Süddeutsche Zeitung

Transplantationsmedizin:Tierisches Ersatzteillager

Wissenschaftler der LMU haben in Oberschleißheim und Großhadern wichtige Vorarbeit für die erste erfolgreiche Verpflanzung eines Schweineherzens in einen menschlichen Körper geleistet.

Von Stefan Galler, Oberschleißheim

Zum ersten Mal weltweit ist vor knapp zwei Wochen einem Menschen ein Schweineherz als Ersatz für sein eigenes, lebensgefährlich erkranktes Organ eingesetzt worden - ein Meilenstein auf dem Gebiet der Organverpflanzungen. Die Operation in Baltimore ist das Ergebnis von Forschungen, die unter anderem auch an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit vielen Jahren vorangetrieben werden. Dort ist ein Team um die Professoren Eckhard Wolf von der Tiermedizinischen Fakultät und Bruno Reichart von der Medizinischen Fakultät, der 1981 die erste Herztransplantation in Deutschland vollführte, seit mehr als 25 Jahren damit beschäftigt, die genetischen Voraussetzungen für diese hochkomplexen Operationen zu erforschen. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Arbeit findet in Oberschleißheim statt, wo in einer Außenstelle der LMU all das passiert, was mit den am Prozess beteiligten Schweinen zu tun hat, wie Eckhard Wolf erklärt: Hier werde das Genmaterial der Tiere bearbeitet, hier würden die Paarhufer gehalten und beobachtet, um sie später auf eine Transplantation vorzubereiten.

Wer die Stallungen und Labors in Oberschleißheim besuchen will, muss erst einmal dekontaminiert werden, seine eigenen Textilien ablegen und nach einer ausführlichen Dusche sterile Arbeitskleidung anziehen. "Wir müssen stark darauf achten, dass keine Krankheitserreger in unsere Räumlichkeiten kommen", erläutert Wolf. Schweine von außerhalb würden nicht hereingelassen. Die Anlage wurde ursprünglich über Embryonentransfers in besonders saubere Tiere von der Insel Fehmarn besiedelt. Diese wurden in ihrem Zyklus so synchronisiert, dass sie zum Entwicklungsstand der eingesetzten genetisch modifizierten Embryonen passten.

Die genetischen Veränderung sind es, die eine Transplantation überhaupt erst möglich machen. Man muss sozusagen bestimmte Funktionen und Informationen ausschalten, um zu verhindern, dass ein Körper ein speziesfremdes Organ sofort als fremd erkennt und abstößt. In Oberschleißheim haben die Wissenschaftler Zellkulturen in flüssigem Stickstoff gelagert, in denen die genetischen Modifikationen vorgenommen werden, um aus den Zellen dann durch Klonen die entsprechenden Schweine zu erzeugen und so die Grundlagen für die Xenotransplantationen - so der Fachausdruck für die Übertragung von funktionsfähigen Zellen oder ganzer Organe zwischen verschiedenen Spezies - zu schaffen.

Zuerst wurde Pavianen Schweineorgane eingesetzt

So wäre die Transplantation in den USA wohl kaum möglich gewesen ohne die Forschungserfolge der LMU-Wissenschaftler. Etwa ohne die von ihnen entwickelte wachstumshemmende Bearbeitung der Zellen: Ein Schweineherz würde nach der Transplantation, etwa in den Körper eines Pavians, so stark an Größe und Gewicht zulegen, dass mehrere Lebensfunktionen der etwa 20 Kilogramm schweren Primaten nicht mehr gewährleistet wären. "Ein Schwein wächst schnell, nimmt innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt von einem auf hundert Kilo zu", sagt Wolf. Ihm gelang es, das Genmaterial derart zu verändern, dass dieses Wachstum gedrosselt wird.

Transplantationen von genetisch veränderten Schweineherzen in Paviankörper finden nicht in Oberschleißheim statt, sondern im Walter-Brendel-Institut in der Nachbarschaft des Klinikums Großhadern. "Dort haben wir Stallungen und Haltungsmöglichkeiten für Paviane, es ist eine Art Mini-Klinikum", schildert Wolf. Einer der dort operierten Affen habe mit einem Schweineherz 195 Tage gelebt, ein weiterer Versuch in den USA, bei dem einem Pavian ein Herz an die Bauchschlagader angeschlossen worden war, sei sogar 945 Tage ohne größere Komplikationen verlaufen.

Und so hofft Eckard Wolf, dass der 57 Jahre alte Patient in den USA so lange wie möglich mit dem Herzen des Schweins überleben wird: "Bisher geht es ihm gut, so weit wir wissen. Und die Operation ist bereits fast zwei Wochen her." Das nähre die Hoffnung, dass es womöglich auch mehrere Monate lang gut gehen könnte, so der Wissenschaftler. Auch in Deutschland sei in den nächsten Jahren mit solchen Eingriffen zu rechnen. "Der klinische Versuch in den USA wird sicher auf das gesamte Feld eine positive Wirkung haben und die Entwicklung auch hier beschleunigen", sagt Wolf, der für die Zukunft auch Transplantation von anderen Tierorganen wie Nieren nicht ausschließt. "Aber derzeit ist das noch nicht Gegenstand unserer konkreten Forschung."

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