Süddeutsche Zeitung

Kurzfilme:Geschichtenerzähler unter sich

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Beim Bayerischen Landesfilmfestival in Unterföhring treffen sich Amateurfilmer aus dem ganzen Freistaat, um ihre Werke zu zeigen und darüber diskutieren. Der Saal ist voll, doch Außenstehende und vor allem junge Leute sind deutlich in der Minderheit.

Von Sophia Coper, Unterföhring

Über Stock und Stein gleitet der Blick durch die Kamera, schwenkt über die Ötztaler Alpen hinweg und verharrt schließlich bei einer kleinen Hütte. Seit Jahrzehnten dokumentiert die Messtation am Vernagtferner glaziologische Veränderungen. Über die dort gesammelten Daten sei bereits viel berichtet worden, doch noch nie habe jemand den Alltag auf der Hütte gezeigt, bedauert eine Stimme aus dem Off. "Doch das hole ich jetzt nach", tönt es munter weiter.

Erich Heuckes 20-minütiger Dokumentarfilm "Hüttenleben am Vernagtferner" ist einer von 34 Beiträgen, die im Rahmen des 4. Bayerischen Landesfilmfestivals (LFF) am Wochenende im Unterföhringer Volkshochschulzentrum über die Leinwand flimmerten. Die Filme stammen alle von Amateurinnen und Amateuren, die bei dieser Gelegenheit ihre Werke einem breiten Publikum zeigen und sich der Kritik stellen können. Alle Filme werden von einer Fachjury öffentlich diskutiert und bewertet, inhaltliche Details kommen dabei ebenso zur Sprache wie handwerkliche Feinheiten. Um den unterschiedlichen Genres gerecht zu werden, gibt es vier gleichwertige erste Plätze. Gewonnen haben dieses Jahr "Drud" von Florian Ecker und Dalma Dömötör, "Der Prozeß" von Reiner Urban, "24, die etwas andere Basketballdoku" von Christian Schöfer sowie "Gratismut" von Marcus Siebler. Den Publikumspreis erhielt "Alles im Griff" von Klaus Fleischmann.

Am ersten Tag des Festivals ist der Andrang im Volkshochschulzentrum groß. Rund 60 Menschen sind gekommen, die Sitzgelegenheiten müssen aufgestockt werden. Die meisten Anwesenden kennen sich, haben selbst Filme eingereicht und wispern während den Vorführungen fachkundig miteinander. Mitten im Gemenge schwirrt Adalbert Becker herum, der als Präsident des Landesverbands Film und Video Bayern (LFVB) — dem Veranstalter des LFF — durch das Festival leitet und moderiert.

"Amateur bedeutet Liebhaber. Das sind Leute, die ohne viel Geld und Ausbildung Filme machen wollen und wir als Landesverband geben ihnen eine Plattform, wo sie sich messen können", erklärt Becker die zugrunde liegende Motivation. Frei von ökonomischen Zwängen zu sein, habe auch durchaus seine Vorteile, so Becker. "Manche Projekte sind im kommerziellen Bereich einfach nicht leistbar", sagt er und weist auf Heuckes Dokumentarfilm hin, der in einem Zeitraum von über 30 Jahren gedreht wurde. Auch spiegele sich der weisungsungebundene Zugang in der Bandbreite des Programms wider. "Von Regenwurm bis Universum ist alles dabei", so Becker. "Ich bin jedes Mal erneut baff, was die Autoren und Autorinnen so draufhaben."

In der Tat punktet das LFF mit einem bunten Blumenstrauß an Beiträgen. Neben Dokumentationen über ferne Reiseländer oder das Brutverhalten eines Käfers, gibt es auch fiktionale Filme über Märchengestalten oder den Nürnberger Prozess. Manche Einsendungen überzeugen durch ihre handwerkliche Versiertheit, andere hingegen sind originell komponiert oder liebevoll erzählt. Allen Filmen gemein ist jedoch eine Faszination für die Welt in ihren unterschiedlichen Facetten. Mit Liebe zum Detail werden badende Füße gezeigt oder akribisch dokumentiert, wie Schiffe über Schienen gezogen werden. "Wir sind Geschichtenerzähler", bestätigt Präsident Adalbert Becker, "und mit dem LFF wollen wir die Autoren und Autorinnen motivieren, weiterzumachen."

Andreas Bierl ist bereits zum zweiten Mal in Folge mit einem Wettbewerbsbeitrag vertreten. "Ich schmeiße einfach alles rein, was geht", erzählt er. Bierl arbeitet eigentlich als Instrumentallehrer für Gitarre, künstlerische Prozesse sind ihm also vertraut. Dennoch sei eine Filmproduktion ein anderes Kaliber. "Es steckt einfach wahnsinnig viel dahinter. Von Ton und Musik bis hin zur Bildgestaltung und Beleuchtung muss man alles meistern", schwärmt Bierl, er genieße es, kreativer Schöpfer einer Geschichte zu sein.

Auch wenn beim LFF sechs Beiträge von Jugendlichen eingereicht wurden, weist ein kurzer Blick durch die Stuhlreihen auf ein eher ergrautes Publikum hin. "Wir haben durchaus ein Generationenproblem und brauchen dringend Nachwuchs", räumt Präsident Adalbert Becker ein. Mit dem kostenlosen Eintritt für das zweitägige Festival erhoffe sich der Verband, Interessierte anzulocken, die bislang wenig in Kontakt mit der Amateurfilmproduktion gekommen seien. "Unser Vorsatz ist nicht unbedingt Mitglieder zu rekrutieren, sondern ein junges Publikum neu zu begeistern", betont Becker und sagt: "Zeigt uns eure Filme und wir diskutieren darüber!"

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