Gemeinde, die auf einem Schuldenberg sitzt. Man habe sich grundsätzlich mit der Zukunft des Sportparks befasst, die Fraktionen hätten sich bereits ausgetauscht, "aber es gibt noch keine Richtung", sagt Panzer und verspricht: "Wir werden uns die Entscheidung nicht leicht machen."

GER 3 FBL SpVgg Unterhaching vs SV Wehen Wiesbaden 02 08 2014 Alpenbauer Sportpark Unterhaching

Sollte die SpVgg diesen Samstag in die Regionalliga Bayern absteigen, würde es dunkel werden über dem Sportparkstadion in Unterhaching.

(Foto: Imago)

Der Bürgermeister und sein Wirtschaftsförderer Simon Hötzl wissen freilich auch, dass die Werbewirkung, die der Verein in seiner Hochzeit entfaltet hatte, dem Image der Gemeinde gut getan hat und das Stadion nach wie vor eine prägende Wirkung hat und vor dem Hintergrund der Aktivitäten für ein "Gewerbegebiet Nord" als Standortvorteil für Unternehmen verkauft werden kann. "Die Spielvereinigung ist immer noch ein Werbeträger", sagt Hötzl, der wie Panzer zu den Daumendrückern am Samstag zählt.

Höchstwahrscheinlich wird auch Anton Schrobenhauser hoffen, dass die junge Mannschaft das Ihre dazu beiträgt, den Abstieg zu verhindern. Schließlich hatte der Vater des Bauunternehmers einst den Verein als Mäzen zu dem gemacht, was er in den vergangenen fast vier Jahrzehnten war. Nach dem Tod des Seniors bei einem Brandunfall trat der Sohn an dessen Stelle. Doch vor drei Jahren gab der CSU-Gemeinderat sein Amt als Schatzmeister des Vereins ab. Auch die finanziellen Zuwendungen waren in den vergangenen Jahren immer weniger geworden. Angeblich vor allem deshalb, weil Schrobenhausers Sohn, der übrigens ebenfalls Anton heißt, kein Interesse am Fußballsponsoring zeigt.

Klubpräsident Manfred Schwabl muss anderweitig schauen, wie er den Etat für die kommende Saison zusammenkratzt. Denn eines ist klar: Sollte der sportliche Klassenerhalt am Samstag gesichert werden, so gilt das für den finanziellen noch lange nicht. Sollte am Ende ein Lizenzentzug das sportliche Schicksal der SpVgg besiegeln, es würde auch Stefan Schraut, den Leiter der Polizeiinspektion 31, hart treffen. Er fiebert mit der Mannschaft mit: "Die Spielvereinigung ist mir ans Herz gewachsen", sagt er.

34 Jahre

gehört die SpVgg Unterhaching nun einer der drei höchsten Spielklassen im deutschen Fußball an. 1989 war der Klub unter Trainer Peter Grosser erstmals in die 2. Liga aufgestiegen; 1999 gelang unter Lorenz-Günther Köstner der Sprung in die Bundesliga. Von 2001 an ging es langsam, aber stetig bergab - seit 2007 spielt Haching durchgehend in der dritthöchsten Liga.

Auch seine Kollegen hofften auf einen Ligaverbleib des Klubs. Die Unterhachinger Polizeimannschaft bangt allerdings auch aus pragmatischen Gründen mit der SpVgg. Steigt die Mannschaft in die vierte Liga ab, muss sie bei Heimspielen ganz alleine den Verkehr regeln und für Sicherheit und Ordnung sorgen im Stadion und im nahen Umfeld. Bislang werden sie dabei von Einsatzzügen aus München unterstützt, wobei die Anzahl und Größe der Züge von der jeweiligen Gefahrenlage abhängt. "Aus Polizeisicht ist es besser, sie bleiben drin", sagt der Inspektionsleiter.

Für Singh Amandeep, den Sohn des Betreibers der Stadiongaststätte, gäbe es im Falle eines Abstiegs der Mannschaft zwei Verlierer - die SpVgg Unterhaching und das Restaurant. "Ich drücke ganz fest die Daumen, es wäre sportlich schade für den Verein und wirtschaftlich schlecht für uns", sagt der Gastronom. Mit Ausnahme einiger Lokalderbys werden zu Regionalliga-Spielen deutlich weniger Zuschauer im Sportpark erwartet, mithin würde der Umsatz in seinem Restaurantbetrieb zurückgehen. Vor allem die Hachinger Erfolgsfans würden ausbleiben.

Wolfgang Proksch gehört nicht zu den Erfolgsfans. Er war einstmals erfolgreicher Mittelstürmer der Rot-Blauen, kickte in der Zeit von 1977 bis 1988 für die SpVgg, absolvierte insgesamt 422 Spiele und schoss dabei 202 Tore. "A bisserl" fiebere er schon noch mit, aber große Chancen räumt er der Mannschaft in Erfurt nicht ein. "Koa Chance im Osten", sagt er. Es täte ihm leid für Unterhaching. "Das ist bitter, aber was willst machen ohne Geld", sagt er. Proksch ist nicht mehr mit Herz und Seele Fan. Früher, zu Bayernligazeiten, sei alles kleiner gewesen, da hätten einem die Zuschauer noch auf die Schulter geklopft. In der ersten und zweiten Liga hingegen "kamen lauter Vips, die Nase hoch, dafür viel weniger normale Fans".

SpVgg Unterhaching - Greuther Fürth

Hier bejubeln die damaligen Hachinger Spieler den bisher letzten Erfolg des Klubs in einem Zweitligaspiel, ein 2:1 gegen Greuther Fürth 2007.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Einige Jahre nach Proksch spielte Alexander Strehmel für den Vorort-Klub. Der Deutsch-Amerikaner war unter anderem zuvor mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister geworden. Im Sportpark habe er seine "schönste Zeit als Fußballer" verbracht, erinnert er sich. "Wir waren eine geile Truppe." Der damalige Aufstieg in die Bundesliga sei "das größte Wunder" überhaupt gewesen. "Alle behaupten das von Paderborn, aber Haching ist doch viel kleiner. Wir hatten damals gar nichts und sind trotzdem hochgekommen." Er lebt mittlerweile in Wolfsburg, wo er zuletzt als Assistent an der Seite des frühen Hachinger Erfolgstrainers Lorenz-Günther Köstner gearbeitet hat. Zur SpVgg hat er keinen Kontakt mehr. "Es ist ja keiner mehr da von früher. Selbst Betreuer Wolfi Binderberger und Physiotherapeutin Nelly le Berre sind jetzt weg . Damit hat der Verein leider seine Identität verloren", sagt Strehmel.

Vielleicht behält er wenigstens seinen Status als Profiverein.

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