Unterföhring zählt zu den wohlhabendsten Kommunen im Landkreis München und im ganzen Freistaat. Regelmäßig landet die Gemeinde bei den Bestenlisten in Sachen Steuerkraft ganz oben. Im Landkreisvergleich lag Unterföhring lange Zeit bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer nah bei Grünwald; die Corona-Pandemie hat diese Zahlen etwas verzerrt, doch das große Bild bleibt erhalten. Und das, obgleich Unterföhring - wie die meisten Kommunen um Norden des Landkreises - mit 330 Prozent einen deutlich höheren Hebesatz für die Gewerbesteuer ansetzt als es Grünwald (240 Prozent) und mehrere viel Kommunen (Pullach 260 Prozent, Gräfelfing 250 Prozent, Oberhaching 250 Prozent) tun. Robert Beckerbauer leitet seit Anfang 2020 die Kämmerei in Unterföhring. Hebesatzdumping brauche es nicht, sagt er.
SZ: Wie gelingt es Kommunen wie Unterföhring trotz eines Gewerbesteuerhebesatzes von 330 Prozent für Unternehmen so attraktiv zu sein wie sie es offensichtlich sind, Herr Beckerbauer?
Robert Beckerbauer: Der Hebesatz allein ist nicht das Entscheidende. Das beste Beispiel dafür ist die Stadt München: Die hatte im vergangenen Jahr Rekordgewinneinnahmen aus der Gewerbesteuer, und das mit einem Hebesatz von 490 Prozent. Harte und weiche Standortfaktoren sind wichtig bei der Frage, ob sich eine Firma in einer Kommune ansiedelt.
Wo sehen Sie die zentralen Standortfaktoren der Gemeinde Unterföhring?
Ende 2020 hatten wir in Unterföhring 24 400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die muss man erst einmal unterbringen. Das heißt, eine Kommune muss erst einmal passende Flächen haben für Firmen - Firmen, die reale Betriebssitze haben und nicht nur ein virtuelles Büro. Ein Plus für uns ist sicherlich, dass wir noch innerhalb der M-Zone des Münchner ÖPNV liegen und sehr gut erreichbar sind. Zudem haben wir wie viele Kommunen rund um München die 089-Vorwahl, das schätzen auch viele Firmen. Bei uns haben Unternehmen außerdem den Vorteil, dass in einer 11 000-Einwohner-Gemeinde die Wege ins Rathaus oder zur Verwaltung kürzer sind im Vergleich zur Landeshauptstadt. Wenn gewachsene Strukturen da sind, wie beispielsweise in Unterföhring als etablierter Versicherungs- und Medienstandort, siedeln sich rund um Schwergewichte gern auch Zulieferer oder weitere Firmen an. Und einen Firmensitz mit 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie den der Allianz in Unterföhring verlegt man dann auch nicht so einfach.
Wie wichtig sind die weichen Standortfaktoren, die Sie angesprochen hatten?
Es wird für Unternehmen immer wichtiger, ihren Mitarbeitern eine gute Work-Life-Balance bieten zu können. Da haben wir hier in München und Umgebung natürlich einiges zu bieten, von breiten Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder bis hin zum Kultur- und Freizeitangebot. Da profitieren wir sicherlich auch von der Nähe zur Stadt München. Es ist ja kein Zufall, dass sich um große Städte Speckgürtel bilden.
Wie geht man unter den Kommunen mit Konkurrenz um Betriebe um? Betrachtet man die Verteilung der Gewerbesteuerhebesätze im Landkreis, fällt auf, dass die Kommunen im Norden recht einheitlich einen Hebesatz von 330 Prozent haben. Unterschleißheim, Garching, Unterföhring, Ismaning (alle 330 Prozent) und Oberschleißheim (350 Prozent) gehören - gemeinsam mit Neufahrn, Hallbergmoos und Eching - zur Nordallianz. Wie wichtig sind solche Zusammenschlüsse, um sich als Wirtschaftsstandort zu profilieren?
Wenn man sie pflegt, sind solche Allianzen sehr wichtig. Die Nordallianz ist etwas Besonderes, das gibt es nicht überall. In diesem Rahmen kann man sich auch in solchen Fragen absprechen oder sich zumindest gegenseitig informieren, wenn Änderungen bei Hebesätzen geplant sind. Das gebietet die Fairness den Nachbarn gegenüber. Insgesamt aber ist die Festsetzung der Gewerbesteuer das ureigenstes Recht der jeweiligen Kommune.
Die Gemeinde Grünwald sieht sich aktuell Vorwürfen ausgesetzt, sie würde Briefkastenfirmen anziehen, die ihren eigentlichen Standort woanders haben und nur von der niedrigen Gewerbesteuer profitieren wollen. Sehen Sie auch die Kommunen in der Pflicht, Firmen bei Ansiedlungen zu überprüfen oder lediglich die Finanzämter?
Wenn die Finanzämter nicht überprüfen, ob ein echter Standort vorliegt, ist die Versuchung für Firmen natürlich groß, sich in einer Gemeinde mit niedrigen Hebesätzen anzusiedeln. Dieser Zusammenhang besteht übrigens schon länger, er ist nur jetzt durch den Fall Andrea Tandlers und der Maskenaffäre in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Ich glaube, man sollte nicht fordern, dass die Kommunen Firmen überprüfen. Die Kommunen müssten sich ja ins eigene Fleisch schneiden. Ich sehe da eindeutig die Finanzbehörden in der Pflicht. Klar ist aber auch: Die Finanzbehörden sind nach derzeitigem Stand unterbesetzt. Da muss dringend nachgebessert werden.