Unterföhring ist das Schottland im Münchner Norden. Der Gemeinderat hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass auf den Toiletten aller Unterföhringer Schulen wie auch auf denen des Bürgerhauses, des Sportzentrums, des Jugendzentrums und der Kinder- und Jugendfarm künftig kostenfreie Hygieneartikel für Frauen und Mädchen während ihrer Periode bereitstehen sollen. Die Kosten für Tampons, Binden oder Slip-Einlagen wie auch für entsprechende Mülleimer in den Kabinen übernimmt die Kommune.
Damit ist Unterföhring in der Region München und auch in Bayern bei einem Thema ganz vorne, das auch international immer wieder heftig diskutiert wird. Frauenorganisationen setzen sich seit Langem dafür ein, dass Hygieneprodukte, die während der Menstruation gebraucht werden, für alle kostenfrei zur Verfügung stehen sollten. Schottland war 2020 das erste Land, das ein entsprechendes Gesetz verabschiedete: den "Period Products (Free Provision) Act". Im August 2022 trat das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft; es verpflichtet Kommunen und die schottischen Bildungseinrichtungen dazu, Periodenprodukte kostenfrei zur Verfügung zu stellen für alle, die sie brauchen.
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Eine Frau gibt in ihrem Leben 20 000 Euro wegen ihrer Menstruation aus
"Ich freue mich sehr, dass die Unterföhringer Kommunalpolitiker dem Antrag einhellig zugestimmt haben", sagt Tanja Gernet von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Unterföhring, die den SPD-Antrag angestoßen hat. Was manchen auf den ersten Blick vielleicht nicht sofort als drängende politische Aufgabe erscheinen mag, steht für ein reales Problem. Binden, Tampons, Slip-Einlagen oder Menstruationstassen kosten Geld - Geld, das Frauen jeden Monat ausgeben müssen. Eine Umfrage im Auftrag der britischen Huffington Post kam 2019 auf die Summe von umgerechnet etwa 20 000 Euro, die eine Frau im Laufe ihres Lebens für ihre Periode ausgibt, für Hygieneartikel, aber auch Dinge wie Mittel gegen Regelschmerzen.
Doch nicht alle können sich das leisten. Die Forschung spricht von "period poverty", zu Deutsch "Periodenarmut". Im schlimmsten Fall führt der Umstand, dass sich die Betroffenen während ihrer Periode keine ausreichenden, sauberen Hygieneartikel kaufen können, zu medizinischen Problemen. In anderen Fällen dazu, dass Mädchen und Frauen während ihrer Menstruation der Arbeit oder Schule fernbleiben, was in Ländern mit geringem Arbeitnehmerschutz ein deutlicher Nachteil sein kann, wie etwa eine Studie von 2016 aus Bangladesch zeigt.
Aber auch in Deutschland erschweren die Ausgaben für Periodenprodukte das Leben vieler Menschen, wie eine Umfrage im Auftrag der Organisation Plan International von 2022 zeigt: 23 Prozent der Befragten sprachen darin von einer finanzielle Belastung. "Denken Sie an eine Familie mit drei Töchtern - da braucht man nicht Sozialhilfeempfänger zu sein, um sich das schwer leisten zu können", sagt Tanja Gernet von der AsF Unterföhring.
Menstruationshygieneartikel kostenfrei verfügbar zu machen, sei also auch eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, sagt Claudia Paganini, die als Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München lehrt und dort auch als Frauenbeauftragte fungiert. "Das kann man meiner Ansicht nach auch in den Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele einordnen." Die Hochschule hat zum Sommersemester 2022 als erste der Münchner Universitäten Aufsteller mit kostenfreien Öko-Tampons und -binden auf ihren Toiletten eingeführt. Das Angebot werde gut angenommen und diszipliniert genutzt, sagt Paganini. Inzwischen erhält die Hochschule bereits Anfragen von anderen Universitäten, die sich für das Projekt interessieren. "Es ist ein kleiner Schritt, natürlich, aber er zeigt das Interesse einer Bildungseinrichtung an Gleichberechtigung. Schließlich sind Menstruierende mit nicht unerheblichen Kosten konfrontiert."
Das Bewusstsein für diese Problematik nimmt offensichtlich zu. Seit dem 1. Januar 2020 werden Periodenprodukte im deutschen Mehrwertsteuerrecht als "Produkte des täglichen Gebrauchs" nur noch mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent besteuert und nicht mehr wie zuvor mit 19 Prozent wie Luxusartikel. In mehreren Petitionen hatten Zehntausende diese Anpassung der sogenannten Tamponsteuer gefordert. Auch mehrere Universitäten und Kommunen in Deutschland haben zuletzt ähnliche Regelungen wie Unterföhring eingeführt und stellen nun Hygieneartikel kostenfrei zur Verfügung, darunter die Städte Düsseldorf, Tübingen, Heidelberg und Karlsruhe und die Universitäten in Regensburg, Passau und Saarbrücken. Die Stadt München hat im Herbst 2022 die kostenfreie Ausgabe in den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, bei städtischen Ferienangeboten und Streetwork beschlossen; Schulen soll die Möglichkeit offenstehen, das Angebot zu machen.
Der Unterföhringer Vorstoß könnte vielleicht auch andere Kommunen inspirieren, in dieser Sache nachzuziehen, hofft Gernet. Neben der Kostenfrage weist die Mutter zweier Töchter noch auf einen weiteren Vorteil der kostenfreien und unkomplizierten Ausgabe von Tampons und Co. auf den Toiletten hin: "Gerade für junge Mädchen ist die Periode erst einmal etwas Irritierendes, und sie kommt oft unverhofft. Da ist eine unauffällige Möglichkeit, eine Binde oder einen Tampon zu bekommen, wichtig." Insgesamt soll das Angebot dazu führen, das Thema Menstruation als Ganzes zu enttabuisieren. "Das ist etwas ganz Normales und Natürliches, aber in unserer Gesellschaft immer noch so schambehaftet", sagt Gernet.