Unterföhring:Gnadenfrist für das Zindlerhaus

Unterföhring: Das Zindlerhaus.

Das Zindlerhaus.

(Foto: Robert Haas)

Die Gemeinde Unterföhring vermietet ein weiteres Atelier in dem ehemaligen Bahnwärterhäuschen. Das historische Gebäude, das dem Neubau eines Kindergartens weichen soll, bleibt demnach mindestens ein Jahr stehen. Die SPD setzt sich inzwischen dafür ein, es dauerhaft zu erhalten.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Die Freunde des Unterföhringer Zindlerhauses können aufatmen - zumindest ein bisschen. Denn die Gemeinde ist gerade dabei, in dem mehr als hundert Jahre alten Gebäude, das in Folge der Planungen für die neue Ortsmitte weichen soll, ein kleines Atelier zu vermieten. Zwei Künstler, Maria Ester De la Vega und Zuheir Darwisch, arbeiten bereits in dem Haus. Im Erdgeschoss ist die Palliativberatung der Caritas untergebracht.

Der acht Quadratmeter große Raum im ersten Stock des ehemaligen Bahnwärterhäuschens, der bislang von Della Vega belegt wurde, ist von 1. Juli an zu nutzen, wie es in der Ausschreibung der Gemeinde heißt. Die Mietdauer beträgt zwölf Monate - mit optionaler Verlängerung um ein Vierteljahr. Will heißen: Mindestens weitere 15 Monate lang könnte das Zindlerhaus also stehen bleiben, unter Umständen sogar länger, wenn das Landesamt für Denkmalschutz sein Veto gegen den Abbruch einlegen sollte.

Bislang haben die Fachleute aus der Behörde das Bauwerk in Unterföhring noch nicht begutachtet. Wie Sprecherin Dorothee Ott berichtet, soll in den nächsten Wochen eine Begehung des Objekts am Bahnhof stattfinden. Auf den Plan gerufen wurden die Denkmalschützer durch die seit Wochen geführte Diskussion um den Erhalt des Zindlerhauses in der Kommune. Das schmucke Häuschen liegt ganz im Norden des Plangebiets für die künftige Ortsmitte und soll dem Neubau einer Kinderkrippe weichen. Der Unterföhringer Gemeinderat hatte den Abriss mit seinem Ja zu den Entwürfen für das Ortszentrum in Bahnhofsnähe im vergangenen Herbst einstimmig besiegelt. Seit dem ersten Spatenstich für die neue Mitte ebbt allerdings der Diskurs um einen etwaigen Erhalt des Hauses nicht ab.

Vor allem ältere Unterföhringer kritisieren den Plan des Gemeinderats, das Zindlerhaus abzubrechen und an dieser Stelle gegenüber dem Bahnhofsgebäude einen Ersatzbau für die derzeit an der Föhringer Allee situierte integrative Kindertagesstätte zu errichten. Allen voran Altbürgermeister Franz Schwarz (SPD) und Josef Trundt, der Sprecher der lokalen Agenda am Ort. Und auch die Sozialdemokraten im Gemeinderat rudern nun zurück. Die Fraktion hat am 18. Mai einen Antrag auf den Erhalt des Zindlerhauses am Bahnhof gestellt.

Vor der Entscheidung muss sich das Denkmalamt äußern

Wenn es nach der SPD geht, soll der Standort für die Kita noch einmal eingehend überprüft werden. Die Fraktion beantragt deshalb, dass die Gemeinde eine Vorentwurfsplanung für die Kinderkrippe in Auftrag gibt, in der das Zindlerhaus bestehen bleiben kann. Zudem solle die Lärmbelastung an der verkehrsreichen Ecke Bahnhofstraße/Am Bahnhof und die Parkplatzsituation für Beschäftigte und Eltern untersucht werden, heißt es in dem Antrag: "Der Erhalt des ehemaligen Bahnwärterhauses muss sichergestellt werden." Gleichzeitig müssten alternative Standorte für die Kita im Planungsgebiet gesucht werden.

Unterföhring: Das Zindlerhaus liegt im Nordosten der künftigen Unterföhringer Ortsmitte und soll der Kindertagesstätte weichen. Grafik: Gemeinde Unterföhring

Das Zindlerhaus liegt im Nordosten der künftigen Unterföhringer Ortsmitte und soll der Kindertagesstätte weichen. Grafik: Gemeinde Unterföhring

Noch hat der Gemeinderat sich nicht mit diesem Antrag befasst. Wie Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft Unterföhring, PWU) sagt, soll erst einmal der Termin mit den Denkmalschützern abgewartet werden und deren Expertise. "Ich muss wissen, wohin der Weg geht", sagt der Rathauschef. Er jedenfalls bezweifelt, dass die Planer der neuen Ortsmitte einen anderen Platz für die Krippe finden werden. Man habe bereits alles ausgelotet, versichert Kemmelmeyer.

