Kultur im Landkreis:Theater mit Schere, Stein und Küchenrolle

Jörg Baesecke und Hedwig Rost von der "Kleinsten Bühne der Welt", 2017

Hedwig Rost und Jörg Baesecke präsentieren in Pullach ihr Stück "Wie die Welt auf die Welt kam": Schöpfungsmythen rund um den Globus.

(Foto: Stephan Rumpf)

Hedwig Rost und Jörg Baesecke, auch bekannt als kleinste Bühne der Welt, präsentieren in ihrem Heimatort Pullach Schöpfungsmythen aus aller Welt.

Von Udo Watter, Pullach

Eigentlich ist Josef der Underdog der Heiligen Familie. In der belarussischen Weihnachtslegende, welche die "Die kleinste Bühne der Welt" als ihren Dezemberfilm inszeniert hat, wird aber das wohl wichtigste biblische Geschehnis speziell aus seiner Perspektive erzählt. "Die Erde blüht, der Himmel glüht, und die Zeit hält den Atem an", beschreibt Erzählerin Hedwig Rost, was Josef während Christi Geburt sieht und spürt. Rost und ihr Mann Jörg Baesecke, beide renommierte Objekttheatermacher, haben die Geschichte zudem mit farbigen Transparentbildern illuminiert. Am Ende spielt Rost mit Tochter Clara Baesecke auf Streichinstrumenten "Joseph, lieber Joseph mein". Simples, raffiniertes Detail am Rande: Die Überblendungen einzelner Bilderszenen entstehen durch die Bewegung einer Kerze.

Baesecke und Rost, die sich "Kleinste Bühne der Welt" nennen und unter anderem mit dem Tassilo-Preis der SZ dekoriert sind, haben auch 2021 einen filmischen Jahreszeitenkalender gestaltet: Die Legende aus Belarus ist der abschließende und zwölfte Monatsfilm (alle zu finden auf der DVD "Im Handumdrehen um die Welt", die über https://kleinstebuehne.de bestellt werden kann).

Ja, als Jesus auf die Welt kam, kam quasi die Zeit zum Stillstand. Wie die Welt auf die Welt kam, damit beschäftigen sich die Bühnenkünstler Rost und Baesecke freilich auch - am kommenden Dienstag, 7. Dezember, zeigen sie ihr gleichnamiges Stück, das Schöpfungsgeschichten aus aller Welt versammelt und "Augen-Blicke auf den Beginn der Zeit" wirft, an ihrem Heimatort: im Bürgerhaus Pullach. Vom Zauber des Anfangs, der diesen Erzählungen innewohnt, ist indes derzeit wenig zu spüren. "Wir sind müde", sagt Rost. Die Zeiten, in denen man Pandemie, Lockdown und Bühnen-Zwangspause mit steter Energie, Kreativität und Tatkraft entgegengewirkt habe, sind momentan ein wenig passé. "Dieser Schwebezustand ist schwer auszuhalten", sagt Baesecke.

Freie Künstler wie die beiden Pullacher leiden derzeit wieder unter zahlreichen Terminabsagen, ab und an geht noch eine Schulvorstellung. Für ihr Theater-Fahrrad haben sie zudem ein kleines Pop-up-Kino entwickelt, mit dem sie im Sommer Wahlwerbung für die Grünen gemacht haben: Jetzt schmückt eine Lichterkette das Radl, am Lenker ist ein Beamer angebracht, am Fahrradkorb stecken zwei Stangen und zwischen diesen spannt sich eine Projektionsfläche. Damit im öffentlichen Raum aufzutauchen - beim Adventsingen oder auf Christkindlmärkten - und die selbst gedrehten Filme zu zeigen, war mal die Idee gewesen, angesichts der aktuellen Entwicklungen (inklusive Absagen und Verbote) erscheint die Umsetzung aber nur noch wenig wahrscheinlich.

"Darauf hat die Welt im Moment wohl eher nicht gewartet", erklärt Baesecke. "Aber wir geben uns dennoch Mühe, das Licht hochzuhalten." Nun, wer ihre Produktion "Wie die Welt auf die Welt kam" in Pullach anschaut (Beginn: 20 Uhr), könnte dabei in der Tat innerlich erhellt und verzaubert werden. Rost und Baesecke entführen mit Schere, Stein und Papierobjekten, Geige, Küchenrolle und Seidenfahnen den Zuschauer auf Expeditionen zu den Ursprüngen: Schöpfungsgeschichten von der Genesis über Erzählungen aus Westafrika, Finnland oder China bis zur Big-Bang-Theory werden mit scheinbar simpler Raffinesse und dramaturgisch packend dargestellt. Hannah Stegmayer, die Leiterin des Bürgerhauses, freut sich auf das "Heimspiel" der beiden: "Sie haben immer viele Ideen und schaffen es, das auf kleinem Raum umzusetzen."

Karten für diese Vorstellung gibt es im Bürgerhaus (Telefon: 089/744 74 47 00) wie auch für andere Veranstaltungen, die in den folgenden Tagen geplant sind: das Jazz-Konzert mit dem Pablo Held Trio (9. Dezember) und das Klassikkonzert mit dem Boarte Piano Trio (10. Dezember). Es gilt 2 G plus, bei 25-prozentiger Auslastung haben etwas mehr als 100 Leute Platz, es gibt sogar eine Teststation gegenüber vom Bürgerhaus. Spontanes Testen vor der Veranstaltung ist indes nur schwer möglich, ein Termin ratsam. "Man muss seinen Theaterbesuch derzeit schon gut organisieren", sagt Stegmayer. Sie, Rost und Baesecke glauben gleichwohl, dass er sich lohnt.

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