Meinungen und Ideen der Menschen sind in den meisten Rathäusern willkommen. Die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger gilt in der Kommunalpolitik längst als eine Selbstverständlichkeit und geht weit über die vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit hinaus. Befragungen, Informationsveranstaltungen Bürgerdialoge und Bürgerwerkstätten sollen dem Gemeinderat Input von außen geben und zugleich den Leuten das Gefühl vermitteln, gehört zu werden.
Allerdings sind es fast immer dieselben, die sich zu Wort melden und für ihre Themen engagieren. In Unterhaching will man daran jetzt etwas ändern und neue Wege gehen, um – vor allem junge – Menschen mit ins Boot zu holen, die selbst bisher nicht auf die Idee gekommen sind, womöglich aber zu manchen Dingen durchaus interessante Denkanstöße geben könnten. Doch nicht allen in der Gemeinde gefällt das. Vor allem die Agenda 21 fühlt sich an den Rand gedrängt.
Es geht bei diesem Prozess um die ganz großen Fragen: Wie soll Unterhaching in der Zukunft mal aussehen? Wohin soll sich die Gemeinde entwickeln? Die Beteiligung der Öffentlichkeit soll ein zentraler Bestandteil des Prozesses der Ortsentwicklungsplanung sein. Bürger sollen dabei eine beratende Funktion haben, die Verwaltung prüft die Umsetzbarkeit der Vorschläge, die Entscheidungen trifft nach wie vor der Gemeinderat. So sollen vier sogenannte Zukunftsteams zu den Themen Mobilität, Klimawandel, Städtebau und Gesellschaft gebildet werden.
Um möglichst viele verschiedene Einwohnergruppen einzubinden, werden die Teilnehmer aus dem Einwohnermelderegister ausgewählt. So sollen Teams aus 12 bis 16 Personen entstehen, dazu müssen also etwa 50 Unterhachingerinnen und Unterhachinger gefunden werden. Geplant ist, zehn bis zwanzig Mal so viele anzuschreiben, um so letztlich auf diese Zahl zu kommen. Diese Erfahrungswerte kennt Maddalena Iovene aus dem Referat Ortsentwicklung im Rathaus.
In den nach Alter und Geschlecht möglichst heterogenen Teams sollen Menschen aus lokalen gewerblichen, gastronomischen und touristischen Gewerbebetrieben zusammentreffen sowie Vereinsmitglieder, die nicht in den Vorständen tätig sind. Auch Personen, die bereits irgendwo mit innovativen Vorschlägen aufgefallen sind, werden angesprochen. „Das ist ein komplett anderes Verfahren, um neue Gruppen zu erschließen“, sagte Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) in der Sitzung, in der sich der Gemeinderat auf diese Vorgehensweise einigte. Auch die Möglichkeit einer Online-Beteiligung gehört dazu.
Bürgerforen gibt es bereits seit den Neunzigerjahren
Vor allem erhofft man sich im Rathaus, alte Systeme zu durchbrechen und neue aktive Strukturen entstehen zu lassen. „Diese Bürgerbeteiligung soll die Vielfalt der Gemeinde widerspiegeln“, sagte Susanne Schweizer vom Baureferat. Die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen sei bislang unterrepräsentiert, vielleicht könne man die jungen Menschen mit einer persönlichen Einladung vom Bürgermeister motivieren, mitzumachen und so eine kreative, schöpferische Dynamik schaffen. „Es könnten Dinge entstehen, an die wir so noch gar nicht gedacht haben“, sagte Schweizer.
Nun gibt es eine umfangreiche Form der Bürgerbeteiligung, aufgeteilt in verschiedene Themenbereiche, auch in Unterhaching schon seit den Neunzigerjahren: Die Ortsgruppe der Lokalen Agenda 21 gründete sich 1995 und hat sechs Arbeitskreise. „Den Arbeitskreisen obliegt es, gemeinsam mit der Gemeindeverwaltung Ziel- und Handlungsvorschläge für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Gemeinde Unterhaching zu erarbeiten“, heißt es in deren eigener Aufgabenbeschreibung.
Die Agenda 21 geht auf ein Aktionsprogramm der Vereinten Nationen zurück, das 1992 in Rio de Janeiro beschlossen wurde, um eine nachhaltige Entwicklung in Gang zu bringen. Die Agenda 21 von Rio empfiehlt den Staaten, auf kommunaler Ebene Bürgerforen zu gründen, die sich darum bemühen sollen, das praktische Handeln im Konsens nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit auszurichten.
In manch anderer Gemeinde sind die lokalen Gruppen längst nicht mehr so aktiv wie zu Beginn. In Unterhaching allerdings treffen sich die Arbeitskreise weiterhin regelmäßig, auch an den jüngsten Klimawerkstätten hat die Agenda sich intensiv beteiligt. Entsprechend erstaunt und verärgert nahmen die Sprecher der Arbeitskreise die Ideen aus dem Rathaus zur Bürgerbeteiligung zur Kenntnis. In einem Brief an den Bürgermeister, die Verwaltung und den Gemeinderat äußerten sie ihren Unmut darüber, dass das völlig neue Konzept „die bisherigen Strukturen und Akteure der bürgerschaftlichen Mitwirkung zur Gänze de facto aus dem Spiel nimmt“.
Die Agenda-Gruppe verwies in ihrem Schreiben darauf, dass in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten ein Zukunftsfest, zwei Zukunftskonferenzen und fünf Bürgerwerkstätten von Gemeinde und Lokaler Agenda veranstaltet wurden, über die eine personelle Frischkur der Lokalen Agenda stattgefunden habe. Ein ähnlicher Effekt sei nach der Klimawerkstatt zu verzeichnen. Doch dieses Kooperationsmodell solle nun offenbar der Vergangenheit angehören. Zumindest sieht die Agenda sich durch die Zukunftsteams derart an den Rand gedrängt, dass das „eine Abschaffung der Lokalen Agenda und ihrer Arbeitskreise“ entspreche. Daher verlangte sie bis zur nächsten Tagung des Sprecherkreises am 24. September eine klare Antwort aus dem Rathaus, wie es weitergehen soll und ob die Agenda in das Konzept eingebunden werden soll.
In der Gemeinderatssitzung gaben sich alle größte Mühe, die Wichtigkeit der Agenda zu unterstreichen. „Es wird keiner ausgegrenzt, aber wir wollen versuchen, bestimmte Altersklassen, eben junge Menschen zu begeistern“, sagte Bürgermeister Panzer. Schaut man sich den Sprecherkreis der Agenda an, so zählen die meisten doch eher zu der älteren Generation. „Wir ringen wie alle um junge Menschen“, sagt deren Vorsitzender Klaus Schulze-Neuhoff. Das dauerhafte ehrenamtliche Engagement passe eben nicht so gut in deren Lebenssituation. Gleichwohl gebe es immer wieder Wellen, in denen jüngere Menschen auch bei ihnen dazukämen. „Die Jugend arbeitet eher projektbezogen“, sagt Schulze-Neuhoff. Jetzt wolle man aber erst einmal abwarten, welche Antworten die Agenda auf ihren Brief bekomme.