Süddeutsche Zeitung

Tiermedizin:Wie die LMU Platz für 1500 Studenten und 1200 Schweine schafft

  • Fast die komplette tiermedizinische Fakultät der LMU soll auf einem 15 Hektar großen Areal in Oberschleißheim angesiedelt werden - inklusive Lehr- und Versuchsgut.
  • Mit rund 1500 Studenten, 300 Doktoranden und 450 Mitarbeitern ist es die größte Ausbildungsstätte für Veterinäre.
  • Oberschleißheims Bürgermeister sieht den Umzug als große Chance für den Ort, denn es kommen nicht nur Studenten und Professoren, sondern auch Biotech-Firmen.

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Das Schwein grunzt. Mit seiner rosigen Hautfarbe und den lustigen Rundungen erinnert es an Miss Piggy von der Muppet Show, wenn auch die Perlenkette fehlt. Es läuft über den Gang, die Ohren wippen im Takt. "Immer jammern", kommentiert ein vorbeilaufender Mann, der offensichtlich die querulatorische Persönlichkeit dieses Schweins schon kennt.

Die Szene spielt sich in der Klinik für Schweine der Ludwig-Maximilians-Universität in Oberschleißheim ab. Der alte und der neue Dekan der Fakultät für Tiermedizin, Joachim Braun und Reinhard Straubinger, haben sich Zeit genommen, um über den Campus zu führen. In einigen Jahren werden die Schweine viel Gesellschaft haben, denn geplant ist, nahezu die komplette Fakultät auf dem 15 Hektar großen Areal anzusiedeln.

Ein Aufbruch in eine neue Zeit, dringend nötig, wie Alt-Dekan Braun sagt: "Es ist ganz entscheidend für unsere Zukunft, denn am Standort an der Veterinärstraße in München könnten wir mittelfristig schon nicht überleben. Er ist zu klein und zu alt." Doch wenn es auch Platzgründe sind, die den Ausschlag für den neuen Campus in Oberschleißheim gaben, sieht Brauns Nachfolger Straubinger am neuen Standort noch andere, besondere Vorteile: "Es wird einzigartig in Europa. Es ist zum ersten Mal seit Jahrzehnten, dass alles an einem Campus an Ausbildung geboten werden kann."

Die größte tiermedizinische Fakultät in Deutschland mit circa 1500 Studenten, 300 Doktoranden und 450 Mitarbeitern bekomme ja nicht nur den neuen Campus. "Da kommt noch das Lehr- und Versuchsgut dazu", sagt Straubinger. In diesem zur Tiermedizin gehörenden Gut, das hinter dem neuen Campus liegt, werden circa 1000 Schweine und 120 Kühe gehalten. Dort können Studenten lernen, wie Herdenbetreuung funktioniert und wie ein gesunder Bestand ausschaut. "Das ist ein schönes Ensemble hier", sagt Straubinger, der am 1. April Brauns Posten übernommen hat.

Hinzu komme noch das ebenfalls am Rand des Oberschleißheimer Campus ansässige Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. "Wir machen gemeinsam wissenschaftliche Projekte, das wird sicherlich noch intensiver." Immerhin sind es Tierärzte, die im Bereich Lebensmittelhygiene eingesetzt werden.

Endlich kommt alles an einen Ort

Gute Voraussetzungen also für die Pläne, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen. Dabei gingen die Überlegungen anfangs noch in eine andere Richtung, wie Braun erzählt. Erste Pläne aus dem Jahr 1985 sahen lediglich vor, die Kliniken nach Oberschleißheim zu verlegen. So entstanden hier an der Sonnenstraße nach und nach die Vogelklinik, die Klinik für Schweine und die Klinik für Wiederkäuer, letztere wurden 2003 eröffnet.

Außerdem siedelten sich zwei Lehrstühle für Lebensmittelwissenschaften und ein Lehrstuhl für Tierernährung in einem ehemaligen Industriegebäude auf der anderen Seite der Sonnenstraße an, wo sie auch bleiben sollen. Das ständige Hin und Her, Vorlesungen in der Stadt, praktische Übungen in Oberschleißheim: "Das war schon eine Belastung", sagt Braun im Rückblick auf die vergangenen Jahre.

