Trampolinsport:Luftsprünge in Unterhaching

Mädchen springt auf Trampolin

Springen macht Spaß. Doch gerade Ungeübte und Kinder, die auf Gartentrampolinen hüpfen, sollten sich nicht überschätzen.

(Foto: Silas Stein/dpa)

Am Wochenende findet in der Sportarena am Utzweg der Junioren-Länderkampf im Trampolinturnen statt. Die Sprunggeräte stehen mittlerweile in vielen Gärten, doch nicht jeder sollte darauf Salti schlagen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Schon mal einen "Babyfliffi" gesehen? Das ist ein Fünfviertelsalto vorwärts mit halber Schraube aus der Rückenlage in den Stand. Ähnlich spektakulär ist der "Miller plus": ein Doppelsalto rückwärts mit dreifacher Schraube. So schnell kommen die Augen meist gar nicht mit, wie sich der Trampolinturner dreht. Solche und ähnliche Sprünge sind an diesem Samstag in der Sporthalle am Utzweg in Unterhaching zu sehen, wenn Deutschlands beste Nachwuchsspringer von 12 Uhr an zum Junioren-Länderkampf gegen die Schweiz auf die Tücher steigen und bis zu acht Meter hoch Richtung Hallendecke fliegen. In der Sportarena geht das, sie ist für die Volleyballer hoch genug gebaut worden.

Mit dem Zuschauen kommt oft die Lust, es auch mal zu probieren. Einfach mal abheben, sich hinauf katapultieren zu lassen, ein paar Drehungen zu wagen. Oskar Paulicks, Turnabteilungsleiter des gastgebenden TSV und im Bayerischen Turnverband mit zuständig für die olympischen Disziplinen, zu denen Trampolinturnen seit dem Jahr 2000 gehört, weiß um die Anziehungskraft dieser federnden Geräte. In der Unterhachinger Turnhalle sind Trampoline fest installiert, "und wir bekommen immer wieder Anfragen von Zuschauern, ob sie mal springen dürfen". Der TSV lehne das aber ab. "Die Leute sind meist zu blauäugig", sagt er, viele unterschätzten das Risiko. "Das Trampolin ist kein Spielgerät."

Das erste Trampolin bestand aus Rollladengurten

Tatsächlich aber stehen die "Wurfmaschinen", wie Albrecht Hurtmanns 1951 sein erstes in Deutschland aus Rollladengurten und Fahrradschläuchen gefertigtes Trampolin nannte, in mittlerweile sehr vielen Privatgärten. Seit etwa 15 Jahren boomt das Geschäft mit den Freizeittrampolinen, die inzwischen bei jedem Discounter zu haben sind. Experten aber warnen: Ungefährlich sind die nicht. Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen, Prellungen und Platzwunden zählt die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) als Verletzungen auf. Etwa seit der Jahrtausendwende habe sich die Zahl der Trampolinunfälle bei Kindern verdreifacht, notierten die Orthopäden in einer Studien von 2014. Ein Drittel der Verletzungen sei schwer, dazu zählten Brüche an Armen und Beinen sowie an der Wirbelsäule.

Immanuel Kober Tim Oliver Gesswein Deutsche Hochschulmeister im Syncron Deutsche Hochschulmeister

Für Sprünge wie die von Trampolinturnern braucht es viel Übung.

(Foto: imago)

Das Robert-Koch-Institut nennt in einer Studie von 2016 das Trampolinspringen als häufigste Unfallursache bei Ein- bis Sechsjährigen unter Beteiligung eines Sport- oder Freizeitgeräts. Allerdings zählte das Fahrrad nicht in diese Rubrik. Ganz abraten vom Springen wollen die Ärzte nicht. "Grundsätzlich tut der Springspaß der Stärkung der kindlichen Muskulatur als Ausgleich zum häufig bewegungsarmen Alltag sehr gut", betonte Bernd Kladny, stellvertretender DGOU-Generalsekretär, am Tag der Kindergesundheit 2017. Mit dem richtigen Gefahrenbewusstsein und der nötigen technischen Sicherheit lasse sich die Unfallgefahr verringern, heißt es in einer Mitteilung der DGOU.

