Überschuldung:"Leben können Sie immer von dem, was Ihnen bleibt"

Überschuldung: Die Sozialpädagogin Elisabeth Heinz arbeitet seit sieben Jahren bei der Schuldnerberatung der Caritas in Unterschleißheim.

Die Sozialpädagogin Elisabeth Heinz arbeitet seit sieben Jahren bei der Schuldnerberatung der Caritas in Unterschleißheim.

(Foto: Haas)

Schuldnerberaterin Elisabeth Heinz nimmt Betroffenen unbegründete Ängste und hilft, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen

Interview von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Die Sozialpädagogin Elisabeth Heinz arbeitet bei der Schuldnerberatung der Caritas in Unterschleißheim, die gemeinsam mit den Beratungsstellen in Haar, Taufkirchen und Ottobrunn für den ganzen Landkreis zuständig ist. Am Dienstag, 7. Juni, wird Heinz vormittags am Infotelefon sitzen. Anlass ist die Aktionswoche Schuldnerberatung, die in diesem Jahr unter dem Motto "Schulden machen krank - Krankheit macht Schulden" steht.

SZ: Frau Heinz, warum machen Schulden krank?

Elisabeth Heinz: Es gibt eine Untersuchung der Universität Mainz mit 600 Schuldnern. Das Ergebnis ist, 40 Prozent von ihnen leiden unter Angstzuständen und Depressionen.

Was sind das für Ängste?

Sie haben ganz verschiedene Ursachen. Die Leute sitzen in der Schuldenfalle, sie fühlen sich ohnmächtig. Die Gläubiger drängen, der Gerichtsvollzieher versucht zu vollstrecken, es können auch noch Konto- oder Gehaltspfändungen hinzukommen. Da fühlen sich viele hilflos ausgeliefert. Hinzu kommen Ängste, die völlig unbegründet sind.

Welche wären das?

Zum Beispiel die Angst vor dem Gefängnis. Aber ins Gefängnis muss nur jemand, der Geldstrafen oder Bußgelder nicht bezahlt. Oder aber die Angst vor Kahlpfändungen, dass einem das letzte Hemd genommen wird. Aber gewöhnliche Haushaltsgegenstände, dazu gehört im übrigen auch der Fernseher, kann man behalten. Oder die Angst vor der Mithaftung des Ehegatten. Doch wenn etwa die Frau nur allein unterschrieben hat, kann dem Mann nichts passieren.

Wie helfen Sie den Menschen, die Ihren Rat suchen?

Vielen kann ich schon im Erstgespräch Ängste nehmen, sie atmen dann regelrecht auf. Ich versuche sie aufzuklären, beispielsweise darüber, dass es eine Pfändungsobergrenze gibt. Ich sage immer: "Leben können Sie immer von dem, was Ihnen bleibt." Man muss den Leuten Perspektiven geben, sie haben reelle Chancen, dass sie sich über einen angemessenen Zeitraum entschulden können.

Sie sprachen von einer Pfändungsobergrenze. Was bleibt einem denn zum Leben?

Nehmen wir einen Alleinstehenden, der etwa 1220 Euro Netto verdient. Da kann man nur 102,28 Euro im Monat pfänden. Hat er zusätzlich noch Unterhaltspflichten, dann kann gar nichts gepfändet werden.

Wie kommt es überhaupt, dass Menschen Schulden machen?

Da gibt es viele Gründe. Arbeitslosigkeit, Niedrigeinkommen, mit dem man keine größeren Reparaturen stemmen kann, Trennung oder Scheidung, gescheiterte Selbständigkeit oder Suchtkrankheiten. Ab und zu gibt es auch mal Leute, die über ihre Verhältnisse leben, aber im Verhältnis sind das wenige.

Wer sucht denn Ihre Hilfe?

Leute in jedem Alter, von jung bis alt. Die meisten sind allerdings zwischen 30 und 50, also in dem Alter, in dem man noch größere Verträge abschließt.

Was können Sie für Menschen mit Schulden tun?

Was ich ganz gerne mache, ich handle Einmalvergleiche aus, wenn jemand von Verwandten einen Geldbetrag bekommt. Einer Frau habe ich geholfen, von einem sechsstelligen Betrag wegzukommen. Sie hat Insolvenz angemeldet und wird noch fünf Jahre den Anteil ihres pfändbaren Einkommens zahlen, dann ist sie schuldenfrei.

Wenn die Leute außer Schulden noch andere Probleme haben, welche Möglichkeiten haben Sie dann?

Wir arbeiten eng mit der Suchtberatung oder dem sozialpsychiatrischen Dienst zusammen oder auch mit der Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Ich habe einen Klienten, bei dem sind Schulden gar nicht so das große Problem, aber er hat mit seiner Familie ein Haus gemietet, das er jetzt nicht mehr zahlen kann. Deswegen sucht er schon lange nach einer günstigeren Wohnung, aber er findet keine, und ich kann auch keine schnitzen.

Was würden Sie Menschen mit Schulden raten?

Sie sollen sich früh genug an uns wenden, also möglichst gleich, denn dann kann man noch mehr machen. Für sie selbst ist es auch schlecht zu warten, denn sie steigern sich häufig noch in ihre Ängste rein. Viele haben auch Sorge, stigmatisiert zu werden, wenn andere von ihren Schulden erfahren. So nach dem Motto, der ist ja selbst schuld. Aber wenn sich jemand gleich bei der Schuldnerberatung meldet, kann man rechtzeitig reagieren.

Elisabeth Heinz ist am Dienstag, 7. Juni, von 9 bis 12 Uhr am Infotelefon der Schuldnerberatung der Caritas in Unterschleißheim zu erreichen. Telefonnummer: 089/32 18 32-21.

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