Raumfahrt:Nachwuchs-Forscher planen Tankstelle im All

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Bisher nur im Miniaturformat: Zeyu Zhu (links) und Felix Kiefhaber planen die Besiedelung des Monds (Foto: Claus Schunk)

Beim Space Station Design Workshop entwerfen Studierende aus aller Welt auf dem TU-Campus in Ottobrunn eine Mondstation. Die soll aus den Ressourcen des Erdtrabanten genug Treibstoff produzieren, dass man damit Raketen für Raumfahrtmissionen versorgen kann.

Von Yannick Rummel, Ottobrunn

Es gibt Redewendungen, die derart abgegriffen sind, dass sie eigentlich aus dem Sprachgebrauch verbannt gehören. Bei „Sky is not our limit“ hat man es mit einem englischen Vertreter aus dieser Kategorie zu tun. Der Space Station Design Workshop (SSDW) hat sich dieses Motto trotzdem auf die Fahnen geschrieben. Doch selten wird die leere Phrase mit so viel Inhalt gefüllt wie bei dem Projekt, das derzeit auf dem Aerospace-Campus der Technischen Universität München in Ottobrunn läuft. Von Samstag bis diesen Freitag sollen hier 42 Studierende aus aller Welt eine Raumstation auf dem Mond planen.

„Wir denken groß dieses Jahr“, gibt Organisatorin Gisela Detrell zu. Die Spanierin ist Professorin für Human Spaceflight Technology und lehrt seit 2023 an der TU München. Davor hat sie an der Uni Stuttgart den seit 1996 existierenden Workshop entscheidend mitgeprägt. Dieses Jahr findet er erstmals als Kooperation der beiden Universitäten in München statt. Die grundsätzliche Idee ist dabei stets die selbe: Studierende und junge Berufstätige aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen sollen in zwei parallel arbeitenden Gruppen eine Raumstation der Zukunft konzipieren. Am Ende entscheidet eine Jury über das bessere Konzept. Neu ist dieses Jahr aber nicht nur der Austragungsort. Erstmals soll diese Raumstation für die Mondoberfläche geplant werden.

Wie groß mit dieser Vorgabe wirklich gedacht wird, verdeutlicht ein Vergleich mit der wohl berühmtesten Raumstation, der „ISS“. Die umkreist in etwa 400 Kilometer Höhe die Erde. Auf dem Weg von der Erde zum Mond kommen zu diesen 400 Kilometer allerdings noch ganze 384 000 obendrauf. Eine Station auf dem Mond hat also ein viel autonomeres Dasein der Astronauten zur Folge – eine besondere Herausforderung für die jungen Planerinnen und Planer am Aerospace Campus in Ottobrunn.

Die 25-jährige Siwar Barwagui ist beim SSDW in der Leitung von „Team Blau“ gelandet. Sie erklärt, dass auf dem Mond die eigentliche Raumstation zur Nebensache wird und stattdessen die Errichtung lebenswichtiger Infrastruktur im Vordergrund steht. „Landwirtschaft, Bergbau und Transportsystem“, zählt die Raumfahrt-Studentin in diesem Zusammenhang auf. „Unser erstes Ziel ist deshalb, Treibstoff herzustellen.“ Denn ohne Energie geht nichts. Das wissen auch die Organisatoren des Workshops. Deren Vorgabe an die Gruppen lautet: Auf der Mondstation sollen im Jahr 2050 zehn und bis 2070 hundert Tonnen Kraftstoff pro Monat produziert werden können.

Die meiste Arbeit findet am Laptop statt. (Foto: Claus Schunk)

Um das zu bewerkstelligen, muss der richtige Standort für die Mondstation ausgewählt werden. Zeyu Zhu ist Maschinenbau-Student und beim SSDW für den Druck der Modelle von „Team Weiß“ verantwortlich. Den 3-D-Druck der Mondoberfläche hat er schon hinter sich. Er weiß: „Die Raumstation sollte am besten am Rand eines Kraters gebaut werden.“ Hier profitiere man zum einen vom eintreffenden Sonnenlicht, das etwa in Solarenergie umgewandelt werden kann. Zum anderen schlummert laut Zeyu Zhu auch in den dunklen Kratern eine wichtige Ressource. „Am tiefsten Punkt der Krater scheint nie die Sonne. Wegen der Kälte ist dort alles voll mit Eis“, sagt der 24-Jährige. Dieses gefrorene Wasser könne zu flüssigem Wasserstoff sowie flüssigem Sauerstoff und damit zu Raketen-Treibstoff weiterverarbeitet werden.

„Es gibt viel Wasser, aber eben fast kein CO₂ auf dem Mond“

„Es gibt viel Wasser, aber eben fast kein CO₂ auf dem Mond“, ist hingegen Patrick Grove aufgefallen. Der 29-Jährige ist Ökologe und für den einwöchigen Workshop aus den USA nach München gekommen. Ihn beschäftigt die fehlende Atemluft auf dem Mond und damit die Frage, wie Pflanzen als Sauerstoffproduzenten auf dem Mond überleben könnten. Dabei hole er sich Inspiration aus Arizona. Mit der „Biosphäre 2“ wurde dort in den Neunzigern ein Gebäudekomplex mit dem Ziel errichtet, ein von der Außenwelt unabhängiges Ökosystem zu schaffen. Das Projekt gilt inzwischen jedoch als gescheitert.

Der Workshop bedeutet „viel Spaß, aber auch harte Arbeit“, wie Patrick Grove sagt. Siwar Barwagui findet die Zeit von nur einer Woche ebenfalls knapp bemessen. Schließlich gehe es um ein großes Projekt. Ihr ambitioniertes Ziel mit „Team Blau“ ist es trotzdem, so viel Treibstoff zu produzieren, dass aus dem Mond eine Art Tankstelle im Weltraum wird. Von dort aus könnten Astronauten dann weitere Expeditionen starten. Ein Sprungbrett ins All also. Sollte das gelingen, könnte es beim nächsten Space Station Design Workshop heißen: „The moon is not our limit.“

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