Tourismus im Landkreis:Was Gscheids

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Rekord-Übernachtungen und Rekord-Konsum bringen Rekord-Umsatz, wie eine neue Studie des deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr belegt. Die Region zieht viele Gäste an, besonders Tagestouristen spielen eine wichtige Rolle für den Markt

Von Ulrike Schuster, Landkreis

Oberbayern und der Landkreis München ziehen immer mehr Gäste an. Die Menschen wollen hier Urlaub oder Geschäfte machen, die meisten einen Tag lang, einige auch länger. Das Fortschrittliche und Pulsierende der Großstadt kombiniert mit der Beschaulichkeit von Wiesen, Seen und Bergen zieht an. Eine aktuelle Studie des dwif, des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr, mit Zahlen aus dem Jahr 2014 stellt fest: Dem Tourismus in Oberbayern und im Landkreis München geht es ausgezeichnet, die Wachstumspfeile zeigen im Vergleich zur letzten Untersuchung von 2009 nach oben: mehr Tagesbesucher, mehr Übernachtungen, mehr Ausgaben für Essen, Einkaufen, Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen - macht unterm Strich für alle Beteiligten, vom Hotelier über den Tortenbäcker bis zum Taxifahrer mehr Umsatz. Bei stolzen 1,3 Milliarden Euro lag er in den Landkreisen München, Dachau, Fürstenfeldbruck, Erding und Freising im Jahr 2014. Wie erleben die Tourismustreibenden das Rekordhoch? Zwei Experten aus dem Landkreis berichten von ihren Erfahrungen mit Übernachtungsgästen und Tagesausflüglern.

Traudl Schmidramsl, 71, betreibt vier Hotels in Ismaning. Das macht 160 Betten, 35 Angestellte, fünf Köche und eine Auslastung von zirka 60 Prozent im Jahr. Seit 1908 mischt ihre Familie in der Hotellerie und Gastronomie mit, seit 52 Jahren ist sie Wirtin. Mann, Sohn und Enkel - alles Maximilians - arbeiten im Unternehmen mit, genauso die Schwiegertochter und die Enkelin. 200 junge Menschen hat Schmid-ramsl ausgebildet, wofür es in diesem Jahr den Bayerischen Verdienstorden gab. Ihr schönstes Fest, zu dem sie am liebsten alle Ismaninger eingeladen hätte, sagt sie:

"Jeder Gast, egal, ob große oder kleine Zeche, soll das Gefühl haben, er bedeutet etwas. Das ist meine Philosophie, das mache ich jedem Azubi von Anfang an klar. Die Gäste zu unterhalten und zu bedienen, war mir schon immer das Liebste. Viele sind mit mir zusammen alt geworden, feiern bei uns ihren 70. und 80. Geburtstag.

Hochzeiten haben wir etwa zwei pro Woche, zwischen 20 und 100 Personen, nicht selten haben schon deren Mütter und Großmütter bei uns gefeiert. Unser Hotel steht direkt gegenüber vom Standesamt, das ist praktisch. Neu sind die vielen Geschäftsleute, vor allem aus Asien und Indien, ich schätze, das sind rund 40 Prozent aller Wirtschaftsleute, die bei uns übernachten.

Besonders gewachsen ist die Zahl der Reisegruppen an den Wochenenden, die in Bussen aus Italien und Spanien anreisen, zu den Fußballspielen, fürs Schloss Neuschwanstein, und klar, um München zu besichtigen.

Die meisten Gäste bleiben eine Nacht und geben im Schnitt 120 Euro am Tag aus. Eine Woche buchen Schulungsgäste, einen Monat diejenigen, die beim Fernsehen von Pro Sieben oder Sky anfangen, und auf die Schnelle keine Wohnung gefunden haben.

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(Foto: Claus Schunk)

Es gibt Mahlzeiten, die verbinden. Die Haxn ist so eine, sie kommt an, bei in- und ausländischen Touristen - goldbraun, außen knusprig, innen butterzart.

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(Foto: Robert Haas)

Doch Touristen im Landkreis haben noch mehr Gründe für ihren Besuch hier. Traudl Schmidramsl hat damit viele Erfahrungen gemacht, ebenso wie...

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(Foto: Claus Schunk)

...Josef Sedlmair.

Erlebnisurlaub im Landkreis, der Ausflug auf dem Floß gehört für viele zu den besonderen Attraktionen.

Auffällig ist, sparen tut keiner, früher saß das Geld nicht so locker. Die Leute sagen, die Zinsen sind niedrig, wir wollen was Gscheids, und überhaupt - morgen kann alles schon rum sein.

Am liebsten investieren sie in bayerische Spezialitäten, Wild aus dem Werdenfelser Land oder den knusprigen Schweinsbraten, der ist enorm beliebt. Aber freilich haben auch wir uns den modernen Bedürfnissen angepasst, den altbekannten - mehr Gemüse, mehr Salat - genauso wie den jüngeren - laktosefreie Milch, glutenfreie Torten, alkoholfreie Getränke. Bier, Hugo und Sekt - bieten wir alles ,frei von' an.

