Science Slam Spionagefahrt durch die menschlichen Zellen

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Berna Özkale Edelmann, Professorin für Nano- und Mikrorobotik, präsentiert beim Science Slam in Garching die filigranen Aufgaben von Mikrorobotern.
Berna Özkale Edelmann, Professorin für Nano- und Mikrorobotik, präsentiert beim Science Slam in Garching die filigranen Aufgaben von Mikrorobotern. (Foto: Robert Haas)

Beim Biotechnik-Tag des Munich Institute of Biomedical Engineering der TUM in Garching stellen Wissenschaftler vor Publikum ihre Forschung dar – am besten mit hohem Unterhaltungswert.

Von Carla Augustin, Garching

„Das war eine wilde Situation“, sagt Oliver Hayden, Professor für Biomedizinische Elektronik, rückblickend über die Corona-Zeit. Er hat mit einer Forschungsgruppe an der Technischen Universität München (TUM) eine Methode entwickelt, mit der Mediziner vorhersagen können, ob eine Corona-Erkrankung einen schweren Verlauf nimmt oder nicht. Um den Verlauf der Erkrankung vorherzusagen, untersuchen die Forscherinnen und Forscher Blutproben von Infizierten. Aus diesen ziehen sie Schlüsse über die Verklumpungen der Blutplättchen. Diese Thrombose-Entwicklungen geben wiederum Aufschluss über die Schwere des weiteren Verlaufs, erklärt Hayden.

Er stellt an diesem Nachmittag mit anderen Wissenschaftlern des Munich Institutes of Biomedical Engineering (MIBE) der TUM in Garching einen Teil seiner Forschung vor. Und zwar nicht im Format eines üblichen Vortrages oder einer Vorlesung, im Gegenteil. Die Forscher sollen im Rahmen des Biotechnik-Tages in einem Science Slam kurz und unterhaltsam den Zuhörern ihre Arbeit näherbringen. Durch die Veranstaltung führt Lisa Budzinski, selbst Biotechnologin und deutsche Meisterin im Science Slam 2022. 

Berna Özkale Edelmann aus dem Bereich der Nano- und Mikrorobotik nimmt das Publikum mit auf eine Taxifahrt durch die menschlichen Zellen. Spezielle Mikroroboter könnten Zellen befördern und auch das Verhalten von Krebszellen und Stammzellen analysieren, sagt sie. Den Robotern sei es möglich, diese Zellen zu beobachten und Informationen über deren Verhalten zu sammeln. Doch nicht nur das: Sie könnten außerdem das Verhalten von Stammzellen manipulieren und leiten, sodass aus ihnen funktionsfähiges Gewebe entsteht, erklärt Edelmann. „Sie spionieren die Zellen aus für das Allgemeinwohl.“

Auf die Nanoebene begibt sich Prachi Kumari, die magnetische und zugleich elektrische Partikel vorstellt. Diese seien kabellos und ohne Operation injizierbar. Diese Nanopartikel ermöglichten eine kontrollierte Steuerung der Gliedmaßen durch das Gehirn, wenn dies auf natürliche Weise nicht möglich sein sollte. Diese bleiben sechs bis acht Monate im Körper, bis sie von selbst verschwinden. Kumari nimmt das Monster Frankenstein als Beispiel: Ihm wäre es mit der Technologie möglich gewesen, ohne sichtbar ans Gehirn angeschlossene Elektroden seine Arme und Beine zu steuern. 

Mit der Bewegung von Gliedmaßen beschäftigen sich auch Cristina Piazza und Patricia Capsi-Morales, beide tätig in der Forschung über Gesundheits- und Rehabilitationsrobotik. Sie arbeiten an künstlichen Handprothesen. Diese können genauer als andere Prothesen Handbewegungen simulieren und bewegen sich natürlicher, erklären Piazza und Capsi-Morales. Durch die flexiblen Finger können Betroffene einfache Bewegungen wie das Greifen von Objekten realitätsnäher ausführen. „Betroffene können mit der Hand auf natürliche Art und Weise interagieren.“

Albert Croner beschäftigt sich mit dem Hörsystem und der Verarbeitung von Informationen, welche dieses ans Gehirn liefert. Mit einem Stimmenverzerrer und einem Klavier simuliert er die Töne, die Menschen mit einem sogenannten Cochlear-Implantat hören können. Dieses ermöglicht es Menschen, die nur sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr hören können, Töne dennoch wahrzunehmen. Diese klingen für nicht beeinträchtigte Menschen zwar verzerrt, aber: „Das Hirn ist sehr anpassungsfähig“, sagt Croner. Es sei daher in der Lage, die Signale, die das Implantat weiterleitet, zu verarbeiten und zu verstehen. Mithilfe von Computerprogrammen könnten Forscherinnen und Forscher nachvollziehen, welche Bereiche das Implantat im Ohr genau bespielt und welche Signale dann an das Gehirn weitergeleitet werden. Denn jeder Ton, der auf der Klaviertastatur zu finden sei, hat laut Croner einen speziellen Punkt, auf den er in der Gehörschnecke des Menschen trifft.

Am Ende kürt das interessiert lauschende Publikum den Sieger beim Biotechnik-Tag
Am Ende kürt das interessiert lauschende Publikum den Sieger beim Biotechnik-Tag (Foto: Robert Haas)

Martin Dierolf haut mit einem Hammer auf ein altes Tastenhandy. Das soll symbolisch für Proben stehen, die gewöhnlich für die Untersuchung unter dem Mikroskop zerstört werden. Franziska Hinterdobler erklärt, dass Forscher bisher Gewebeproben, beispielsweise von Ratten, auf die Dicke eines Zehntels eines Haares zuschneiden müssen, um sie dann zu untersuchen. Danach sei der Rest der Probe jedoch meist unbrauchbar. Die beiden Wissenschaftler aus der Biomedizinischen Physik stellen eine Methode vor, bei der Untersuchungen das Gewebe nicht zerstören. 

Zu dem Zweck nutzen die Wissenschaftler Röntgenstrahlung, um die Proben virtuell zu untersuchen. Durch eine bestimmte Brechung der Strahlen können sie so dreidimensionale Bilder der Probe erstellen. Das ermöglicht ihnen, das Gewebe lediglich virtuell zu zerschneiden und es Schicht für Schicht untersuchen.

Das Publikum kürt den Slam von Hinterdobler und Dierolf zum Gewinner der Veranstaltung. Raef Larbi, selbst Student am MIBE, ist begeistert: „Es hat sich gelohnt zu kommen.“ Die Veranstaltung sei eine „mega Gelegenheit“ die verschiedenen Forschungsrichtungen kennenzulernen und sich mit Wissenschaftlern und anderen Studierenden auszutauschen. Außerdem mache sie Lust, sich später einmal selbst in die Forschung zu begeben.

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