Tierhaltung:Hier lebt die nächste Generation der Wiesn-Ochsen

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Auf dem städtischen Gut Karlshof bei Ismaning wachsen die Ochsen fürs Oktoberfest heran. Ihren Namen bekommen die Tiere erst auf dem Grill, auf dem Anwesen tragen sie Nummern.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Es bedarf einiger Kraft, um das Tor zu öffnen. Beim ersten Ruck des Torflügels entsteht auf der anderen Seite schon Bewegung. Hufe scharren, Schnaufen ist zu vernehmen. Als das Tor den Blick endlich frei gibt, schaut ein knappes Dutzend neugierige Augenpaare auf den Hof heraus: Jungbullen recken ihre flauschigen Köpfe durch das Gitter des Stalls und halten ihre Schnauzen in die kühle Ismaninger Dezemberluft. Stephan Lieberth hat den Jungbullenstall abgedichtet für den Winter. Die Kälte mache den Tieren nichts aus, sagt der Leiter des Guts Karlshof, "aber wenn sie einen Zug erwischen, kriegen sie eine Grippe".

Das Gut Karlshof liegt idyllisch zwischen Ismaninger Feldern und gehört zu den zehn Gutsbetrieben der Stadt München. 1899 hat es die Stadt erworben. Bekannt ist das Gut vor allem wegen seiner Ochsenmast. Das Ergebnis lassen sich jedes Jahr tausende Menschen auf dem Oktoberfest schmecken - die Ochsenbraterei ist einer der wichtigsten Abnehmer des Guts. Etwa 115 Tiere werden jedes Jahr auf der Wiesn verspeist, erklärt Lieberth. Der Agrartechniker leitet das Gut seit 2002. Er ist verantwortlich für zehn Mitarbeiter, vier Lehrlinge und etwa 550 Ochsen, dazu noch Gänse und Hühner.

"Die sollen es sich jetzt erst einmal bequem machen"

Die nächste Generation Wiesnochsen steht bereits im Stall. Ihren Namen bekommen die Tiere erst auf dem Grill, am Hof tragen sie Nummern auf einem gelben Clip im Ohr. "Das ist wie ein Personalausweis", sagt Lieberth. Anhand der Nummer lässt sich die Herkunft jedes Ochsen auf dem Gut bis zu seinem Geburtsort zurückverfolgen. Mit sechs Monaten kommen die Jungtiere auf das Gut Karlshof, auf einem Transporter. Zu diesem Zeitpunkt sind sie noch Bullen und haben ein Gewicht von zarten 230 Kilogramm. Wenn sie nach 13 bis 14 Monaten schließlich abgeholt und zum Schlachthof nach München gebracht werden, bringt jeder von ihnen 660 bis 680 Kilo auf die Waage. Davon bleiben am Ende etwa 54 Prozent Fleisch am Haken, rechnet Lieberth vor. Die Schlachtung und Verarbeitung übernimmt die Münchner Metzgerei Vinzenz-Murr, der größte Kunde des Guts. Ein Teil des Ochsenfleischs kommt danach zurück und wird im hofeigenen Laden verkauft.

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(Foto: Robert Haas)

Hinter der Tür...

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(Foto: Robert Haas)

...geht es tierisch zu.

Einige Jungbullen sind gerade erst angekommen und erkunden nun ihre neue Umgebung. Je etwa 30 Tiere teilen sich ein Abteil im Jungbullenstall, insgesamt gibt es drei davon. "Die sollen es sich jetzt erst einmal bequem machen", sagt Lieberth und streicht einem Bullen über den Kopf. Auf dem Stallboden liegt Stroh, bei gutem Wetter dürfen die Tiere hinaus auf die Wiese. "Tierwohl ist uns sehr wichtig", sagt Lieberth.

Der Karlshof arbeitet konventionell, gleichwohl nach hohen Standards nachhaltiger Landwirtschaft und artgerechter Tierhaltung. Auslauf, Stroh, Liegebuchten, gutes Futter. Was die Tiere fressen, wird zum größten Teil auf dem Gut selbst angebaut, 333 Hektar Fläche gehören zum Betrieb. Die Hinterlassenschaften aus dem Stall kommen wieder zurück in den Kreislauf: Seit 1999 wird der Mist in der hofeigenen Biogasanlage verwendet, dort kann Wärme für die Gutsgebäude und Strom für 1400 Haushalte gewonnen werden. Die Reste aus der Anlage bringen Lieberth und seine Mitarbeiter wieder auf die Felder aus.

Anfangs bekommen die Ochsen - die Bullen werden mit gut einem halben Jahr kastriert - besonders energiereiche Nahrung, etwa Mais und Soja und legen fast ein Kilogramm am Tag zu. Wenn sie älter sind und es auf die Endmast zugeht, gibt es mehr Rohfasern wie Stroh. Durch das Wiederkäuen, erklärt Lieberth, kommen die Ochsen zur Ruhe. "Dann wird das Fleisch schön marmoriert."

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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