Viele Leute unterschätzen die Gefahren

Das sieht der bayerische Landestrainer Markus Thiel genauso. Er ist zugleich für die deutschlandweit besten Junioren zuständig, die sich mit ihren Sprüngen in Unterhaching für die Jugendweltmeisterschaft qualifizieren wollen. Was die Könner, die seit sechs oder sieben Jahren im Verein trainieren, dort zeigen, ist freilich nicht zur Nachahmung geeignet. Alles was mit Überschlägen zu tun hat, sollten Laien ohne fachliche Anleitung tunlichst unterlassen, rät Thiel. Ein Salto gehe über den Kopf und die Gelenke würden beeinträchtigt, warnt er, "Problem ist meist nicht rumzukommen, sondern die Landung." Mit dem Trampolinspringen sei es wie mit dem Radfahren: Man brauche eine ordentliche Technik. Thiel betont aber auch: "Ich habe nichts gegen Gartentrampoline." Bewegung jeder Art sei eine tolle Sache, und das Trampolinspringen zähle dazu. Er weiß aber auch, dass es viele Unfälle gibt, weil die Leute die Gefahr unterschätzten und einige Dinge nicht beherzigten, die bei der Nutzung eines Trampolins unbedingt beachtet werden sollten. Daher fordert er, dass Hersteller dazu verpflichtet werden sollten, eine Anleitung mit Verhaltensregeln mitzuliefern.

Trampolinsport: Der bayerische Landestrainer Markus Thiel.

Der bayerische Landestrainer Markus Thiel.

(Foto: OH)

So sei es unbedingt zu vermeiden, dass mehrere Kinder gleichzeitig auf dem Trampolin springen. Besonders gefährlich werde es, wenn sich Personen mit unterschiedlichem Gewicht auf dem Sprungtuch aufhalten, da wird das Kleinkind schnell mal vom Papa nach oben geschleudert. Auch Spielzeuge wie Bälle auf dem Gerät erhöhen die Unfallgefahr. Dem Ratschlag der DGOU, erst Kinder ab dem sechsten Lebensjahr auf das Trampolin zu lassen, stimmt Thiel nicht zu. "Wenn der Zweijährige allein auf dem Gerät ist, passiert nicht viel, der läuft da meist drauf rum, und das schult den Gleichgewichtssinn", sagt der Trainer. Einen Salto aber, findet er, sollte man besser unter Anleitung eines Übungsleiters erlernen: "Im Verein üben wir mit einer Schiebematte und das Kind lernt, die Landung abzufedern."

Höhere Nachfrage durch Fernsehshows und Trampolinhallen

Eine höhere Nachfrage nach Trampolinspringen in den Turnvereinen kann Thiel seit einigen Jahren schon ausmachen. Er führt das aber nicht nur auf die gestiegenen Verkaufszahlen von Gartentrampolinen zurück, sondern auch auf Fernsehshows wie "Big Bounce", ein Trampolin-Wettbewerb von RTL, bei dem Kandidaten drei Hindernis-Parcours überwinden müssen. Zudem hätten die Trampolin-Freizeithallen den Boom verstärkt. Eine davon steht seit Juli vergangenen Jahres in Kirchheim. 200 Personen können hier gleichzeitig auf einer Gesamtfläche von 5500 Quadratmetern verschiedene Trampoline nutzen. Vorausgesetzt allerdings, sie sind mindestens fünf Jahre alt und nehmen zuvor an einer Einweisung teil. Insbesondere bei Kindergeburtstagen und für Familienausflüge sei die Halle sehr beliebt, bestätigt der Betriebsleiter der Anlage.

Trampoline für derartige Hallen beleben auch das Geschäft von Eurotramp, Weltmarktführer der Trampolinhersteller mit Sitz in Weilheim an der Teck. Zu den Hauptabnehmern zählte seit der Gründung 1960 der Vereins- und Spitzensport. Geschäftsführer Johannes Maier bestätigt aber, dass die Nachfrage im Freizeitbereich zugenommen hat. Von ehemals 50 verkauften Geräten pro Jahr sei die Zahl auf mehrere tausend gestiegen. "Seit sieben bis acht Jahren gibt es einen Trend im Outdoorbereich", sagt Maier und verweist auf Trampoline auf Spielplätzen, ergänzt aber: "Das sind ganz andere Geräte als im Sport. Sie sind nicht so groß und sie federn nicht so doll."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: