SZ-Serie: Sound des Sommers:Orchester mit internationalem Flair

SZ-Serie: Sound des Sommers: Die größte Baustelle des Landkreises: In Unterföhring entsteht derzeit der neue Schulcampus samt Gymnasium, Grundschule und Mensa.

Die größte Baustelle des Landkreises: In Unterföhring entsteht derzeit der neue Schulcampus samt Gymnasium, Grundschule und Mensa.

(Foto: m3 GmbH/Privat)
  • In Unterföhring entsteht derzeit der teuerste Schulcampus, der jemals in den Kommunen rund um die Landeshauptstadt gebaut worden ist.
  • Das Projekt soll 149 Millionen Euro kosten.
  • Auf dem 50 000 Quadratmeter großen Grundstück sind mehr als 200 Arbeiter beschäftigt.
  • In einem Jahr soll alles fertig sein, damit Grundschüler und Gymnasiasten im September 2020 auf dem modernen Campus lernen können.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Sie überragen alles und sind so ziemlich des Leiseste, was diese riesige Baustelle zu bieten hat: Wenn sich die Ausleger der sieben Kräne drehen, wenn sie Lasten von A nach B schwenken, dann hört man einen Hauch von Nichts. Nur die Ketten, an denen Träger oder Platten hängen, schlagen ein bisschen.

Der Klang erinnert an das Rauschen in den Baumwipfeln, wenn eine Böe hineinfährt. Wind hört man ja auch nicht wirklich, es sei denn, es ist Sturm. Und den können sie auf der derzeit wohl größten Baustelle im Landkreis München so überhaupt nicht gebrauchen. Dort in Unterföhring entsteht derzeit der teuerste Schulcampus, der jemals in den Kommunen rund um die Landeshauptstadt gebaut worden ist. 149 Millionen Euro soll das Projekt kosten.

SZ-Serie: Sound des Sommers: Es gibt noch viel zu tun für die Handwerker: Bis zum Schuljahr 2020/21 im September soll der neue Schulcampus in Unterföhring fertig sein.

Es gibt noch viel zu tun für die Handwerker: Bis zum Schuljahr 2020/21 im September soll der neue Schulcampus in Unterföhring fertig sein.

(Foto: Stephan Rumpf)

Doch bis Gymnasium, Grundschule, Mensa, Mittagsbetreuung, Hort und Vierfach-Turnhalle samt Tiefgarage gleich neben der S-Bahn fertig sein werden, gibt es noch viel zu tun. Und das ist erwartungsgemäß laut. Sehr laut. Mehr als 200 Arbeiter sind auf dem 50 000 Quadratmeter großen Grundstück damit beschäftigt, die Gebäude nach den Entwürfen der Münchner Architekten Felix und Jonas in die Tat umzusetzen.

Und da wird wochentags von 7 bis 19 Uhr sowie am Samstag bis mittags viel mehr als nur gehämmert und geschraubt, es wird geflext, gerüttelt, gebaggert und plattiert. Der Rohbau ist fast fertig, oben auf den Dächern in 16 Metern Höhe stehen braungebrannte Handwerker und verarbeiten mit einer Art Groß-Bunsenbrenner Dachpappe. Das dabei entstehende Geräusch erinnert an das Zischeln einer Schlange. So eine aber hätte hier nichts zu suchen.

Der Bauleiter läuft täglich mindestens 30 Kilometer

Der Herr über all die Arbeiter, die Baustelle und die Maschinen ist Florian Jung von der m3 Bauprojektmanagement GmbH München. Wer mit ihm über den im Entstehen begriffenen Schulcampus in Unterföhring läuft, kommt kaum hinterher. Mindestens 30 Kilometer legt der Bauleiter jeden Tag zurück, entsprechend ist seine Kondition. Und sein Gedächtnis. Die meisten der Arbeiter kennt Jung beim Namen - und sie ihn. Das Personal ist international, für einen kleinen Plausch reichen die Worte immer, nur die Zeit, sie ist knapp. In einem Jahr soll das alles fertig sein, damit Grundschüler und Gymnasiasten im September 2020 auf dem modernen Campus lernen können.

