Trauer beim TSV 1860 München:"Sag doch auch mal was, Werner!"

Tränen der Trauer und Rührung: Am Tag nach Karl-Heinz Wildmosers Tod tauschen die Fans im Löwenstüberl Geschichten aus. Inzwischen hat der TSV 1860 den Termin für die Trauerfeier bekannt gegeben.

Florian Fuchs

Werner Lorant ist da. Im Löwenstüberl, an seinem alten Stammplatz, Gesicht zur Eingangstür. Und deshalb kommen Christl jetzt abwechselnd die Tränen: einmal aus Trauer, und im nächsten Moment wieder aus Rührung. "Ich freu' mich so", sagt die Wirtin vom Löwenstüberl, "dass der Werner heut' gekommen ist. Ich freu mich so!"

"Der Werner" ist weniger redselig, er sitzt da, mit dem Rücken zur Theke, vor sich ein Weißbier, und schaut ein bisschen griesgrämig. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass Lorant überhaupt hierher kommt, ins Löwenstüberl, zum Trainingsgelände von 1860.

Der alte Erfolgstrainer der Sechziger war lange nicht da, und vor allem war er lange nicht mehr der beste Freund von Karl-Heinz Wildmoser. Aber es ist Tag eins nach dem Tod des früheren Vereinspatriarchen, und das ist keine Zeit für alten Hader.

So sieht es auch Christl Estermann, die Wirtin. Und deshalb kommen ihr an einem eigentlich so traurigen Tag, kurz nach Wildmosers Tod, zu dem sie ein Verhältnis hatte wie nur wenige im Verein, Tränen der Rührung. "Der Werner hat's mir gerade erzählt", sagt Christl, sie dreht sich am Stammtisch ein bisschen weg von Lorant und senkt die Stimme, damit er es nicht hört, "der Werner und der Karl-Heinz haben sich wieder versöhnt vor vier Wochen."

Trainer und Präsident hatten sich ja nicht mehr viel zu sagen gehabt, nachdem Wildmoser Lorant im Oktober 2001 gefeuert hatte. Es war das Ende einer Männerfreundschaft, das Ende eines damals erfolgreichen Duos, das 1860 München wieder zu alter Blüte geführt hatte. Jetzt haben sie sich also wieder versöhnt, kurz vor Wildmosers Tod. "Sogar auf die Wiesn hat der Karl-Heinz ihn eingeladen, den Werner", erzählt Christl, jetzt laut, sie hält es nicht mehr aus: "Sag doch auch mal was, Werner!"

Aber Lorant mag nicht. "Ich sag gar nix", schimpft er, um gleich darauf doch etwas zu sagen: "Ich hatte nie ein Problem mit ihm." Er erwähnt das drei Mal, dass er nie ein Problem mit Wildmoser gehabt habe. "Na ja", sagt Christl, und senkt wieder die Stimme.

Ein Löwe im Himmel

Im Löwenstüberl ist viel los am Donnerstagmittag. Draußen hängen dunkle Wolken über den Trainingsplätzen, nur ein paar Jugendspieler stehen herum. Drinnen sitzen die Löwenfans und erzählen sich alte Geschichten über den alten Präsidenten. "Einmal, bei einem Spiel in Köln, da haben wir 3:0 geführt in der Halbzeit", hebt Christl an, "da hab' ich ihm ein Glücksschwein aus Marzipan gegeben."

Am Ende stand es nur noch 3:2, Toni Polster hatte für Köln zweimal getroffen, es war gerade noch einmal gut gegangen für 1860. Nur dem Schwein war es nicht gut ergangen. "Karl-Heinz war so nervös", sagt Christl, "der hat das ganze Marzipan zerbröselt."

Es gibt viele Geschichten zu erzählen. Wie Wildmoser nach einer grottenschlechten Partie im Grünwalder Stadion den drei letzten Fans jeweils einen Hunderter in die Hand gedrückt hat. "Für des Scheißspiel kann ich net auch noch Geld von euch verlangen", soll er gesagt haben, der Vereinspatriarch. Oder wie er spontan bei einem Testkick in Bosnien 1000 Euro aus der Hosentasche gezogen hat, für ein Hilfsprojekt.

Es sind Anekdoten, die Wildmoser beschreiben, wie ihn die Leute aus dem Löwenstüberl gesehen haben. Es gibt auch andere Fans bei 1860. Die, die es ihm nie verziehen haben, dass der Verein heute nicht mehr im Grünwalder Stadion spielt. Die ihn für die heutigen Finanzprobleme verantwortlich machen und ihn deshalb immer beschimpft haben.

Aber das sind die Leute, die Christl überhaupt nicht erst herein lässt. Als der Präsident zurücktrat im März 2004, haben ein paar Fans angefangen zu grölen im Löwenstüberl: "Ein Tag, so wunderschön wie heute." Christl hat ihnen 50 Euro in die Hand gedrückt und sie rausgeschmissen: "Geht's weiter, sauft's woanders."

Der Termin für die Trauerfeier

Auch am Donnerstag muss sie sich ärgern. Vormittags hat sie noch ins Internet geschaut, in ein Löwenforum. "Jetzt kann er in der Hölle schmoren", hat dort einer geschrieben über den gestorbenen Wildmoser. "Eine Frechheit", murmelt Christl. "Deppen, alles Deppen", schimpft auch Lorant, bevor er zahlt und geht.

Die anderen bleiben noch. Sie erzählen sich Geschichten und schauen alte Fotos an, die in einem Rahmen neben den Stammtisch stehen. Wildmoser im Porträt und im Profil, in Tracht und mit Zigarre. Christl sagt: "Er ist als Löwe in den Himmel gegangen."

In einer Pressemitteilung hat der TSV 1860 inzwischen den Termin für die Trauerfeier für Karl-Heinz Wildmoser bekannt gegeben: Sie findet am kommenden Mittwoch, 4. August, um 15 Uhr auf dem Waldfriedhof (neuer Teil, Lorettoplatz) statt.

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