SZ-Schulratgeber:Ende nach vier Klassen

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Unterföhringer Kinder müssen nach der Grundschule in einen Nachbarort fahren, um weiter zu lernen, ganz egal, welchen Abschluss sie anstreben. Das große Ziel ist, ein Gymnasium am Ort zu bekommen.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Vier Klassen. Und dann ist Schluss. Die Buben und Mädchen aus Unterföhring werden in alle Winde verstreut. Die einen gehen nach Garching aufs Gymnasium oder nach München. Die anderen besuchen die Realschule in Ismaning oder die dortige Mittelschule. Eines haben die Unterföhringer Kinder gemeinsam. Kaum zehn Jahre alt, verlassen sie ihre Heimatgemeinde, um ihre Schullaufbahn anderorts fortzusetzen.

In Unterföhring geht es für sie nicht weiter. Nach vier Klassen Grundschule müssen sie weg. Denn es existiert keine weiterführende Schule. Bis zum Sommer 2005 hat es in der Kommune an der Münchner Stadtgrenze immerhin noch eine Teilhauptschule gegeben. Kinder, die nach der 4. oder 5. Klasse nicht ins Gymnasium oder Realschule wechselten, konnten noch zwei Jahre lang in Unterföhring lernen, ehe sie sich dann auf den Weg nach Ismaning machen mussten, um dort ihren Abschluss an der Ismaninger Hauptschule, wie die Mittelschule damals noch hieß, abzulegen. Das ist mittlerweile zehn Jahre her.

Unterföhring ist mit mehr als 11 000 Einwohnern die größte der insgesamt fünf Kommunen im Landkreis München, wo es nur eine Grundschule gibt. Während Aying, Baierbrunn, Putzbrunn und Sauerlach dem Vernehmen nach ganz gut mit der bestehenden Situation leben können, kämpfen die Unterföhringer seit fast sieben Jahren um die Ansiedlung eines Gymnasiums.

Die Zeit im Bus fehlt den Kindern am Nachmittag

Bislang allerdings vergeblich, was die Lokalpolitiker im kinderreichsten Ort des Landkreises zunehmend stresst und zudem Auswirkung auf das Gemeindeleben hat: Bei Kindern, die nach der 4. Klasse eine Schule andernorts besuchen, verlagert sich der Lebensmittelpunkt dorthin, wo man zur Schule geht. Die Zeit für den Heimweg, den die Kinder im Schulbus, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad antreten, fehlt ihnen vielfach, um in die örtliche Musikschule zu gehen oder sich Vereinen anzuschließen.

Die Idee, im Norden des Landkreises München nach Garching, Kirchheim sowie Unterschleißheim ein weiteres Gymnasium zu bauen, stammt aus dem Dezember 2007; die Liberalen bringen das Thema auf; anfangs wird der Vorschlag, entweder in Unterföhring oder in Ismaning eine Oberschule anzusiedeln, von vielen Seiten belächelt. Auch in den genannten Kommunen wollen die Lokalpolitiker nicht wirklich etwas davon hören.

Doch im Sommer 2008 beginnt dann das Ringen der beiden Nachbarn - jede Gemeinde will Standort werden. Grundstücke werden vorgehalten, Verbündete gesucht. Ismaning hört sich im nahen und an der Flughafen-S-Bahn liegenden Hallbergmoos (Landkreis Freising) um, Unterföhring wirbt in München um Unterstützung. Und argumentiert, dass es am Ort ja nur eine Grundschule gebe, während die Ismaninger sowohl Mittel-, als auch Realschule ihr eigen nennen.

Das Kultusministerium zweifelt am Bedarf

Das Kultusministerium beobachtet das Werben im Landkreis München zunächst mit Skepsis, man sieht den Bedarf nicht wirklich. Das Landratsamt liefert Zahlen, es werden Prognosen zu Schülerzahlen angestellt und der Kreistag legt nach: Im Sommer 2010 wird beschlossen, beiden Gemeinden ein Gymnasium zu geben, zusätzlich zu einem Neubau in Garching. Zwei Jahre später fällt die Standortentscheidung im Kreistag. Ausgerechnet im Bürgerhaus von Unterföhring votieren 30 Kreisräte für Ismaning, 29 für Unterföhring. Der Doppel-Beschluss gilt weiter: Nach Ismaning soll in ein paar Jahren auch Unterföhring sein Gymnasium bekommen. Echte Signale, dass es für die Stadtrandkommune nun bald soweit sein könnte, gibt es nicht.

Die Unterföhringer hoffen weiter, die Ismaninger arbeiten gerade daran, ein ehemaliges Schulungszentrum zum Gymnasium umzufunktionieren. Bereits diesen Herbst könnten Übergangsklassen für die neue Oberschule gebildet werden, heißt es in der Gemeinde. Derweil harren die Unterföhringer der Dinge - und werden nicht müde, den Landtagsabgeordneten und Vize-Landrat Ernst Weidenbusch (CSU) an sein Versprechen zu erinnern.

Nach den Worten von Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU) hat Weidenbusch jüngst wieder verlauten lassen, dass 2017 das Mediengymnasium in Unterföhring seine Pforten öffnen könne. "An unserer Gemeinde und dem Gemeinderat wird der Start sicher nicht scheitern", sagte Kemmelmeyer. Angesichts der aktuell sechs ersten Klassen sei diese weiterführende Schule "mehr als überfällig für Unterföhring".

Es dürfe nicht wieder die Chance vertan werden, in der kinderreichsten Gemeinde eine Oberschule zu errichten. Aktuell besuchen 447 Buben und Mädchen die 19 Klassen der Grundschule am Ort. Für die Viertklässler heißt es bald Abschied nehmen: Zu Beginn des neuen Schuljahrs im September müssen sie Unterföhring zumindest schulmäßig den Rücken kehren. Dann geht es zum Pauken woanders hin.

© SZ vom 09.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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