Universitäten:Ersehnte Rückkehr auf den Campus

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Endlich wieder analog und gemeinsam studieren: An diesem Montag beginnt das Wintersemester - größtenteils in Präsenz. (Foto: Sebastian Gabriel)

An diesem Montag startet an den Hochschulen das Wintersemester. Nach anderthalb Jahren Online-Lehre können die Studierenden wieder zusammen lernen.

Von Anna Lea Jakobs und Anna-Maria Salmen, Garching/Planegg

Wer in den vergangenen anderthalb Jahren ein Studium begonnen hat, der hat seine Universität mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie von innen gesehen: Drei Semester lang waren die Türen aller Hochschulen pandemiebedingt verschlossen. Studieren bedeutete nicht mehr, sich im Seminarraum auszutauschen und danach mit den Kommilitonen einen Kaffee auf dem Campus zu trinken, sondern vielmehr, allein vor dem Bildschirm aufgezeichneten Vorlesungen zu lauschen. Nun ändert sich das: In dem an diesem Montag beginnenden Wintersemester sind wieder Präsenzveranstaltungen erlaubt.

Auch an den Hochschulstandorten im Landkreis strömen wieder junge Menschen durch die Eingangstüren, etwa an der Technische Universität in Garching, wo mehr als 20 000 Studierende für das Wintersemester eingeschrieben sind. Nach dem Grundsatz "Präsenz, wo möglich, digital, wo nötig" finden die meisten Veranstaltungen vor Ort statt, wie Studierendenvertreter Fabian Richter berichtet. Nur einige Großveranstaltungen, wie Informatikvorlesungen mit bis zu 800 Beteiligten, müssen online abgehalten werden.

Dass nach drei Semestern Online-Lehre nicht auf Anhieb wieder alles auf Präsenz umgestellt werden kann, bestätigt auch Heinrich Jung, Studiendekan der Fakultät für Biologie auf dem Campus der Ludwig-Maximilians-Universität in Martinsried. "Wir haben für uns an der Fakultät besprochen, dass das ein Prozess des Übergangs ist, den wir stufenweise gehen."

Alle Dozenten, so Jung, seien dazu aufgefordert, neben den Präsenzkursen auch digitale Alternativen anzubieten. Denn bei vielen Studierenden sei zwar der starke Wunsch da, wieder auf den Campus zurückzukehren, sich mit Kommilitonen und Professoren austauschen zu können. Aber es gebe eben auch die Vorsichtigen. "Ich verstehe beide Seiten. Wir müssen eine Lösung für alle finden", sagt Jung. Die Online-Lehre werde man daher noch länger zumindest in Teilen beibehalten.

Wer sich für die Teilnahme an den Präsenzveranstaltungen entscheidet, muss geimpft, getestet oder genesen sein. Um in die heiligen Hallen zu kommen, werden die Studierenden nach entsprechenden Nachweisen kontrolliert - in Garching stichprobenartig an den Eingangstüren, in Martinsried durch den Wachdienst am Haupteingang. Studentinnen und Studenten sind eine eher impffreudige Bevölkerungsgruppe, das zeigt auch eine Umfrage der Fachschaft Biologie, von der Jung berichtet: Demnach sind rund 90 Prozent der Studierenden des Bachelorstudiengangs bereits doppelt geimpft. "Das beruhigt uns schon mal sehr." Damit die Impfquote weiterhin steigt, findet am ersten und zweiten Tag des Semesterbeginns eine große Impfaktion auf dem Campus in Garching statt.

Der Garchinger Standort sei mit seinen vielen praxisnahen Studiengängen nicht für den Online-Unterricht gemacht. "Denken Sie an Laborarbeiten oder an das gemeinsame Schrauben an einer Maschine, das kann nicht online stattfinden", sagt TU-Pressesprecher Ulrich Meyer. Selbst das Rätseln an mathematischen Gleichungen lasse sich besser gemeinsam bestreiten, findet auch Mathematikstudent Richter.

Das Studium lebt von Praktika

Ähnlich beschreibt es auch Studiendekan Jung aus Martinsried: "Biologie ist eine experimentelle Wissenschaft." Das Studium lebe von den Praktika, bei denen die Studierenden selbst ausprobieren und forschen könnten. In den vergangenen drei Semestern sei das nicht möglich gewesen. "Es gibt viele, die zum Beispiel noch nie eine Pipette in der Hand hatten. Die sind jetzt richtig hungrig."

Mit der Öffnung der Universität kommen jedoch auch altbekannte Probleme wieder auf. "Die räumliche Begrenztheit ist wirklich ein großes Problem, an das wir stoßen", erzählt der Studierendenvertreter Richter. Ein Campusgebäude der Mathe- und Informatikfakultät, das ursprünglich für 5000 Studierende gebaut wurde, soll Platz für 9000 Studierende bieten. Das sei schon ohne die verschärften Abstandsregeln eine Herausforderung. An Lernräumen wird es voraussichtlich auch mangeln, denn in den bisherigen Paukzimmern werden nun vermehrt Seminare stattfinden.

Insgesamt überwiegt aber die Vorfreude. "Wir sind zwar alle angespannt, aber der direkte Kontakt macht einfach Spaß", sagt Jung. In der vergangenen Woche konnte er für die Einführungsveranstaltungen der Erstsemester nach langer Zeit wieder Studierende auf dem Campus begrüßen - wie froh er darüber ist, das ist ihm im Gespräch anzumerken. In den Online-Seminaren blickte Jung eigenen Worten zufolge oft überwiegend in schwarze Fenster, weil viele Teilnehmer ihre Kamera deaktiviert hatten. Reaktionen zu erfassen, sei dadurch schwierig gewesen, sagt Jung. "Jetzt sehe ich endlich wieder: Die lächelt oder der runzelt die Stirn und hat wohl etwas nicht ganz verstanden." So kann Jung wieder besser auf seine Studierenden eingehen.

© SZ vom 18.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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