Ortszentrum:Draußen nur Ärger

Ortszentrum: Beliebter und neuerdings auch umstrittener Treffpunkt in Unterhaching: das Café Lani.

Beliebter und neuerdings auch umstrittener Treffpunkt in Unterhaching: das Café Lani.

(Foto: Claus Schunk)

Anwohner des Café Lani auf dem Unterhachinger Rathausplatz fühlen sich von Gästen auf der Terrasse gestört und schikanieren die Betreiberin. Doch diese erlebt eine Welle der Solidarität aus der ganzen Gemeinde.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Was will denn der blaurote Tiger auf dem Rathausplatz? Vor ein paar Tagen bekam Cornelia Nikel überraschend tierischen Besuch. Die Betreiberin des Café Lani in Unterhaching hieß das Maskottchen Fonsi der Spielvereinigung auf ihrer Freischankfläche willkommen. Glücksbringer kann sie gebrauchen. Nikel erfährt gerade eine bemerkenswerte Solidarität in der Gemeinde. Denn eine Handvoll Anwohner will sie offenbar vom Rathausplatz vertreiben und scheut nicht davor zurück, sie mit Klagen zu überziehen und mit Beschwerden zu schikanieren. Sie ist nicht die einzige, die die Wut der Nachbarn abbekommt.

Das kleine Café im Ortszentrum ist beliebt bei den Unterhachingern. Vor allem bei schönem Wetter genießen die Leute hier an zentraler Stelle einen Cappuccino oder einen Milchkaffee unter freiem Himmel, auch ein paar Senioren treffen sich gerne vormittags auf einen gemütlichen Ratsch bei Cornelia Nikel. Die liebt ihren Job und hat viel Zeit und Geld in ihr Café gesteckt. So könnte das eine wunderbare Sache sein, um den Platz zu beleben. Das versucht die Gemeinde seit Jahrzehnten mit viel Mühe und könnte jetzt gelingen. Wenn nur ein paar Anwohner nicht wären.

Einigen wenigen Eigentümern der umliegenden Wohnungen geht das Café auf dem Rathausplatz gründlich gegen den Strich. Sie fühlen sich gestört und hätte es am liebsten, wenn es wieder zusperrt. Ihnen sind die Gäste zu laut, die Rollatoren betagter Kunden versperren den Durchgang und selbst das Stühlerücken geht ihnen auf die Nerven. Unzählige Beschwerden hat Nikel schon bekommen. Alle anonym. Sie berichtet von Sachbeschädigung und Beleidigungen. "Sie sind darauf aus, dass ich weggehe", sagt Nikel.

Ortszentrum: Cornelia Nikel betreibt das Café Lani seit 2016.

Cornelia Nikel betreibt das Café Lani seit 2016.

(Foto: Claus Schunk)

Einen Mediationstermin vor dem Amtsgericht München hat es schon gegeben. "Dort habe ich festgestellt, dass einer der Wortführer gar nicht hier wohnt, sondern die Wohnung nur vermietet hat, und die Mieter haben nichts gegen mich", sagt Nikel. Man hat sich schließlich darauf geeinigt, dass das Café nur noch bis 19 Uhr draußen servieren darf, drinnen ist um 20 Uhr Schluss. Das mag erstaunen. Denn während Nikel seither am frühen Abend die Schirme einklappen und ihre Gäste das letzten Gläschen geleert haben müssen, werden gegenüber weiter die Schnitzel serviert und das Bier ausgeschenkt. Grund ist eine alte Teilungserklärung der Immobilie.

Die Gastronomie auf dem Platz war von Anfang an vorgesehen

Drei Gastro-Betriebe gibt es am Rathausplatz. Das Wirthaus Althaching, das Indische Restaurant Ganesha auf der einen Seite und seit 2016 das Café Lani. Das ist wenig überraschend, so war es von Anfang an geplant, als das Ortszentrum Anfang der Achtzigerjahre errichtet wurde. Einziger Unterschied: Am Eck, wo das Café beheimatet ist, war ursprünglich ein Ladengeschäft vorgesehen, die Gastronomie aber daneben in den wesentlich größeren Räumlichkeiten, die schon ewig die Volkshochschule nutzt. Diese Nutzungsänderung war schon vor Jahren vorgenommen worden, lange bevor Cornelia Nikel hier begann Kaffee auszuschenken und Kuchen zu servieren.

