Unterföhringer Kulturprogramm:Diven, Därme, Dramen

Unterföhringer Kulturprogramm: Das Neue Globe Theater zeigt in Unterföhring "Leben Eduards des Zweiten von England" - ein eher unbekanntes Stück, das Bert Brecht 1924 nach Vorlage von Christopher Marlowe schrieb und das die tragische Liebesgeschichte zwischen dem englischen König und seinem Günstling thematisiert.

Das Neue Globe Theater zeigt in Unterföhring "Leben Eduards des Zweiten von England" - ein eher unbekanntes Stück, das Bert Brecht 1924 nach Vorlage von Christopher Marlowe schrieb und das die tragische Liebesgeschichte zwischen dem englischen König und seinem Günstling thematisiert.

(Foto: Philipp Plum)

Die neue Unterföhringer Spielzeit wartet mit vielfältigem und spannendem Angebot auf. Das Publikum hat die Möglichkeit, Theaterklassiker, selten gespielte Produktionen, besondere Konzerte oder diverse Uraufführungen zu besuchen

Von Udo Watter

In Mel Gibsons oscarprämiertem Film "Braveheart" wird Eduard II. als schwächlicher, tuntiger Prinz gezeichnet, der unter den Demütigungen seines Vaters, des tyrannischen Eduard Longshanks, leidet - und an seiner, von Sophie Marceau gespielte Frau kein Interesse hat. Dass diese dann ihr erotisches Glück in den Armen des schottischen Freiheitskämpfers William Wallace (Mel Gibson selbst) findet, der mit ihr auch noch den späteren König Eduard III. zeugt, ist historischer Unsinn. Dass Eduard II., der 1307 seinem Vater als König von England nachfolgte, Männer liebte und seine Günstlinge in hohe Ämter zu hieven suchte (wie im Film), ist indes erwiesen.

Das Neue Globe Theater aus Potsdam zeigt in der kommenden Unterföhringer Spielzeit das Stück "Leben Eduards II. von England" - geschrieben hat es Bertolt Brecht in Zusammenarbeit mit Lion Feuchtwanger nach einem Werk des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe. Es geht um die tragische Geschichte einer großen Liebe, zwischen zwei Männern, einer offen schwul ausgelebten Liebe unter den missbilligenden Augen des Adels. Zwischen Eduard und Gaveston, seinem "Günstling" oder boshafter: seinem "Lustknaben". Seinem "Kebsweib mit einem Bart auf der Brust". Es folgen Intrigen, Aufruhr, Mord. Geschrieben hat Brecht das selten gespielte Drama 1924, es trägt bereits Elemente des epischen Theaters in sich. Er thematisiert darin die Sinnlosigkeit menschlichen Ehrgeizes, und er avancierte quasi zum ersten großen Dramatiker, der eine schwule Geschichte in einem modernen Stück in den Mittelpunkt stellte. "Das wird sicher spannend und sehr emotional" glaubt Unterföhrings Kulturamtsleiterin Barbara Schulte-Rief. "Das Neue Globe Theater ist immer auf der Suche nach neuen Stoffen. Stoffe, die bewegen und zeitlos sind."

