Süddeutsche Zeitung

Unterhaching:Bloß nicht den falschen Baum fällen

Zwei Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass eine Kastanie auf dem Bahnhofsvorplatz nicht zu retten ist. Um welchen es ging, war allerdings wegen der unterschiedlichen Nummerierung nicht ganz klar.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Schon lange gibt es in Unterhaching Überlegungen, den Bahnhofsvorplatz neu zu gestalten. Inzwischen gehört das Areal der Gemeinde, und bevor hier irgend etwas geplant werden kann, gilt es die alten Bäume auf dem Platzt zu begutachten. Zumindest für eine Kastanie ist diese Überprüfung nicht gut ausgegangen. Gleich zwei externe Gutachter empfahlen aus Sicherheitsgründen ein Fällung innerhalb von sechs Wochen. Da waren sich die Experten offenbar einig.

Allerdings spracht Gutachter eins von Baum zwei und Gutachter zwei von Baum drei, was die Sache etwas schwierig machte. Schließlich wollte man nicht die falsche Kastanie umlegen. Gemeint war nämlich laut Rathaussprecher Simon Hötzl trotz unterschiedlicher Nummerierung ein und derselbe Baum, "der mittlere vor der Bäckerei". Seit diesem Donnerstag ist der Baum nun weg.

Dem persönlichen Referenten von Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) hat dieser Baum schon so manche schlaflose Nacht bereitet, wie er in der Bauausschusssitzung am Dienstagabend zugab. Denn längst hätte die Gefahr gebannt werden müssen. Zumal der Baum offenbar nicht nur vor sich hin fault und Risse aufweist, sondern auch noch vom gefährlichen Brandkrustenpilz befallen ist. Doch ohne das Votum des Gemeinderats wollte die Verwaltung nicht die Säge ansetzen. Und so rettete man das verfaulte Trumm, dessen "Stand- und Bruchsicherheit" laut Gutachter zwei "maßgeblich beeinträchtig" ist, noch über den Sommer.

Das war nicht immer ganz einfach. Einen ganz besonders heiklen Ast haben die Arbeiter des Baubetriebshof daher schon mal abgeschnitten. Und dann näherte sich genau zu dem Zeitpunkt, als der Bürgermeister Ferien machte, auch noch ein Sturm Unterhaching. Dritte Bürgermeister Richard Raiser (CSU) entschied als Urlaubsvertreter Panzers daher, vorsichtshalber den Platz zu sperren.

Nun liegt also Gutachten eins komplett vor und von Gutachten zwei zumindest die Einschätzung des Problembaums. "Die sprechen da eine eindeutige Sprache", stellt Hötzl fest. Ohne Fällung werde man die Verkehrssicherheit nicht wiederherstellen können.

Das leuchtete den Ausschussmitglieder ein. Wenngleich auch Harald Nottmeyer (SPD) sein großes Bedauern darüber zum Ausdruck brachte: "Wenn ein Baum wegkommt, ist das ganze Ensemble zerstört", sagte er. Aber der Platz sei eben sehr intensiv genutzt worden, worunter die Bäume zu leiden hätten. Auch die Grünen betonten, sie seien nicht dagegen, dass der Baum gefällt werde, allerdings mahnte Stefan König zu besonderer Aufmerksamkeit, dass nicht aus Versehen doch der falsche Baum entfernt werde. "Wie wir wissen, wurde bei Operationen manchmal schon das falsche Bein amputiert."

Neben der Fällung des Einzelbaums muss nun noch auf ein endgültiges Urteil über die Beschaffenheit der übrigen Kastanien gewartet werden, das in drei bis vier Wochen vorliegen soll. Dann muss entschieden werden, welche der alten Bäume erhalten werden können und zu welchem Preis. "Manchen Lösungen werden richtig teuer", sagte Bürgermeister Panzer.

Bis vor Kurzem gab es auf dem Platz noch eine Imbiss-Bude und einen Obst- und Gemüsestand. Beide mussten weichen, als der Besitz an die Gemeinde überging. Wenn nun klar ist, wie mit den Bäumen weiter verfahren wird, kann die Gemeinde Überlegungen anstellen, wie es künftig hier aussehen soll, ob es eventuell Ersatzpflanzungen gibt und welche Nutzung möglich wäre. Einst hatte es hier eine Wirtschaft mit Biergarten gegeben, "die Bäume sind sicherlich bereits hundert Jahre alt", sagte Nottmeyer unter Verweis auf das Alter der Bahnstation Unterhaching, die 1898 eröffnet worden war.

Allerdings will die Gemeinde den Bahnhofsvorplatz nicht allein betrachten, sondern den gesamten Bereich der Hauptstraße in ihre Überlegungen und Planungen mit einbeziehen. Auch hier wird sich einiges ändern müssen, denn zukünftig halten vor dem Bahnhof zwei weitere Buslinien. Um eine bessere Verknüpfung von Bus und Bahn hinzubekommen, sollen die teilweise langen Gelenkbusse auch die Möglichkeit bekommen hier eine Weile auf die Fahrgäste zu warten, sollte die S-Bahn sich verspäten. Bürgermeister Panzer spricht vom Unterhachinger Busbahnhof und damit von einem "Verkehrsknotenpunkt".

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SZ vom 18.09.2020/hilb
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