Süddeutsche Zeitung

Umweltschutz:Den Mitschülern ein Vorbild

Wie das Haarer Gymnasium mit der Fridays-for-Future-Bewegung umgeht

Von Laura Geigenberger, Haar

Unruhig schaben die vielen Kinderfüße über den Teppich des Klassenzimmers. Zwischen den zappelnden Turnschuhen liegt Papier am Boden verstreut, Blätter, die mit Texten und Bildern bedruckt sind. Ein Foto sticht hervor: Es zeigt Jugendliche, die ein Plakat in die Höhe recken. "Wieso Abi machen, wenn ich keine Zukunft habe?", liest ein Junge laut und blickt fragend zu seinen Mitschülern, die am Ernst-Mach-Gymnasium in Haar an diesem Freitag im Stuhlkreis um die Zettel herum sitzen.

Wie genau der Satz zu verstehen ist, können ihm drei Mädchen aus der 9. Klasse - Emily Erl, Marie Ontl und Sonja Ziegler - erklären. "Unserer Umwelt geht es immer schlechter", sagen sie. "Der Klimawandel zerstört die Erde und damit unsere Zukunft. Wofür lernen wir denn, wenn wir keine Zukunft haben?" Deshalb stünden sie in dieser Unterrichtsstunde als Botschafter vor der Klasse: "Um darauf aufmerksam zu machen, dass für die Umwelt etwas getan werden muss."

Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden großgeschrieben am Haarer Gymnasium. Die Schule kann sich für ihre vielfältigen Beiträge zum Klimaschutz seit Jahren regelmäßig "Umweltschule in Europa - Internationale Agenda-21-Schule" nennen. Sie gewann 2013 den Deutschen Klimapreis der Allianz-Umweltstiftung und erhielt zudem zweimal den Status als UN-Dekade-Projekt. "Wir legen großen Wert auf eine Bildung für nachhaltige Entwicklung", sagt Lehrer Edwin Busl. Als Verantwortlicher für die Umweltaktivitäten der Schule sei es ihm deshalb ein Anliegen gewesen, mit "Fridays for Future" auch eine recht unkonventionelle Schülerbewegung zu unterstützen. "Dabei demonstrieren Schüler einmal die Woche, zum Beispiel auf dem Marienplatz, für eine bessere Klimaschutzpolitik anstatt zur Schule zu gehen", erklärt Marie Ontl. Seit ihrer Gründung durch die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg im vergangenen August haben sich Tausende Jugendliche der mittlerweile weltweiten Bewegung angeschlossen. Vom Haarer Gymnasium nehmen Schüler seit Januar teil.

"Als Umweltschule bringt uns das natürlich in ein Dilemma", räumt Busl ein. "Wir möchten unsere Solidarität zur Initiative und deren Zielen zeigen. Gleichzeitig müssen wir uns auch Gedanken zur Umsetzbarkeit und Vertretbarkeit dieser Schulstreiks machen." So habe er mit den bis zu 70 aktiven Schülern Vereinbarungen geschlossen und halte zu ihnen "einen engen Draht". Solange die Jugendlichen couragiert und verantwortlich handelten, so der Lehrer, könnten sie sich seiner Zustimmung sicher sein. Auch dem Vorschlag vonseiten seiner Schüler, die Bewegung an einem schulinternen Fridays-for-Future-Tag in die jüngeren Klassen zu tragen, unterstütze er vollends.

Weil die Masse den Unterschied macht, besuchten Aktivisten wie Erl, Ontl und Ziegler die Jahrgangsstufen fünf und sechs. Dort sprachen sie mit den Jüngeren in selbst erarbeiteten Vorträgen über ihre Teilnahme an den Demos in München und führten sie spielerisch an die Themen Klimawandel und Umweltschutz heran. "So macht es am meisten Sinn", sagt Ziegler, "wenn wir Kinder andere Kinder informieren, können wir ihnen vielleicht Vorbilder sein."

Den Vorbildcharakter des Ernst-Mach-Gymnasiums als Umweltschule bestätigte an diesem Tag auch ein weiterer Besuch: Anlässlich des Fridays-for-Future-Tags waren 35 Schüler vom Gymnasium Bruckmühl mit ihren Lehrern angereist, um sich von den Haarer Umweltscouts - Schülern, die sich für umweltbewusstes Handeln innerhalb des Schulalltags einsetzen - über ihr Engagement berichten zu lassen. "Um etwas zu erreichen, müssen wir nach außen gehen", sagt Lehrer Busl. "Die Aktionen am heutigen Tag sind für uns alle wegweisend - für eine Zukunft."

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Quelle:
SZ vom 16.02.2019
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