Heizkraftwerk Nord:Runter vom Gas

Heizkraftwerk Nord: Das Heizkraftwerk Nord in Unterföhring ist seit Jahren zwischen der Gemeinde und den Stadtwerken München als Betreiberin umstritten.

Das Heizkraftwerk Nord in Unterföhring ist seit Jahren zwischen der Gemeinde und den Stadtwerken München als Betreiberin umstritten.

(Foto: Robert Haas)

Mit einer Änderung des Bebauungsplans schreibt die Gemeinde den Stadtwerken vor, am Standort Unterföhring nur noch Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen zu dürfen.

Von Irmengard Gnau, Unterföhring

In der Debatte um die Zukunft des Heizkraftwerks Nord, das die Stadtwerke München in Unterföhring betreiben, hat sich die Gemeinde Unterföhring jetzt noch einmal klar positioniert: Der Gemeinderat billigte einmütig einen neuen Bebauungsplan für das Gelände rund um das Heizkraftwerk; dieser legt fest, dass von nun an dort nur noch Anlagen neu errichtet werden dürfen, wenn diese erneuerbare Energien nutzen.

Damit unterstreicht die 11 000-Einwohner-Kommune aus dem Landkreis München ihre eigenen Ansprüche, sich im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit versorgen zu wollen. Gleichzeitig schränkt sie die Möglichkeiten der Stadtwerke München (SWM) als Betreiberin des Heizkraftwerks in ihrem Sinne ein.

Das Heizkraftwerk Nord in Unterföhring nördlich des Föhringer Rings ist seit 1964 in Betrieb. Es versorgt Haushalte und Betriebe im Münchner Norden und Nordwesten mit Fernwärme sowie das Dampfnetz Innenstadt und wird außerdem für die Stromgewinnung genutzt. Zwei der drei Heizkraftblöcke dienen der Müllverbrennung, einer - der Block 2 - wird seit 1991 mit Steinkohle betrieben.

Ein Bürgerentscheid 2017 hat den baldigen Ausstieg aus der Kohleverbrennung festgelegt; da die Bundesnetzagentur den Block 2 jedoch als systemrelevant für die Stromversorgung einstuft - zumindest bis ein neues, stabiles Leitungsnetz Strom von Nord- nach Süddeutschland transportieren kann - kann dieser nicht einfach stillgelegt werden, sondern braucht einen Ersatz.

Den Bau mehrerer dezentraler Gaskraftwerke über das Münchner Stadtgebiet verteilt lehnten die einzelnen Bezirksausschüsse ab. Der Idee der SWM, ein neues, großes Gaskraftwerk neben dem Heizkraftwerk Nord zu errichten, hat wiederum die Gemeinde Unterföhring vehement widersprochen.

Anfang des Jahres hatten die Stadtwerke überraschend angekündigt, entgegen bisheriger Aussagen den Block 2 mit verantwortbarem Aufwand von Kohle auf Gasverbrennung umstellen zu können und dies bereits zur bevorstehenden Heizperiode im Herbst 2022. Nach dem Angriff des russischen Regimes auf die Ukraine hat der Münchner Stadtrat eine solche Umstellung jedoch auf Anregung der SWM auf frühestens Herbst 2023/24 verschoben.

Ein neues Gaskraftwerk wäre nicht zulässig, die verbrannte Abfallmenge dürfte nicht erhöht werden

Mit dem Bebauungsplan für das Gelände rund um das Heizkraftwerk will die Gemeinde Unterföhring nun weiteren aus Sicht der Gemeinde unerwünschten Ausbauten am Heizkraftwerk einen Riegel vorschieben. Der Bebauungsplan "Energieerzeugung Unterföhring Süd" setzt ein Sondergebiet zur Energiebereitstellung fest, in dem aber nur Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien entstehen dürfen, keine Anlagen für die Verbrennung fossiler Rohstoffe. Ein neues Gaskraftwerk wäre also beispielsweise nicht zulässig.

Die bestehenden Anlagen des Heizkraftwerks Nord, einschließlich dem Block 2, sind schon seit Jahrzehnten genehmigt und genießen daher Bestandsschutz. Allerdings erlaubt der Bebauungsplan grundsätzlich keine Änderungen an den Anlagen, das heißt, der Block 2 dürfte nur im Rahmen der bestehenden Genehmigung von einem Kohlekessel in einen Erdgaskessel umgebaut werden. Auch die Abfallmenge, die in den Blöcken 1 und 3 verbrannt wird, soll nicht erhöht werden dürfen; derzeit gehen Experten von etwa 700 000 Tonnen Müll pro Jahr aus.

Mit diesen Vorgaben greift der Unterföhringer Bebauungsplan in die Möglichkeiten der Betreiber des Heizkraftwerks ein. Das sei aber unter bestimmten Umständen gerechtfertigt, argumentieren die rechtlichen Berater der Gemeinde, die Rechtsanwälte Martin Spieler und Lukas Muffler einer Münchner Kanzlei. Dann nämlich, wenn es für die SWM technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei, ihren Betrieb auf erneuerbare Energien umzustellen. Und das sei der Fall, ist Unterföhring überzeugt: Für die Stadtwerke gebe es ausreichend andere Möglichkeiten, die benötigte Energie zu erzeugen.

Der Wirtschaftsingenieur Helmut Paschlau, der lange Jahre selbst bei Stadtwerken und Abfallbetrieb München beschäftigt war und die Gemeinde Unterföhring seit 2018 fachlich in Energiefragen berät, hat in einem Gutachten für die Gemeinde zwölf verschiedene Varianten durchgespielt, wie die SWM auf dem Gelände des Heizkraftwerks genehmigungsfähig Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen könnten - über eine Kombination von Biomasse- und Geothermieanlagen zum Beispiel, über Wasserstoffanlagen, Wärme- und Stromspeicher, Photovoltaik oder einen kleinen Windpark. Paschlaus selbst favorisiert eine Geothermieanlage im Süden des Geländes für die Wärmeerzeugung kombiniert mit einem großen Holzkraftwerk zur Stromgewinnung.

Die Stadtwerke hatten selbst 2021 einen Vorschlag für alternative Energiegewinnung auf dem Gelände des Heizkraftwerks vorgelegt, über die Nutzung von Geothermie, Biomasse, Photovoltaik und Strom-Heizkesseln. Dieses Alternativkonzept habe der Münchner Stadtrat zwar zur Kenntnis genommen, allerdings nicht beschlossen, sagt Paschlau. Er gibt zu bedenken: "Wenn die Systemrelevanz des Blocks 2 im Jahr 2028/2030, wenn die Nord-Süd-Leitungen stehen, entfällt, ist der Beweis erbracht, dass der Block 2 nicht mehr nötig ist - weil dann genug Strom nach Bayern fließt." Daher müsse man sich bei den Planungen für einen Ersatz des Blocks auch nicht sklavisch an der jetzigen Wärme- und Stromleistung orientieren.

In den kommenden Wochen können Beteiligte eine Stellungnahme zum Unterföhringer Bebauungsplan abgeben. Auf die Reaktion der Stadtwerke München dürfte man im Unterföhringer Rathaus gespannt warten.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Nachhaltig leben
:So klappt es auch ohne Auto

Selbst in München haben immer noch viele Menschen einen eigenen Wagen. Dabei gäbe es so viele Alternativen, die bezahlbar sind und noch dazu die Umwelt schonen. Ein Überblick.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: