Umbruch in der Stadtbibliothek:Die Hüterin des Hauses

Umbruch in der Stadtbibliothek: Claudia Bruch leitet die Garchinger Stadtbücherei seit dem Sommer. Gleich zu Beginn muss sie sich mit Umbauarbeiten beschäftigen.

Claudia Bruch leitet die Garchinger Stadtbücherei seit dem Sommer. Gleich zu Beginn muss sie sich mit Umbauarbeiten beschäftigen.

(Foto: Robert Haas)

Die Garchinger Stadtbücherei war wochenlang Baustelle. Bibliothekarin Claudia Bruch schwärmt nach der Wiederöffnung von Möglichkeiten und Projekten. Der Lesegarten soll wieder sozialer Treffpunkt werden

Von Gudrun Passarge, Garching

Die Antwort geht unter im Gehämmer und Geratter der Handwerker. Was sie denn gerne lese, lautet die Frage an die neue Garchinger Büchereileiterin Claudia Bruch. Sie beugt sich vor und erhebt ihre Stimme, um sich in all dem Lärm verständlich zu machen. Jugendbücher, denn da könne sie sich mit ihrer Tochter Carolina, 16, am besten austauschen.

Die Garchinger Bücherei war in den vergangenen Wochen geschlossen. Teppichböden wurden herausgerissen, Wände durchgebrochen. Claudia Bruch war deswegen auch in so einer Art Umzugsstress.

Pünktlich nach den Weihnachtsfeiertagen hat die Bücherei nun wieder eröffnet. "Es ist alles sehr schön geworden, aber es sieht noch nach Baustelle aus", sagt Bruch. Jedenfalls in der Romanabteilung, wo es zwei Durchbrüche zum Bürgerhaus geben wird, und auch beim Lesegarten rechnet die Bibliothekarin damit, dass er im April wieder eröffnet werden kann. Er ist das Herzstück der Bücherei, die Bruch auch als "sozialen Treffpunkt" versteht. Die 46-Jährige ist Nachfolgerin von Gabriele Malek, die sich im Sommer in den Ruhestand verabschiedet hat. Während der Umbauphase hat sie sich Zeit für ein Gespräch genommen. Bruch kennt die Bücherei schon sehr lange, seit ihrem Praktikum 1992 gleich nach dem Abi. Sie wusste, dass sie Bibliothekswesen studieren will, was nur in Stuttgart ging, und sie sagt bis heute, dass sie den schönsten aller Berufe gewählt hat.

"Es gibt kaum einen Beruf, der vielseitiger ist." Sie gehe in Schulen und Kindergärten, sie arbeite mit Kindern und mit Erwachsenen. Es gibt Vorlesestunden für Kinder und Autorenlesungen für Erwachsene, dazu noch Vorträge zu aktuellen politischen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Themen. Außerdem habe sie ständig mit dem Gebäude zu tun, "ich bin nicht nur Bibliothekarin, ich bin auch die Hüterin des Hauses".

Im Moment mehr denn je. Denn der Umbau des Bürgerhauses bezieht auch die Bücherei voll mit ein. Gerade erst hat sie mit den Mitarbeitern und Helfern vom Bauhof die Romanabteilung geräumt. 10 000 Bücher landeten im Karton und danach in einem Lagerraum. Die Regale wurden dick mit Planen eingepackt, denn hier unten soll ein Durchbruch zum Bürgerhaus erfolgen. Auch die Schreibtische müssen umziehen, denn die neuen Büroräume werden über der Restauration des Bürgerhauses liegen. Stattdessen kann sich dann die Nachbarschaftshilfe im Rathaustrakt vergrößern.

Dafür bekommen die Mitarbeiter der Bücherei einen Durchbruch vom Lesegarten direkt zu den neuen Büros. Auch eine neue Infotheke und eine neue Ausleihtheke sind vorgesehen und bestimmt wird hinterher alles noch schöner sein als zuvor. Aber jetzt kämpfen die 13 Mitarbeiter noch mit dem Baulärm und dem Dreck. Claudia Bruch freut sich über alles, was geschafft ist. "Ich bin echt stolz auf alle, die mitgeholfen haben."