Wer glaubte, die Streitigkeiten seien mit der Mediation vom Tisch, hat sich getäuscht. Die Schikanen gehen weiter. "Es werden Listen geführt, wann der letzte Gast gegangen ist, jeder Schritt wird fotografiert", berichtet Nikel. Als sie einem Gast sagte, wegen Corona sei das Geschäft nicht gut gelaufen, habe ein Passant, der das hörte, ihr zugerufen: "Gut so!" Aufgeben will sie aber nicht. Im Gegenteil. Sie überlegt, die Bewirtschaftung an schönen Abenden nach 19 Uhr vom Indischen Restaurant aus zu organisieren. Dort habe man ihr eine Kooperation in Aussicht gestellt.

Da die Eigentümergemeinschaft, der etwa 180 Parteien angehören, die Nutzung der Fläche direkt vor dem Café nicht akzeptieren wollte, hat Nikel ihre Freischankfläche um einige Meter weiter direkt auf den Platz verlegen. Dieser Bereich gehört der Gemeinde und wurde auf etwa 35 Quadratmeter mit einem Holzboden versehen und umrandet. "Wir wollen die Gastronomie fördern", sagt Rathaussprecher Simon Hötzl. Dass hier seit Jahren Anwohner wegen Lärmbelästigung Beschwerden einreichen, ist für ihn ein altbekanntes Problem. "Ich sehe auch nach der Mediation sehr viele Konflikte, der Streit ist nicht beigelegt. Das finde ich schade", sagt Hötzl.

Der Beamte wählt seine Worte sehr vorsichtig. "Wir versuchen zur Lösung beizutragen." Das Rathaus hat selbst schon den Groll der Anwohner abbekommen, weil der Brunnen auf dem Platz angeblich zu laut plätscherte und die Fontäne nervte. Die Gemeinde hat den Wasserstrahl merklich reduziert. Nun wurde ihr unterstellt, sie hätte Bäume gefällt, damit das Café Lani eine Freischankfläche bekommt. "Die Bäume mussten weg, weil sie morsch waren", erklärt Hötzl. Es werde demnächst vielleicht weitere Bäume treffen, da unter dem Platz eine Tiefgarage liegt.

"Wir sind dabei, den gesamten Platz neu zu gestalten", sagt Hötzl. Dabei werde man vermutlich auch vom bisherigen Konzept abweichen, die Gastronomie nur in den Arkaden unterzubringen. "Es geht darum, den Platz besser zu nutzen." Die Gemeinde sei froh, wenn das Ortszentrum besser angenommen werde, denn immer wieder stünden viele Läden leer, die Fluktuation der Gewerbetreibenden sei groß. "Bei der Belebung geht es auch um soziale Kontrolle, es macht unser Ortszentrum sicherer", sagt Hötzl. Von den genannten Anwohnern hat Hötzl, weil er auch Wirtschaftsreferent der Gemeinde ist, wegen seiner Befürwortung der Schankfläche eine Aufsichtsbeschwerde am Hals. Er habe die Café-Betreiberin mit Steuermitteln bevorteilt, heißt es darin. Hötzl bleibt gelassen. "Das macht mich nicht nervös, ich bin Leiter des Projektes Ortszentrumsbelebung", es gebe dazu Beschlüsse des Gemeinderats.

Offenbar wird von einigen Anwohnern aber nicht nur das Café als störend empfunden. Eltern von Kindern, die auf Grünflächen im Ortszentrum spielen, wird laut Nikel angedroht, es könne auch zufällig mal ein Blumentopf herunterfallen. Eine 96-Jährige, die alle drei Wochen mit dem Auto direkt zum Friseur gebracht wird, wurde ebenfalls verklagt. Offiziell ist es nur bis 11 Uhr erlaubt, zur Anlieferung in die Fußgängerzone zu fahren. Wie die Friseurin bestätigt, habe kürzlich ein Gericht zugunsten der Kundin entschieden.

Was trotz allem Ärger die Café-Betreiberin Cornelia Nikel zuversichtlich stimmt, ist der große Zuspruch, der ihr aktuell entgegengebracht wird. Maskottchen Fonsi war nicht der Erste, der bei ihr vorbeischaute. "Es kamen viele neue Gäste, um mich zu unterstützen." Auf deren Nachfrage liegt nun auch eine Unterschriftenliste für den Erhalt das Cafés aus. Zudem wurde eine Online-Petition gestartet.

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