Unterföhring:Seewirtschaft ist insolvent

Unterföhring: Aus und vorbei: Pächter Stephan Kalis hat die Seewirtschaft am Poschinger Weiher zusperren müssen.

Aus und vorbei: Pächter Stephan Kalis hat die Seewirtschaft am Poschinger Weiher zusperren müssen.

(Foto: Catherina Hess)

Pächter Stephan Kalis hat die Gaststätte samt Biergarten am Poschinger Weiher zusperren müssen. Nach der Corona-Pandemie machte dem Betreiber jetzt die aktuelle Wirtschafts- und Energiekrise den Garaus.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

"Biergarten täglich geöffnet": Was da auf dem Schild bei der Seewirtschaft am Poschinger Weiher in Unterföhring zu lesen ist, gehört der Vergangenheit an. Und das nicht nur, weil das Laub fällt und die Zugvögel sich in diesen Tagen in ihre Winterquartiere im Süden aufmachen. Das Wirtshaus mit seinem großzügigen Außenbereich ist insolvent - und geschlossen. Pächter Stephan Kalis hat vergangene Woche zusperren müssen, für immer. "Egal, wie wir es gedreht und gewendet haben, es gibt keine Perspektive fürs Weitermachen mehr", sagt der 48-Jährige an diesem Nachmittag sichtlich geknickt. Mit dem Aus für die Seewirtschaft ist auch sein großer Traum geplatzt, als Quereinsteiger in der Gastronomie den "schönsten Job, den es gibt", nämlich den des Gastgebers", auszuüben.

Erst Ende August 2020 haben Kalis und seine frühere Frau das idyllisch gelegene Gasthaus am Unterföhringer See eröffnet. Viele Jahre lang waren die beiden als Stammgäste dort, dann bot sich die Chance, dass für das Lokal samt Biergarten ein neuer Pächter gesucht wurde. Nachdem sie den Mietvertrag unterschrieben hatten, bauten sie innerhalb von drei Monaten erst einmal die gesamte Anlage komplett um - und sperrten im Spätsommer des ersten Corona-Jahres auf. Und dann Anfang November wegen steigender Infektionszahlen und Inzidenzen wieder zu. Das gesamte Weihnachtsgeschäft fiel aus, "diese Nicht-Planbarkeit" sei schwer auszuhalten gewesen, erinnert sich Kalis. Sieben Monate lang fehlte den Wirten schließlich der Umsatz, die staatlichen Corona-Hilfen kamen nur langsam.

Unterföhring: Verwaist: Nach der Insolvenz bleibt der Biergarten zu.

Verwaist: Nach der Insolvenz bleibt der Biergarten zu.

(Foto: Catherina Hess)

Während der Schließzeit wurde im und rund um das Wirtshaus umgebaut, Anfang Juli des vergangenen Jahres starteten die Pächter mit einem "Kioskbetrieb" in die neue Zeitrechnung, ehe der Biergarten eröffnen hat können. Dieser bot Platz für mehr als 700 Besucher, innen konnten noch einmal 110 Gäste bewirtet werden. So viele aber wollten offenbar nicht kommen, die von der Politik erlassenen 3-G- und 2-G-Vorgaben haben nach Einschätzung von Kalis wohl so manchen abgehalten, auswärts zu speisen. "Und da waren auch noch die unsäglichen Debatten mit Gegnern der Corona-Politik, wahlweise im Lokal oder in den sozialen Medien." Alles sehr unschön, blickt der gescheiterte Gastronom zurück. Im Herbst dann sperrte er das Wirtshaus wieder zu. Der von ihm erdachte "Winterkiosk", wo es in den kalten Monaten zum Beispiel Glühwein und kleine Speisen zum Mitnehmen gab, aber der Verzehr vor Ort nicht erlaubt war, hielt den früheren Architekten und Projektmanager und Neu-Gastronomen Kalis über Wasser.

Nach der Pandemie der nächste Schock: der Krieg in der Ukraine

2022 wollten er und sein auf in Hochzeiten bis zu 14 Mitarbeiter angewachsenes Team durchstarten, in dem auch vier Flüchtlinge aus Unterföhring arbeiteten. Doch kaum hatte sich die Pandemielage entspannt, sei der nächste Schock gekommen: der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, Inflation und die Energiekrise. "Dass Gastronomie ein Luxus ist, das habe ich schon immer gesagt", beschreibt Kalis seine Gemütslage. Dass für die Seewirtschaft nun alles aus ist, das habe er sich trotz all der Probleme aber nicht wirklich vorstellen können. Für ihn sei in der vergangenen Zeit nicht nur wirtschaftlich allerhand Negatives zusammengekommen, auch seine Ehe sei gescheitert, die Ex-Frau aus dem gemeinsamen Geschäft ausgestiegen. Dennoch wollte er weitermachen, schließlich habe er von ihr, die seit Jahren große Erfahrung in der Gastronomie hatte, viel gelernt.

Unterföhring: Platz für bis zu 110 Gäste gab es im Inneren der Seewirtschaft.

Platz für bis zu 110 Gäste gab es im Inneren der Seewirtschaft.

(Foto: Catherina Hess)

Kalis verkleinerte die Karte, stellte auf Hausmannskost um, setzte auf eine weitreichende Verwertung der Zutaten, wie etwa die Verarbeitung nicht verkaufter Brezen zu Brezenknödeln, - aber viele Gäste hätten das nicht wirklich goutiert, trotz des Biergartenbetriebs in bester Lage. Nach einem Minus von gut zwölf Prozent beim Umsatz im vergangenen Juli habe der August trotz des schönsten Sommerwetters 47 Prozent weniger Auslastung gebracht. "Am See waren so wenige Badegäste wie noch nie, ganz Bayern war in den Sommerferien weit weg im Urlaub", sagt Kalis. Im September dann vergrößerte sich der Einbruch beim Umsatz auf 87 Prozent, bei den Menschen sitze das Geld angesichts Inflation und Energiekrise nicht mehr so locker - da habe er "schweren Herzens" die Notbremse ziehen, seine Leute entlassen und Insolvenz anmelden müssen.

Wenn die Seewirtschaft abgewickelt und Kalis aus dem bis 2030 laufenden Pachtvertrag mit dem Hofbrauhaus Freising raus ist, will der 48-Jährige erst einmal sein Privatleben "aufräumen", wie er sagt. Und eine Pause machen, um durchzuschnaufen und zu überlegen, was kommt oder kommen soll nach der Pleite. Ob er sich in Zukunft erneut als Wirt versuchen wird? "Gastro ist immer eine Option", sagt Stephan Kalis. Für ihn sei sei das Gastgebersein eines der schönsten Dinge überhaupt, trotz allem.

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