65 Dezibel

In Gebieten, in denen fast nur Wohnhäuser stehen, müssen Bewohner damit leben, dass auf einer Baustelle von 7 bis 20 Uhr gebaut wird. Tagsüber darf Baulärm von der Baustelle ein Dauerschallpegel von maximal 55 Dezibel ausgehen, auch samstags. Weil der Richtwert in bestimmten Bauphasen nicht einzuhalten ist, gibt es eine Toleranz von weiteren fünf Dezibel. In reinen Industriegebieten darf der Dauerpegel tagsüber noch deutlich höher liegen, nämlich bei 65 Dezibel plus Toleranz. SZ

Und auch die Geräuschkulisse verschluckt so manches Servus. Irgendwo verrichtet eine Kreissäge ihren Dienst - der Lärm ist ohrenbetäubend. Metallisch hohe Töne schlüpfen ins Ohr und gehen direkt ins Gehirn. Gut, dass die Handwerker Kopfhörer tragen. Gleich nebenan wird der Boden bearbeitet, mit einem ferngesteuerten Rüttler. Sein Wummern ist meterweit zu hören, aber vor allem zu spüren, im Bauch und unter den Sohlen. Das Orchester aus Presslufthämmern, Bohrern, Baggern, Winkelschleifern, Vorschlaghämmern und dumpf krachenden Lastwagen wird nur übertönt von den Menschen auf der Baustelle, die sich von einem Geviert zum nächsten Aufträge zurufen. Ohne lautes Organ wären die Handwerker verloren - und Jung wohl auch. Sie wissen sich zu verständigen, ohne Megafon. Die menschliche Stimme kann so etwas.

Krach muss man schon aushalten könnten bei dieser Arbeit. Und Wind und Wetter sowieso. Wenn die Sonne gnadenlos vom Himmel brennt, muss der Lichtschutzfaktor hoch sein, sofern man draußen arbeitet. Wenn es schüttet, so wie es in den vergangenen Wochen immer wieder der Fall war, dann ist es auch recht. Aus Zucker ist schließlich niemand auf dieser Baustelle. Damit nicht alles unter Wasser gesetzt wird, weil der Starkregen vom Himmel fällt, wie man ihn normalerweise nur aus den Tropen kennt, dann arbeiten die Handwerker mit dichten Folien.

SZ-Serie: Sound des Sommers: Die große Aula des zukünftigen Schulcampus in Unterföhrung.

Die große Aula des zukünftigen Schulcampus in Unterföhrung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Diese verhinderten, dass es im Inneren der lang gezogenen Gebäude allzu nass wird, sagt Jung. In der künftigen Grundschule und im Gymnasium zum Beispiel sind an diesem Nachmittag Heerscharen von Männern damit beschäftigt, die Klassen-, Fach- oder Gruppenräume herzustellen. Dort geht es ebenfalls ganz schön laut zu, aber in anderen Tonlagen. Die Bohrer sind kleiner und schreien einen nicht so brutal an wie draußen. Die Sägen singen ein bisschen leiser und auch der Winkelschleifer greift das Trommelfell weniger rücksichtslos an, so dass der Besuch beim Ohrenarzt vielleicht vermieden werden kann.

Am Ende des Gangs, der so genannten gut 500 Meter langen Magistrale, die sich auf jeder Ebene vom Keller bis zum Dachgeschoss durch den Bau schlängelt, mischen sich schließlich noch ganz andere Töne in das Wirrwarr des Klopfens, Hämmern und Schleifens: In einem der lange noch nicht fertigen Zimmer steht am Boden ein Radio; aus ihm ist ein portugiesisches Lied zu hören, kein Fado, auch wenn die Arbeit schwer ist. Der in seine Aufgabe versunkene Handwerker singt mit. Und ein paar Meter weiter begleitet ein deutscher Schlager das Surren eines Akkuschraubers.

Bauleiter Florian Jung lächelt. Musik ist eben gut fürs Betriebsklima auf der größten Baustelle im Landkreis München.

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