Unterföhring:Eine Chefin, die überall mit anpackt

Unterföhring: Immer etwas zu organisieren: Susanne Vazzoler und ihr Co-Chef Hans Kritzinger im Büro der Nachbarschaftshilfe Unterföhring.

Immer etwas zu organisieren: Susanne Vazzoler und ihr Co-Chef Hans Kritzinger im Büro der Nachbarschaftshilfe Unterföhring.

(Foto: Florian Peljak)

Susanne Vazzoler unterstützt mit ihrem Team der Nachbarschaftshilfe Unterföhringer in schwierigen Lebenslagen. Für ihr Engagement hat die Vorsitzende nun die Bürgermedaille der Gemeinde erhalten.

Von Irmengard Gnau, Unterföhring

Das Wetter ist kühl, aber trocken an diesem Mittwochmorgen. Genau richtig also. Vor dem Eingangsbereich des Hauses der Nachbarschaftshilfe Unterföhring wuchten Helfer Kisten mit Lebensmitteln auf Tische. Eine Frau sortiert Speisen aus dem Kühlraum in eine Box. Mitten drin wuselt Susanne Vazzoler mit einer Liste in der Hand, packt hier an, gibt da eine Anweisung. In einer halben Stunde muss alles fertig sein. Dann kommen die ersten Menschen, um sich hier am Unterföhringer Tisch mit Lebensmitteln zu versorgen.

Der Unterföhringer Tisch, die Tafel für Bedürftige in der Mediengemeinde im Münchner Norden, ist bei weitem nicht die einzige Aufgabe, die Vazzoler im Blick hat. Auf dem Schreibtisch im Büro der Nachbarschaftshilfe stapeln sich Unterlagen; Anträge, Briefe, Abrechnungen. "Es gibt immer etwas zu tun", sagt Vazzoler und lacht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich die gelernte Rechtsanwaltsgehilfin für den Verein, seit 13 Jahren ist sie dessen Vorsitzende. Gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Hans Kritzinger organisiert Vazzoler ein breites Angebot an Unterstützungen, vom Secondhand-Verkauf bei "Shoppen im Schuppen" und dem "Kleiderbügel" über Fahrdienste, Haushaltshilfen und Essenslieferungen für Senioren, Kinderbetreuung und Spielgruppen für Familien bis hin zu Kurzausflügen.

Unterföhring: Eine Helferin sortiert die Lebensmittel, die gerade vom Supermarkt abgeholt wurden.

Eine Helferin sortiert die Lebensmittel, die gerade vom Supermarkt abgeholt wurden.

(Foto: Florian Peljak)

251 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die Nachbarschaftshilfe aktuell, "aber die meiste Arbeit wird ehrenamtlich geleistet", sagt Vazzoler. Bei den beiden Vorsitzenden kommen leicht einmal 240 Arbeitsstunden im Monat zusammen, obwohl sie ja eigentlich einen Minijob bei der Nachbarschaftshilfe haben. Doch wer Ansprechpartner für alle und alles ist, der ist auch immer im Einsatz. Und die Arbeit erfülle, betont Vazzoler. "Ich freue mich bis heute jedes Mal, wenn ich aus dem Urlaub komme und wieder arbeiten darf", sagt sie. "Jeder Tag bringt eine andere Herausforderung", sagt Kritzinger. "Das Schöne ist: Die Leute sind auch dankbar für das, was man tut."

"Ich bin der Notnagel für alles."

Ihre Dankbarkeit zeigt auch die Gemeinde Unterföhring. Sie hat Vazzoler stellvertretend für die ganze Nachbarschaftshilfe in diesem Jahr die Bürgermedaille verliehen. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft) würdigte Vazzoler als Motor der Organisation für ihre "schier unermüdliche Kraft", große Begeisterung und ihren Weitblick. Die Energie des Führungsduos spürt jeder, der mit den beiden zu tun hat. Man könne einen Verein wie die Nachbarschaftshilfe nur leiten, wenn man alle Rollen kennt, ist Vazzoler überzeugt. Jeden Freitag fährt sie zu den Supermärkten, die für den Unterföhringer Tisch Waren spenden, verlädt Kisten, pflegt die Kontakte. Fast alle Läden im Ort machen inzwischen mit, auch die Kantine der Allianz liefert seit 2015 warmes Essen für die Tafel. Wenn Bedarf ist, greift die Chefin aber auch zum Putzeimer, kocht für alle oder bedient im Café. "Ich bin der Notnagel für alles", sagt Vazzoler.

Seit fünf Jahren führt die Nachbarschaftshilfe das "Café Valentin" im Vorderhaus, das mit seinen günstigen Mittagsgerichten vor allem Senioren ein "zweites Wohnzimmer" sein will, wie Kritzinger sagt. Ein warmes Essen und einen Kaffee gibt es hier ebenso wie Zeit und Raum zum Würfeln, Kartenspielen oder Ratschen. Zweimal im Jahr macht Kritzinger mit seinem Chor eine offene Probe für die Gäste, die gern mitsingen. Während des Lockdowns wegen der Corona-Pandemie machten Vazzoler und Kritizinger aus dem Mittagsmenü kurzerhand Essen to go für die Stammkunden.

Unterföhring: Das Café Valentin im Vordergebäude der Nachbarschaftshilfe soll Senioren ein "zweites Wohnzimmer" sein.

Das Café Valentin im Vordergebäude der Nachbarschaftshilfe soll Senioren ein "zweites Wohnzimmer" sein.

(Foto: Florian Peljak)

Auch solche kreativen Lösungen zeichnen die Arbeit des Vereins aus. Als Vazzoler merkte, dass viele Senioren die ersten Corona-Masken nicht allein anlegen konnten, weil sie ihre Arme kaum mehr hinter den Kopf heben können, entwarfen und nähten Freiwillige in der Nachbarschaftshilfe neue Modelle. Für kurzfristige Finanzhilfen haben sie den "Christkindlmarktfonds" entwickelt: Die Nachbarschaftshilfe gibt Menschen, die es benötigen, einen zinslosen Kredit, etwa für eine neue Brille. Die Rückzahlung erfolgt in kleinen Schritten, je nach den individuellen Möglichkeiten. Weil die Erfahrung zeigt, dass viele ältere Menschen sich aus Scham schwer tun, Hilfe anzufordern, versuchen Vazzoler und Kritzinger, selbst Leute anzusprechen und Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein feines Gespür und ihr enges Netzwerk helfen dabei. Ein Kinderstuhl für eine junge Familie mit wenig Geld? Ist schnell organisiert. Geschickte Hände zum Maskennähen? Schon gefunden. "Und wenn ich selbst mal nicht weiter weiß, dann weiß ich, wen ich fragen muss", sagt Vazzoler.

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