Angesichts dessen, was auf dem ehemaligen Bahog-Gelände laut Beschluss der Kommunalpolitiker alles untergebracht werden soll, müsse man an der Idee festhalten, die Kita auf dem Zindlerhaus-Grundstück neu zu bauen. Volks- und Musikschule, Rathaus, Geschäfte und Gastronomie, Praxen und Wohnungen - wo, wenn nicht im äußersten Norden des Umgriffs der Ortsmittenplanung könne die Kita entstehen, fragt der Bürgermeister.

"Wir reden nicht von einem historischen Bahnhof."

Bis auf die SPD halten alle anderen Fraktionen im Gemeinderat das Zindlerhaus für nicht erhaltenswert. "Wir reden doch nicht von einem historischen Bahnhof, wie es ihn in anderen Gemeinden gibt", sagt CSU-Sprecher Manfred Axenbeck. Vergleiche mit der Pfarrvilla aus dem Jahr 1901, die von der Kommune aufwendig restauriert wurde und ein Schmuckstück an der Münchner Straße darstellt, verbieten sich seiner Meinung nach von selbst. "Der Abbruch ist notwendig, der Keller ist sowieso schimmlig und modrig", sagt Axenbeck und erinnert daran, dass er einen Abriss bereits in der Amtszeit von Altbürgermeister Schwarz für richtig gehalten hätte.

Philipp Schwarz

Umgedacht hat die SPD im Unterföhringer Gemeinderat, was das Zindlerhaus angeht. Fraktionssprecher Philipp Schwarz hat den Antrag zum Erhalt des Gebäudes gestellt

(Foto: Lukas Barth)

2008 hatte der heutige Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer, damals noch PWU-Fraktionsvorsitzender, den Antrag gestellt, das Gebäude abzureißen. Die damalige Gemeinderatsmehrheit hatte sich allerdings für den Erhalt und eine Renovierung des Objekts ausgesprochen. Nun steht es allerdings den Plänen für die Ortsmitte im Weg.

Ideen, wie zum Beispiel die Kita im Rathaus unterzubringen, seien aus gutem Grund verworfen worden, sagt Bürgermeister Kemmelmeyer. Nicht nur wegen der Mitarbeiter, sondern auch wegen eines Zaunes, der für die Freiflächen der Inklusions-Tagesstätte hätte gebaut werden müssen. "Von einer offen gestalteten Ortsmitte wäre da nicht mehr viel geblieben", so Kemmelmeyer. Auch für die Grünen gibt es keine Alternative zum Abbruch; ebenso für die PWU-Fraktion.

Für die SPD-Fraktion war nach den Worten von Sprecher Philipp Schwarz "oberste Priorität", dass die integrative Krippe an der Föhringer Allee einen Platz im neuen Ortszentrum bekommt. "Wo hätten wir eine solche Krippe sonst realisiert?", fragt Schwarz, räumt allerdings ein, dass die SPD notgedrungen zugestimmt habe, auch "um nicht immer als Nörgler und Blockierer zu gelten". Allerdings sei man der Meinung gewesen, dass die Lage am verkehrsreichsten Eck des Planungsgebiets für die Kinder der schlechteste Platz sei. "Mit etwas mehr Fantasie hätte in dem sehr großen Gebiet sicher ein viel besserer Standort für die Krippe gefunden werden können", glaubt Schwarz - mit dem Nebeneffekt, das Zindlerhaus zu erhalten, was seinen Vater, den Altbürgermeister wohl freuen würde. Für diesen stellt das frühere Bahnwärterhäuschen ein Kleinod dar, auch wenn das Haus 2010 nicht komplett restauriert wurde.

Von außen ist das Bauwerk tatsächlich hübsch anzusehen, wie es da mit seiner renovierten gelben Fassade und den grünen Fensterläden in einem großzügigen Garten steht und Zeugnis gibt vom alten Unterföhring, vom dem an der Grenze zum Gewerbegebiet östlich der S-Bahn nichts mehr übrig ist. Und auch die Räumlichkeiten im Erdgeschoss und im ersten Stock sind einladend, seitdem die Gemeinde das Gebäude in der Amtszeit von Franz Schwarz für mehr 100 000 Euro hat herrichten lassen. In den Keller oder aber auf den Speicher sollte man sich besser nicht wagen. Dort sieht es ziemlich trostlos aus: kein Licht, dichte Spinnweben, Moder und Schimmel an den Wänden. Schwarz nennt das Herrichten der Räume im Erdgeschoss und im ersten Stock den "kleinsten gemeinsame Nenner", auf den man sich damals im Gemeinderat habe einigen können.

Sollten die Denkmalschützer nach ihrem in den nächsten Wochen anstehenden Besuch in Unterföhring zu dem Schluss kommen, das Zindlerhaus sei erhaltenswert, werden die Kommunalpolitiker noch einmal reden müssen. Darüber, wo die Kita gebaut werden soll, - und darüber, ob Keller und Speicher des mehr als 100 Jahre alten Bahnwärterhäuschens nicht doch saniert werden müssen, um den inneren Verfall zu stoppen.

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