2010 wurde dann der Beschluss gefasst, die gesamte Fakultät nach Oberschleißheim zu verlagern. "Das hat zeitlich gut gepasst", erinnert sich Braun, da die Physik sich stark vergrößert hatte und auf Raumsuche war. Sie wird nun statt der Tiermediziner an die Münchner Veterinärstraße ziehen, womit gesichert ist, dass der Standort der Universität bleiben wird, was auch im Interesse der Landeshauptstadt gewesen sei, wie Braun sagt.

Die Planung des neuen Campus in Oberschleißheim begann mit einem städtebaulichen Wettbewerb, den das Architekturbüro Bizer aus Stuttgart gewonnen hat. Die "große Planung", wie er sie nennt, sieht nun vor, 80 bis 85 Prozent der Fakultät in den nächsten sechs bis sieben Jahren nach Oberschleißheim zu verlagern. "Das ist sehr ehrgeizig", sagt Braun. Dazu gehören auch die Einrichtungen am Oberwiesenfeld, wo Straubinger zum Beispiel seine Schafe stehen hat, die als Blutspender dienen.

Den Anfang der großen Planung machen noch in diesem Jahr die Pferdeklinik und der erste Bauabschnitt der Infektionsmedizin, in dem Gebäude sollen die Bakteriologie und die Virologie unterkommen, der zweite Bauabschnitt wäre dann für die Parasitologie und die molekulare Tierzucht gedacht, darüber ist aber noch nicht endgültig entschieden worden. Beschlossen sind dagegen schon das Institutsgebäude für sechs Lehrstühle, daneben die Bibliothek, es wird ein Gebäude für Anatomie und Pathologie geben, Hörsäle, eine Mensa, Platz für die Verwaltung und das Dekanat.

Alle Gebäude werden parallel zur Sonnenstraße ausgerichtet, bis zum Kreisel ist die Planung schon in trockenen Tüchern, sagt Straubinger. Für das Gelände dahinter, das sich bis zum Wald erstreckt, gibt es optionale Planungen. So könnte dort eines Tages die Kleintierklinik stehen, die vorerst an der Veterinärstraße bleiben wird. Oder, was Straubinger sich wünscht, es könnten sich auch Spin-offs hier ansiedeln aus dem Bereich Biotech. "Ein bisschen so wie in Martinsried", sagt auch sein Vorgänger Braun.

Der Campus selbst soll weitgehend autofrei sein, die Hauptzufahrt erfolgt über den Kreisel. Etliche Fahrzeuge finden einen Platz auf dem mit vielen Bäumen gestalteten Parkplatz. Wobei vermutlich die meisten Studenten und Mitarbeiter mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen werden. "Die Gemeinde bekommt durch uns auch einen Hebel, um die Verkehrsprobleme, die schon jetzt bestehen, angehen zu können", sagt Braun. Der Kontakt zur LMU und zum Wissenschaftsministerium könne vielleicht hilfreich sein in der ein oder anderen Hinsicht.

Vielleicht gibt es sogar eine Kneipe für junge Leute

So sieht es auch Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler): "Das ist eine riesige Chance für den Ort." Nicht nur die Infrastruktur könne so angegangen werden, es ergäben sich auch Chancen, an der B 471 ein Gewerbegebiet zu entwickeln, "das in Richtung Forschung und Wissenschaft geht", wie der Bürgermeister sagt. Außerdem erwartet er eine Belebung des Orts durch die Studenten.

Es gibt bereits ein Studentenwohnheim in Oberschleißheim, bisher sei es allerdings nicht so gut ausgelastet, sagt Braun. Es soll im Zuge des Umzugs erweitert werden. "Das wird natürlich spannend, wie die Studenten hier einmal leben", sagt Braun. Bürgermeister Kuchlbauer hat da schon konkrete Ideen: "Vielleicht wird sich auch irgendwann wieder mal ein Lokal entwickeln, wo auch junge Leute hingehen können."

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Quelle:
SZ vom 18.04.2017/vewo
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