Ungeachtet der Klagen vieler Eltern über den hohen Druck auf die Viertklässler steigen die hohen Übertrittsquoten im Landkreis eher noch an. Nach Angaben des Schulamtes sind heuer 67,2 Prozent der Viertklässler berechtigt, ans Gymnasium zu gehen, im Vorjahr waren es 67,0 Prozent. Die nötigen Noten für die Realschule haben weitere 13,6 Prozent der Viertklässler, im Vorjahr lag die Zahl bei 13,0 Prozent. Zum Vergleich: Bayernweit sind es gut 39 Prozent für das Gymnasium und 28 Prozent für die Realschule.
Das Schulamt erfasst nach Angaben der Fachlichen Leiterin Karin Olesch nur die Noten, nicht die tatsächlichen Übertrittszahlen. Dass die Werte seit vielen Jahren in etwa ähnlich hoch sind, begründet Olesch mit "der gewachsenen und bewährten Schul- und Bildungsstruktur im Landkreis".
Am Gymnasium Ismaning haben sich heuer 193 Schüler eingeschrieben. Es werden sieben fünfte Klassen gebildet. Im Vorjahr waren es noch 170 Schüler. Darunter waren jeweils auch zweieinhalb Vorläuferklassen für das geplante Gymnasium Unterföhring. Den Anstieg erklärt sich Schulleiter Markus Martini vor allem mit zwei Umständen: Erstens sei die Gemeinde ein Zuzugsgebiet, in Fischerhäuser werde gebaut. Er glaubt zudem, dass sich die Akzeptanz des Gymnasiums Ismaning erhöht hat. "Jetzt steht das Schulgebäude und die Schule ist etabliert", sagt er.
Einen Anstieg bei den Zahlen für die fünften Klassen kann auch Benno Fischbach, Direktor des Otfried-Preußler-Gymnasiums in Pullach, verzeichnen. Für das kommende Schuljahr haben sich 111 Schüler eingeschrieben, also drei mehr als im vergangenen Jahr als Fünftklässler begonnen haben. Worin die Gründe dafür liegen, ist für Fischbach "schwer zu bestimmen". Er vermutet die Ursache vor allem in der sich ändernden Zahl der Grundschulabsolventen, aber auch in dem "Mitzieh-Effekt" durch Freunde.
Das große Interesse am Übertritt aufs Gymnasium bestätigt auch Beate Promberger, stellvertretende Leiterin des Gymnasiums Ottobrunn. "Wir konnten bei Weitem nicht alle interessierten Schülerinnen und Schüler aufnehmen", sagt sie. Die Schule sei baulich auf fünf Züge beschränkt. Insgesamt gehe es der Schule wie den Gymnasien in der Nachbarschaft. "Letztlich sind es eher zu wenige Plätze für zu viele Schüler in der Region", sagt sie.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht man die Zahlen für den Landkreis kritisch. "Die hohe Übertrittsquote im Landkreis München liegt sicher nicht an der besseren Luft, sondern hat mit dem Bildungshintergrund der Eltern zu tun", sagt Bernhard Baudler, politischer Sekretär für öffentliche Schulen im bayerischen Landesverband der GEW. Wenn Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (FW) sage, dass lokale Abweichungen bei den Übertrittszahlen möglich seien, sei das "eine völlige Verharmlosung", erklärt Baudler. Auch um die Grundschüler von dem Druck wegen des Übertritts zu entlasten, fordert die GEW eine Schule für alle. "In einem ersten Schritt müssten die Übertrittszeugnisse abgeschafft werden", sagt Baudler.
Ob der Druck auf die Viertklässler im Vergleich zu früher gestiegen ist, ist schwer messbar. Klagen darüber gibt es jedenfalls. Von Eltern, deren Kinder im Landkreis eine Grundschule besuchen oder besuchten, ist beispielsweise zu hören, dass mittlerweile in der vierten Klasse zwei Proben pro Woche, in der Hochphase sogar noch mehr, geschrieben würden. Vor ein paar Jahren sei das noch nicht so gewesen. Manche Eltern vermuten, dass so die hohen Übertrittsquoten gedrosselt werden sollen.
Diese Annahme bestätigt sich nach Rücksprache mit dem Kultusministerium nicht. Es gebe keine Anweisung des Ministeriums in dieser Hinsicht, sagt ein Sprecher. Vielmehr gehe es dem Ministerium um "ein differenziertes Bildungssystem von hoher Qualität und größtmöglicher Gerechtigkeit".
Daher sei vor mehreren Jahren die Übertrittsphase neu geregelt worden und so eine "kind- und begabungsgerechte Weiterentwicklung des Übertrittsgeschehens" geschaffen worden, mit dem Fokus darauf, die Zahl der Proben zu reduzieren. "In diesem Zusammenhang wurden eine Richtzahl für Probearbeiten in Jahrgangsstufe vier eingeführt und prüfungsfreie Zeiträume sowie die Terminankündigung der Probearbeiten beschlossen", sagt der Sprecher.
Von Grundschulrektorinnen aus dem Landkreis ist Ähnliches zu hören. Die Maßgabe zu den Proben habe sich in den vergangenen Jahren nicht geändert, sagt Gesine Clotz, Rektorin der Grundschule an der Friedenstraße in Ottobrunn. Sie nennt die Regelung, dass an einem Tag nicht mehr als ein schriftlicher Leistungsnachweis und in der Woche nicht mehr als zwei schriftliche Leistungsnachweise geschrieben werden sollen. "Daran halten wir uns", sagt sie.
Zwei schriftliche Arbeiten in der Woche seien auch in den letzten Jahren ganz normal gewesen. Ähnlich äußert sich Edeltraud Ullrich, Rektorin der Grundschule Pullach. "Aus meiner Sicht hat der ,Druck', der insbesondere durch die Erwartungshaltung des Elternhauses entsteht, nicht weiter zugenommen", sagt sie. Die Zahl der Arbeiten würde den Eltern zu Beginn des Schuljahrs dargelegt, pro Woche würden nie mehr als zwei Proben geschrieben. Es spiele indes eine Rolle, wie "geschickt" die Lehrer die Proben verteilten.