Theaterstück:Auf die Probe gestellt

Mit dem Theaterstück "Das schweigende Klassenzimmer" wollen die Abiturienten der Rudolf-Steiner-Schule Ismaning eine gesellschaftskritische Geschichte erzählen. Sie sehen Parallelen zur eigenen Gemeinschaft

Von Alina Hanss, Ismaning

Verängstigte Blicke werden zwischen den Schülerinnen und Schülern ausgetauscht, im Klassenraum herrscht bedrückende Stille. Nur das Ticken der Uhr ist zu hören. Mit sicheren Schritten geht die Ministerin durch die Reihen der hölzernen Schultische und mustert jeden Einzelnen mit ihrem eindringlichen Blick. Anspannung liegt in der Luft. Der unheimlich ruhig wirkende Satz der Ministerin durchbricht das Schweigen: "Der Versuch einer Konterrevolution ist keine Bagatelle!"

Die Szene ist Teil des Theaterstückes "Das schweigende Klassenzimmer", das die zwölfte Klasse der Rudolf-Steiner-Schule Ismaning in ihrem Abschlussprojekt aufführt. Die Geschichte spielt in der noch jungen DDR; eine Schulklasse hält in Solidarität mit den Opfern des Ungarnaufstandes von 1956 eine Schweigeminute im Unterricht ab. Schnell geraten sie in die Fänge des Staates, der die Abiturienten kollektiv als Klassenfeinde denunzieren möchte, wenn sie nicht binnen einer Woche einen Schuldigen benennen. Es droht der Ausschluss vom republikweiten Abitur. Die Verhöre beginnen und die Klasse wird auf eine Probe gestellt, die Zusammenhalt und Stärke erfordert.

Theaterstück: Eine Schulklasse in der DDR hält fest zusammen, entgegen aller Einschüchterung: Szene aus dem Theaterstück der Schüler.

Eine Schulklasse in der DDR hält fest zusammen, entgegen aller Einschüchterung: Szene aus dem Theaterstück der Schüler.

(Foto: Robert Haas)

Die Erzählung basiert auf dem gleichnamigen Buch des Autors Dietrich Garstka, das 2018 auch verfilmt worden ist. Wie kommt eine Abschlussklasse nun dazu, genau dieses Stück zu spielen? "Von Anfang an war klar, dass wir eine gesellschaftskritische Geschichte erzählen wollten", sagt Schülerin Felicia. "Und dann kam noch hinzu, dass wir in den Abiturienten in Stalinstadt Parallelen zu unserer Klasse sehen konnten, in der wir uns wiederfinden." Die Abschlussklasse der Rudolf-Steiner-Schule ist seit der ersten Klasse zusammen, man kennt sich gut. Es ginge um ein Gemeinschaftsgefühl, Freundschaft und dass man sich nicht gegeneinander ausspielen lasse, auch in den schwierigsten Zeiten nicht.

Bevor Ende des vergangenen Jahres mit den Proben auf der Bühne begonnen werden konnte, hat die Klasse mit zwei Lehrern der Schule gesprochen, die in der DDR oder im sozialistischen Rumänien aufgewachsen sind. Schülerin Franca erklärt: "Die geschichtlichen Fakten sind bekannt. Uns ging es viel mehr darum, Einzelschicksale zu porträtieren und das Gefühl zu übermitteln, wie das Leben der Schüler in der DDR aussah." Dass der Alltag teilweise ganz gewöhnlich gewesen sei, wollten die Schüler in Ismaning in ihrer Darstellung betonen. "Der Staat war restriktiv, keine Frage. Trotzdem sind die Protagonisten ganz normale Jugendliche, die genauso mit ihren Problemen zu kämpfen haben."

Theaterstück: Letzte Regieanweisungen von Simone Birkner. Am Donnerstag und Freitag wird "Das schweigende Klassenzimmer" aufgeführt.

Letzte Regieanweisungen von Simone Birkner. Am Donnerstag und Freitag wird "Das schweigende Klassenzimmer" aufgeführt.

(Foto: Robert Haas)

Gleichzeitig habe das Stück aber auch eine politische Sprengkraft, die heute aktueller sei als je zuvor. "Die Geschichte zeigt uns, dass wir für Dinge einstehen sollten, die uns wichtig sind", sagt Schülerin Stella. "In unserer heutigen Zeit bekommen wir die Meinungsfreiheit fast schon hinterhergeschmissen. Durch das "schweigende Klassenzimmer" wird deutlich, dass nicht alle Menschen diese Freiheit genießen konnten oder können. Dafür lohnt es sich zu kämpfen."

Das Theaterstück "Das schweigende Klassenzimmer" wird am Donnerstag, 6. Februar und am Freitag, 7. Februar, jeweils um 19.30 Uhr aufgeführt. Die Vorstellungen finden in der Rudolf-Steiner-Schule, Dorfstraße 77, statt. Der Eintritt ist frei.

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