Eigentlich könnt' ich mich zurückziehen, aber solange die Familie und die Gäste nach mir rufen, mach' ich weiter, zehn Stunden bin ich täglich auf den Beinen. Mir gefällt's, ich mag das Scheinwerferlicht. Als Wirtin und Hotelliere steht Frau im Mittelpunkt. Hat sie Spaß daran, dann läuft's nicht nur im Gespräch, dann läuft auch das Geschäft. Das ist es, was ich mir für die Zukunft wünsche, alles soll so bleiben, wie es ist, uns fehlt's an nix, es geht uns gut.

Obwohl, das Gehabe mancher Männer könnt' sich ändern, ein paar Kapriolen weniger dürften es sein. So mancher führt sich auf, als sei er der große Zampano. Freilich nie, wenn er allein unterwegs ist, nur dann, wenn er vor der Frau glänzen kann, sie die Szene mitkriegt, es soll sich ja lohnen. Also verhandelt er, will die größere Suite oder den günstigeren Preis. Solche Exemplare weise ich freundlich, aber bestimmt-offensiv in die Schranken. Die muss man zähmen, damit sie erwachsen werden."

Josef Sedlmair, 40, ist gelernter Landwirtschaftsmeister und betreibt den Bergtierpark Blindham in Aying. Was früher bei seinem Vater mal Bauernhof war, hat er zum Erlebnispark für Familien umgebaut. Auf 250 000 Quadratmetern Land wohnen 200 heimische Wildtiere und Haustierrassen, wie das Pinzgauer Rind oder das braune Bergschaf. Mit seiner Frau, den beiden Söhnen und 15 Angestellten hält er den Betrieb am Laufen:

"Meine Gäste sind Eltern mit Kindern, oft kommen auch Oma und Opa mit. Alle suchen Ruhe und Erholung, und die Kleinen sollen Spaß haben. Bei uns können schon die Einjährigen ran an die Geräte. Es gibt extra niedrige Wippen und Burgen - Spielsachen mit geringer Fallhöhe, da tut sich keiner weh.

Bei der Eröffnung 2004 war das hier alles noch eine kleine Nummer, aber von Jahr zu Jahr kamen mehr Touristen, die bleiben im Schnitt sechs Stunden, einige auch den ganzen Tag von 9 bis 20 Uhr. An Spitzen-Sonntagen im Frühling und im Herbst - das ist unsere Hochsaison - kommen bis zu 1000 Menschen in den Park, vor allem Städter, Münchner, aber auch Ausflugsreisende aus den Touristengebieten rund um den Starnberger-, den Schlier- und den Tegernsee. Seit ein paar Jahren besuchen uns auch brutal viele Asiaten und Russen. Keine Ahnung warum, wir haben bloß eine einfache Webseite. Vielleicht liegt es an dem neuen Spielstadl, die alte Scheune, die ich im letzten Jahr zum Indoor-Spielplatz mit Hängebrücken, Schaukeln, Wackelstege, einer fliegenden Gondel und riesigen Rutschen umgebaut habe. Treppen, Gänge und Rampen führen über drei Etagen zum Blick über Tiere und Alpen. Die Menschen wollen was erleben und es gleichzeitig auch bezahlen können. Erwachsene zahlen sieben, Kinder sechs Euro Eintritt, die meisten nehmen noch Tierfutter mit, macht bei einer vierköpfigen Familie 35 Euro, das geht für einen Tagesausflug.

Bei uns gibt es keine Wirtschaft, dafür offene Grillstellen im Wald. Also bringen die Leute ihr Essen von zu Hause mit, heizen die Kohle an, werfen ihr Fleisch drauf oder picknicken einfach auf der Wiese. Den Bollerwagen für den Transport bis dorthin leihen wir aus.

Wochentags haben wir vor allem Schulklassen und junge Mütter aus der Region da. Während die den Milchschaum vom Cappuccino löffeln, streicheln die Kinder die Schafe und Ziegen. Besonders beliebt sind die Damhirsche, die sind nicht täglich gut drauf, das merken die Kinder aber. Animateure beschäftige ich nicht, die Kinder sind selbst neugierig genug, die muss man nicht wie Gefäße füllen, sondern nur das Feuer entfachen. Oft bringen sie mich zum Lachen. Neulich ist eins vom Karussell gefallen, weil sie zu viert zu wild darauf getobt haben. Und was sagt's? ,Ich bin verdraht' - statt ,Ich bin damisch'.

Im letzten Jahr hatten wir rund 50 000 Besucher, an 365 Tagen, so soll's weitergehen. Unser letzter Urlaub ist 15 Jahre her, im Allgäu damals, aber das ist nicht schlimm. Manchmal denke ich, Mensch, eigentlich wär's supercool, wenn die Leute auch übernachten könnten, aber dann wäre es mit der Ruhe dahin. Und das ist mein Luxus. Dass nach 20 Uhr, wenn der Letzte draußen ist, wir vier die einzig Verbliebenen im Park sind, dass absolute Ruhe herrscht und ich im Umkreis von ein paar Hundert Metern keinen anderen weiß."

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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