Am 7. Januar geht es los. Um 12 Uhr Ortszeit rollen auf dem Las Vegas Motor Speedway die Rennwagen an den Start. Am Steuer: künstliche Intelligenz. Mit dabei: das Team "Autonomous Motorsport" der TU München unter der Leitung von Alexander Wischnewski und Phillip Karle, die in den vergangenen Monaten auf dem Forschungscampus in Garching ihrer Software den letzten Schliff verpasst haben.
Die Garchinger Crew besteht aus insgesamt 60 Doktoranden und Studierenden der Lehrstühle für Fahrzeugtechnik sowie für Regelungstechnik. Ihre Abordnung fährt mit breiter Brust nach Las Vegas. Erst im vergangenen Oktober konnten sie die "Indy Autonomous Challenge", einen Preiswettbewerb zur Programmierung autonom modifizierter Rennwagen auf der Formel-1-Piste in Indianapolis unter acht universitären Forschungsgruppen aus den USA und Europa, für sich entscheiden. Dort stellten Wischnewski und seine Mitstreiter unter Beweis, dass künstliche Intelligenz ein Auto - in diesem Fall einen Rennwagen des Typs Dallara IL-15 - bei einer Geschwindigkeit von mehr als 200 Kilometern pro Stunde kontrolliert steuern kann. Mit ihrer Software fuhr der Rennwagen der TU schneller als die Autos der Konkurrenz und bescherte den jungen Forschern ein Preisgeld von einer Million US-Dollar für die nächsten Entwicklungen.
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Im Rennen am 7. Januar wird es nun noch einen Schritt anspruchsvoller: Im Rahmen der CES 2022, einer der größten internationalen Messen für technologische Neuigkeiten, geht es nicht nur um die Zeit - zum ersten Mal treten auf dem Renncourt in Las Vegas zwei autonom gesteuerte Wagen im direkten Duell gegeneinander an. Eine große Herausforderung für die Steuerungssoftware und deren Entwickler. "In Las Vegas werden wir ein Rennen sehen, bei dem der Schwierigkeitsgrad noch einmal deutlich erhöht ist", erklärt Markus Lienkamp, Professor am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TU.
Anders als noch in Indianapolis müssen die autonom fahrenden Autos in dem Rennen nicht mehr nur statische Hindernisse erkennen und umfahren, sondern auch auf die anderen Autos auf der Strecke reagieren. Die künstliche Intelligenz muss möglicherweise gefährliche Interaktionen oder Überholmanöver erkennen, bewerten und angemessen darauf reagieren - und das bei Hochgeschwindigkeit, in Bruchteilen von Sekunden. "Wir zeigen damit den rasanten technologischen Fortschritt im autonomen Fahren", sagt Lienkamp.
Voraussichtlich neun Teams nehmen an dem Rennen teil und werden bildlich gesprochen die von ihnen entwickelten Algorithmen als Fahrer auf die Rennstrecke schicken. Die Regeln sehen vor, dass jeweils zwei Autos gegeneinander antreten. Dabei fährt immer ein Rennwagen mit konstanter Geschwindigkeit, während der andere versucht, ihn zu überholen. Das Spiel wird abwechselnd wiederholt und dabei die Geschwindigkeit erhöht, solange, bis ein Wagen nicht mehr überholen kann.
Nach dem Sieg in Indianapolis hofft das Team der TU natürlich darauf, seinen Titel in Las Vegas verteidigen zu können. Das übergeordnete Ziel sei aber letztendlich, die eigene Software am fahrdynamischen Grenzbereich im Wettkampf gegen andere weiter zu verbessern und auf der Rennstrecke das Potenzial der Software zu demonstrieren, heißt es auf der Website des Teams.
Alle Erfahrungen, die in den universitären Wettkämpfen gesammelt werden, sollen sich am Ende schließlich ganz praktisch nutzen lassen, für den Alltag der Zukunft. "Wir können im Rennen die schnelle Reaktion eines autonomen Fahrzeugs auf unvorhergesehene Ereignisse bei hohen Geschwindigkeiten testen und optimieren. Diese Erfahrungen bringen uns bei der Entwicklung sicherer autonomer Fahrzeuge im Straßenverkehr einen großen Schritt weiter", sagte Teamleiter Wischnewski schon nach dem Sieg in Indianapolis.
Das Rennen kann am Freitag ab 21 Uhr deutscher Zeit unter https://www.indyautonomouschallenge.com/ im Livestream verfolgt werden.