Unterföhring:Neues Kraftwerk durch die Hintertür

Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring, 2017

Nein oder doch? Unterföhring lehnt ein weiteres Kraftwerk ab, die Stadtwerke verfolgen die Pläne aber offenbar weiter.

(Foto: Florian Peljak)

Die Grünen wollen "aus zuverlässigen Quellen" erfahren haben, wie sich die Stadtwerke München über das Nein aus Unterföhring hinwegsetzen könnten. Bürgermeister Kemmelmeyer will das nicht einfach hinnehmen.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Die Unterföhringer Grünen befürchten, dass die Stadtwerke München (SWM) die Gemeinde beim Bau eines Gaskraftwerks austricksen könnten. Sie wollen aus "zuverlässigen Quellen" aus der Landeshauptstadt erfahren haben, dass es in dieser Angelegenheit vertrauliche Gespräche zwischen den Stadtwerken und der Regierung von Oberbayern gebe.

Ziel sei, die Planungshoheit der Stadtrandkommune zu umgehen. Deren Gemeinderat hatte sich gegen die Errichtung eines zusätzlichen Gaskraftwerks auf dem Gelände des Heizkraftwerks München-Nord ausgesprochen, das auf Unterföhringer Gemeindegebiet steht. Die Stadtwerke bestätigen, dass sie an einem weiteren Kraftwerk am Standort festhalten.

In einer schriftlichen Anfrage an Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) und den Gemeinderat bitten die Grünen-Gemeinderäte Johannes Mecke und Gisela Fischer um Aufklärung. Nach ihren Informationen soll ein Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz eingeleitet werden, mit dem das klare Nein des Unterföhringer Gemeinderates vom Januar zum Bau einer Gasanlage am Standort des Heizkraftwerks München-Nord umgangen werden könnte. "Das wäre ein Skandal und bodenlos", kritisiert Gemeinderat und Bürgermeisterkandidat Mecke. Er und Fischer bitten Bürgermeister Kemmelmeyer um "Klarstellung", inwieweit Unterföhring an solchen Gesprächen beteiligt sei und wie es derartige Aktivitäten beurteile. Gefordert wird zudem, dass die Gemeinde "alle ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpft und auch den Klageweg nicht ausschließt".

Kraftwerk Thema im Münchner Stadtrat

"Beunruhigt" sind die Grünen nach eigenen Worten darüber, dass Münchens Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtel in seiner Vorlage an den Stadtrat zur Sitzung am kommenden Mittwoch auf eine "positive Einstellung" des Unterföhringer Rathauschefs zu einem Gaskraftwerk-Neubau verweist. Bei der Stadtratsvollversammlung am 24. Juli wird es einmal mehr um den Kohleblock im Heizkraftwerk München-Nord gehen. Nach einem Bürgerentscheid hätte dieser Ende 2022 stillgelegt werden sollen. Weil aber die Bundesnetzagentur die Anlage offenbar für systemrelevant hält, soll der Block erst 2028 vom Netz gehen. Dieser Haltung haben sich SPD und CSU im Münchner Wirtschaftsausschuss angeschlossen.

Unterföhrings Bürgermeister Kemmelmeyer bezeichnet die Grünen-Initiative dagegen als "reine Wahlkampfgeschichte". Der Gemeinderat habe den Antrag der Stadtwerke zum Neubau eines Gaskraftwerks auf Unterföhringer Flur einstimmig abgelehnt. Die Stadtwerke hatten das Kraftwerk quasi als Ersatz für den Kohleblock im Auge. Dass die Grünen ihm unterstellten, er verhandle mit den Stadtwerken oder führe irgendwelche Gespräche zum Nachteil Unterföhrings, sei eine böswillige Unverschämtheit, so der Bürgermeister.

Mecke solle die Vorlage für den Münchner Stadtrat genau lesen, empfiehlt Kemmelmeyer. Darin sei die Rede von früheren positiven Signalen aus dem Rathaus im Hinblick auf ein Gaskraftwerk. Diese seien längst obsolet; Unterföhring stehe nicht als Standort für eine solche Anlage zur Verfügung. "Auf unserer Flur wird nichts mehr gebaut, sondern nur abgebaut", versichert Kemmelmeyer. Außerdem könne die Planungshoheit nicht so leicht außer Kraft gesetzt werden. Diese Einschätzung teilt Stefan Kammermeier vom Bauamt der Gemeinde. Eine Kommune habe neben dem Planungsrecht verschiedene Abwehrrechte. So könne zum Beispiel auch der Rechtsweg beschritten werden. Ohne eine Beteiligung der Gemeinde werde es nie gehen, sagt Kammermeier.

Die Stadtwerke erklärten dazu auf SZ-Anfrage am Donnerstagnachmittag, man sei dabei, "sämtliche Möglichkeiten für eine Nachfolgeanlage auch am Standort Nord zu prüfen, um die im Jahr 2028 nach der Abschaltung vom Kohleblock noch vorhandene Deckungslücke in der Wärmeversorgung schließen zu können". Über Art und Größe der Anlage könne derzeit keine Aussage getroffen werden.

Nachdem beschlossen worden ist, Block 2 mit vermindertem Kohleeinsatz weiter zu betreiben, "müssen wir die dann noch zu erwartende Wärme-Deckungslücke ermitteln", so SWM-Sprecher Michael Solić. Erst danach werde sich die Dimension der Anlage ergeben. Zu etwaigen Gesprächen äußerten sich die Stadtwerke nicht.

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