Unter Verdacht:Landeskriminalamt ermittelt gegen Polizisten aus Grünwald

Unter Verdacht: Ziel interner Ermittlungen: die Polizeiinspektion in Grünwald, die von Beamten des LKA durchsucht wurde.

Ziel interner Ermittlungen: die Polizeiinspektion in Grünwald, die von Beamten des LKA durchsucht wurde.

(Foto: Claus Schunk)

"Da gerät die Welt ins Wanken": Die Ermittlungen gegen einen leitenden Beamten aus Grünwald wegen Vorteilsannahme schockieren den Ort.

Von Michael Morosow und Claudia Wessel, Grünwald

Krimi-Fans ist Grünwald vor allem durch den Fernsehkommissar Derrick bekannt, der vorzugsweise in den Villen der Schönen und Reichen ermittelte. Im wirklichen Leben erschöpft sich die Kriminalität in dem Münchner Promi-Vorort vor allem in kleinen Sündenfällen wie Alkohol am Steuer oder Diebstahl von Unterwäsche, so wöchentlich im Isar Anzeiger zu lesen, der den unterhaltsamen Bericht aus der örtlichen Inspektion abdruckt. Dass diese einmal selbst im Fadenkreuz der Ermittler stehen könnte, das war für viele Grünwalder bis Dienstag undenkbar.

Da meldete das Polizeipräsidium München, dass gegen einen Beamten ermittelt werde. Der Kollege steht im Verdacht, unerlaubt wertvolle Geschenke angenommen zu haben. Die Suspendierung des leitenden Grünwalder Polizisten hat sich am Mittwoch in der Gemeinde herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Niemand im Ort, der nicht darüber redet, wie FDP-Gemeinderat Michael Ritz bestätigt. Die einhellige Reaktion: ungläubiges Staunen über die Vorwürfe gegen den ortsbekannten und von allen als ausgesprochen nett empfundenen Beamten. Zugleich herrscht großes Rätselraten: "Was kann er bekommen und dafür gegeben haben?"

Die Bild-Zeitung berichtet von Champagner als Geschenk. Noch ist alles nur ein Verdacht, doch angesichts der Razzia in der Inspektion sowie bei dem Polizisten zu Hause und bei fünf weiteren Zeugen bezweifeln befragte Grünwalder, dass es um so etwas "Harmloses" geht. "Es muss was Heftiges gewesen sein", ist Ritz überzeugt. "Ich bin schockiert und habe natürlich kein Verständnis für Vorteilsnahme im Amt", sagt Ritz, dessen Menschenbild erschüttert ist. Er habe den Beamten sehr geschätzt und auch dessen Arbeit, sagt er. "Grünwald ist einer der sichersten Orte."

Ähnlich anerkennend äußert sich SPD-Gemeinderat Achim Zeppenfeld: "Als Gemeinderat habe ich ihn gut kennengelernt. Wir haben oft und viel geredet und er war immer kompetent und korrekt. Vorteilsnahme im Amt kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen." Ebenso geht es Grünen-Gemeinderätin Ingrid Reinhart. "Da gerät jetzt schon die Welt ein bisschen ins Wanken", sagt sie. "Ich habe über Jahre mit ihm zusammengearbeitet, vor allem auch als Leiterin des Helferkreises in Sachen Flüchtlingen, und fand ihn immer sehr besonnen und aufgeschlossen. Er war das Idealbild eines guten Polizisten für mich, wirkte wie ein vollkommen integrer, aufrechter Beamter."

"Da bin ich gelinde gesagt mehr als überrascht", sagt auch Dietmar Jobst, Gemeinderat der Parteifreien. Ihm fehlen für einen Moment die Worte, als er am Mittwoch von dem Fall erfährt. Menschlich gesehen finde er das Ganze "mehr als bedauerlich".

Das ist ein kompetenter Polizist

Aus allen Wolken fällt auch Kirstin Lauer, die Geschäftsführerin des Anzeigen- und Informationsblatts Isar Anzeiger, in dem regelmäßig der bei vielen Lesern beliebte Polizeibericht des Beamten veröffentlicht wird. Die nächste Ausgabe für Grünwald und Pullach erscheint kommende Woche Donnerstag. Vor wenigen Tagen habe man ihr mitgeteilt, dass der Autor für zwei Wochen in Urlaub sei. Daraufhin habe sie für die zwei nächsten Ausgaben die Rubrik nicht eingeplant.

Da die Inspektion nun selbst im Visier der Ermittler ist, muss Lauer möglicherweise länger auf den Beitrag verzichten. "Das war unser Highlight", sagt sie und betont, dass sie den betreffenden Polizisten natürlich nur von seiner besten Seite kenne. "Das hätte ich ihm nicht zugetraut", sagt Ludwig Rieger, der Sohn des einstigen Bürgermeisters Franz Rieger. Ihm habe man den Namen des Polizisten schon am Dienstagvormittag zugeflüstert, noch bevor das Münchner Präsidium mit der Nachricht in eigener Sache an die Öffentlichkeit ging. Doch habe er es einfach nicht glauben wollen. Angesichts der Umstände, etwa der Hausdurchsuchung bei insgesamt fünf aktiven oder ehemaligen Polizisten, glaubt Rieger inzwischen nicht, dass der Beamte alleine gehandelt hat.

"Ach Gott, das tut mir leid, das ist ein kompetenter Polizist", entfährt es Hans Sienerth, dem parteifreien Bürgermeister der Gemeinde Straßlach-Dingharting, die neben Pullach und Baierbrunn zum Zuständigkeitsbereich der Grünwalder Polizeiinspektion gehört. Für den Fall, dass es tatsächlich nur um Champagner gegangen sein sollte, fände er die Strafverfolgung aber lächerlich. Dazu falle ihm ein Urteil gegen einen Bürgermeister ein, der drei Flaschen Wein angenommen habe. Bis zu zwei Flaschen Wein wären okay gewesen, habe der Richter geurteilt, so Sienerth.

Unterhachings Polizeichef Stefan Schraut will sich über seinen Grünwalder Kollegen nicht äußern. Er verweist stattdessen auf die Compliance-Richtlinien, die für alle Dienststellen gelten. Danach dürfen grundsätzlich keinerlei Geschenke angenommen werden. Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Laut Landeskriminalamt, das die Ermittlungen übernommen hat, steht man bei dem Fall erst am Anfang. Je nach Schwere des Vergehens sind straf- oder nur disziplinarrechtliche Konsequenzen möglich. Auf die Spur gebracht wurden die Ermittler durch einen anonymen Hinweis. Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä verspricht lückenlose Aufklärung in dem Grünwalder Fall: Die Münchner Polizei werde alles tun, um die Ermittlungen zu unterstützen und die Vorwürfe restlos aufzuklären.

"Wir als Polizeibeamte haben eine besondere Stellung in der Öffentlichkeit. In unserem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes haben wir darum auch besondere Verpflichtungen. Unser hoher Anspruch an Glaubwürdigkeit und Integrität veranlasst uns, diese Vorwürfe ernst zu nehmen und ihnen konsequent nachgehen zu lassen." Er setze auf die unabhängige und neutrale Ermittlungsarbeit durch das Landeskriminalamt, die sich bereits in der Vergangenheit mehrfach bewährt habe. Die Position des suspendierten Polizisten hat vorläufig ein höherer Beamter des Präsidiums übernommen.

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