Vergleich mit einer Art Sozialstation

Mit der Sanierung des Bürgerhauses hat in der Bücherei eine Phase des Übergangs begonnen. "Der Lesegarten fehlt uns schon sehr", sagt die Bibliothekarin. Dort hätten viele Studenten gearbeitet. "Wir sind zwar keine wissenschaftliche Bibliothek, sondern mehr familiär von der Klientel her, aber es kommen alle miteinander gut aus." Bruch vergleicht die Bücherei mit einer Art Sozialstation. "Wo gibt es sonst noch Plätze, wo man sich zu einem Schwätzchen treffen kann?" Außerdem biete die Bücherei ihren etwa 6000 aktiven Nutzern auch viel an. "Medienwünsche erfüllen wir von einem auf den anderen Tag." Dazu arbeiten sie auch mit der örtlichen Buchhandlung zusammen. Die Kartei umfasst etwa 50 000 Medien, darunter 25 000 Bücher und 10 000 E-Books. Es gibt noch Kassetten und DVDs, solange die Nachfrage besteht.

Bei den E-Books haben die Verantwortlichen länger gezögert. "Wir waren skeptisch", erzählt Bruch, denn es bestand die Sorge, die Leute nie wieder zu sehen, wenn sie sich online Bücher ausleihen können. Letztlich habe sich aber nur etwa eine Handvoll Leser ganz ins Internet zurückgezogen. Die anderen kämen nach wie vor vorbei, auch wenn sie technische Hilfe bräuchten. Das ist Bruch auch wichtig, sie will nicht nur Literatur vermitteln, sondern immer auch helfen, sei es bei den Hausaufgaben, sei es bei Dateiformaten, mit denen jemand nicht zurechtkommt. Selbst ein Drucker steht bereit, für Leute, die zuhause keinen haben.

Verbesserungsmöglichkeiten sieht die Büchereileiterin bei der Verbindung zum Wissenschaftscampus. Viele Studenten setzten sich in die U-Bahn und führen an Garching vorbei. Deswegen gibt es die Garchinger Gespräche, bei denen Dozenten der TU zu spannenden Themen ihres Forschungsgebiets Stellung beziehen. Der Lokalbezug stehe stets im Vordergrund, wenn sie Veranstaltungen plane, sagt Bruch. "Wem ich immer Raum gebe, das sind Garchinger Autoren." Sie könnten selbstverständlich ihre Arbeiten in der Bücherei vorstellen. Auch bei Ausstellungen gelte dieses Prinzip.

Gerade kommt ein Mitarbeiter rein und will wissen, ob es kein Internet gebe. Nein, gibt es im Moment nicht. Bruch könnte sich locker duplizieren, um an mindestens zwei Orten gleichzeitig zu sein. Dabei bleibt sie trotz des Trubels erstaunlich gelassen. Als der Lärm mal für ein paar Minuten nachlässt, erzählt sie, warum sie so gerne Jugendbücher liest. "Weil dort die wirklichen Probleme der Jugendlichen angesprochen werden." Sie zieht ein gelbes Buch aus dem Regal, doch der Titel lässt sie zögern. "Scheiße bauen - sehr gut", steht dort in schwarzen Lettern. "Auch wenn man es diesem Titel kaum zutraut, verbirgt sich dahinter ein Buch mit einer differenzierten Handlung", sagt sie.

Ein Junge mache ein Praktikum in einer Förderschule und werde für einen neuen Mitschüler gehalten. Deswegen erfahre er von der "anderen Seite", was Inklusion bedeute. "Carolina und ich haben bei diesem Buch viel gelacht, oft innegehalten und reflektiert: ein Buch mit viel Herz, um Vorurteile abzubauen", urteilt Bruch. Wer reinschauen will, kann das jetzt wieder, in der alten Bücherei in neuem Glanz.

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