Dieses wohl auch vielen Germanisten unbekannte Brecht-Stück, welches am 22. September im Bürgerhaus gezeigt wird, dürfte ein Höhepunkt der neuen Kultursaison werden. An diesem Samstag beginnt der Vorverkauf für die vier klassischen Abos - Schauspiel, Kabarett, Musik und Aula. Im Bereich Schauspiel, der andernorts keine gute Resonanz mehr erfährt, konnte sich Schulte-Rief in den vergangenen Jahren über ein leichtes Plus bei den Besucherzahlen freuen. Im Abo-Angebot sind in der Saison 2019/20 Klassiker wie "Tod eines Handlungsreisenden" oder "Madame Bovary", aber auch Georgs Orwells "1984" in einer Inszenierung des a.gon Theaters München. Freunde von Ballett und Tanz kommen ebenfalls auf ihre Kosten: Das Ballet Classique München zeigt "Carmen", zudem gibt es zwei Uraufführungen: Johannes Härtl, Artist in Residence am Bürgerhaus, zeigt am 30. November eine Kombination aus Tanzfilm und Performance ("Silent Water"), die von den Fragen inspiriert ist: Wer sind wir? Woran glauben wir? Und die Benedict Manniegel Dance Academie bringt erstmals ihre choreografische Umsetzung von "Hänsel und Gretel " nach Musik von Haydn und Humperdinck auf die Bühne. "Sie stehen für entstaubtes Ballett mit modernen Elementen" urteilt Schulte-Rief. Sie freut sich zudem auf "Die Klischewetzkis: Sing mal was auf Russisch" am 8. November. Die im sibirischen Irkutsk geboren Schauspielerin und Sängerin Genija Rikova führt mit ihrem Ensemble das Publikum in die Höhen und Tiefen der russischen Seele "Sie ist großartig"schwärmt Schulte-Rief, "mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme." Man darf davon ausgehen, dass an diesem Abend nicht nur auf der Bühne Wodka getrunken wird, sondern auch das Publikum was abkriegt. Im Bereich Kabarett/Comedy beehren ebenfalls wieder bekannte Größen die Gemeinde am nordöstlichen Stadtrand: Mathias Richling, Simone Solga, Wolfgang Krebs oder die Couplet AG. Zum ersten Mal in Unterföhring auftreten wird hingegen Ingolf Lück, der nicht zuletzt als Moderator der Sendungen "Formel Eins" (ARD) oder der "Wochenshow" (Sat1) bekannt wurde und 2018 bei der RTL-Show "Let's Dance" gewann. Lück präsentiert am 13. November sein Programm "Sehr erfreut. Die Comedytour 2019". Darin stellt der 61-Jährige interessante Fragen: Etwa die, wie man in seinem Alter ökologisch korrekt, super fit und "ständig mit sich selbst im Einklang sein kann, auf dass der eigene Darm noch charmanter werde".

In die charmante Welt der großen Diven entführen Anfang Februar die Sängerin Kerstin Heiles und ihr Partner Christoph Pauli am Klavier mit Interpretationen von Zarah Leander bis Whitney Houston. Das Neujahrskonzert am 4. Januar 2020 wird von der Philharmonie Salzburg und Quadro Nuevo gestaltet. Das Programm: "Volkslied reloaded" - klassisches Liedgut im neuen Gewand. Es ist zugleich ein passender Einstieg ins Jubiläumsjahr: Im September 2020 wird das Bürgerhaus zehn Jahre alt und das Jazz- und Weltmusik-Ensemble Quadro Nuevo war 2010 der allererste Unterföhringer Kulturpreisträger. Ein anderes Jubiläum wird im September 2019 gefeiert mit der Ausstellung "Eine Insel in Bayern". Sie ist ein gemeinsames Projekt mit den Nachbarn Ismaning, Freising, Oberföhring, Englschalking und Daglfing. Historischer Hintergrund: Von 1319 bis zur Säkularisation 1802/03 gehörte Unterföhring zur Grafschaft Ismaning, dem weltlichen Herrschaftsbereich der Freisinger Fürstbischöfe. In der Ausstellung wird das religiöse und soziale Leben dort mit Dokumenten, Bildern, Landkarten und Texten veranschaulicht. "In der Größe und dem Umfang ist das was Besonderes", sagt Schulte-Rief. Von September bis November ist die Ausstellung in Unterföhring zu Gast. Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele andere Veranstaltungen in der kommenden Spielzeit: klassische Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und ein abwechslungsreiches Kinderprogramm mit viel Theater. Die ganze Welt ist Bühne - das wussten nicht nur Shakespeare oder Brecht, das erfahren früh schon auch die kleinen Zuschauer.

Der Abo-Verkauf für die Saison 2019/20 beginnt im Bürgerhaus Unterföhring, Münchner Straße 65 an diesem Samstag, 11. Mai um 10 Uhr. Das Wahlabo kann von 18. Mai an erworben werden, der Einzelkartenverkauf startet am 25. Mai. Infos unter www.buergerhaus-unterfoehring.de oder Telefon 089/95 081 506.

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