Tempo 30:Die Raser haben keine Lobby

Tempo 30: Einige Autofahrer fühlen sich durch das Tempolimit in der Bahnhofstraße in ihrer Freiheit eingeschränkt.

Einige Autofahrer fühlen sich durch das Tempolimit in der Bahnhofstraße in ihrer Freiheit eingeschränkt.

(Foto: Claus Schunk)

Bei der Bürgerversammlung in Höhenkirchen-Siegertsbrunn fordern einzelne Autofahrer die Aufhebung des Tempolimits auf der Bahnhofstraße und ein Ende der Geschwindigkeitsmessungen. Doch eine große Mehrheit lehnt diese Anträge ab.

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Über die Tempo-30-Regelung auf der Bahnhofstraße haben sich viele schon geärgert: Aber sie deshalb gleich abzuschaffen, das befürworten nur wenige. Das hat sich am Dienstagabend eindrucksvoll auf der Bürgerversammlung der Gemeinde gezeigt. Eine große Mehrheit der 263 Anwesenden lehnte einen Bürgerantrag ab, zu Tempo 50 zurückzukehren. Auch die Forderung nach einem Ausstieg aus der Verkehrsüberwachung fand eher wenig Anklang. Der Gemeinderat wird darüber wenigstens noch einmal beraten - weil das sowieso ansteht.

In der Dramaturgie einer Bürgerversammlung bildet der Moment den Höhepunkt, in dem die Bürger selbst das Wort ergreifen. So war es, zumindest was den emotionalen Gehalt angeht, auch am Dienstag in der Mehrzweckhalle an der Sigoho-Marchwart-Schule: Als Eduard Baumann erläuterte, warum das Tempolimit die Menschen unnötig einschränke, platzte einem Mann ein paar Reihen der Kragen: "Die Tempo 30 sind in Ordnung", rief der, "das genügt, was du gesagt hast." Abgestimmt wurde freilich trotzdem, übrigens nachdem Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) ins weite Rund gefragt hatte, wer denn schon auf der Bahnhofstraße geblitzt worden sei. Es hoben sich nicht viele Hände, so wie dann beim Bürgerantrag auch.

Andere Punkte waren sogar noch schneller abgehandelt: Manfred Stockerts Aufruf, die alte Apotheke abzureißen, weil das alte Gemäuer nichts Besseres verdiene, wies Mayer unter Hinweis auf den Denkmalschutz zurück, sprach von einem "Schmuckkästchen", das man bald am Ort haben werde und fand damit auch Zuspruch. Wolfgang Bönhardts Vorschlag, dort eine Begegnungsstätte für ältere Menschen zu schaffen, nahm Mayer auf.

Die Forderung, für die Senioren etwas zu tun, kam nicht von ungefähr. Schließlich hatte in Mayers Bericht zuvor außer dem Verkehr der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen den meisten Raum eingenommen. Die Gemeinde hat viel vor. In den kommenden Monaten beginnt der auf 300 000 Euro geschätzte Umbau des früheren Guggenberger-Gebäudes am Bahnhof in einen Hort. Im Frühjahr laufen die Arbeiten für ein Kinderhaus in Nachbarschaft zu den Schrebergärten an der Sigohostraße an, das 2,5 Millionen Euro kosten soll. Eine weitere Kindertagesstätte ist in einem Wohngebiet an der Brunnthaler Straße geplant. Und das alte Gerätehaus der Siegertsbrunner Feuerwehr könnte laut Mayer als Erweiterung des Gemeindekindergartens genutzt werden. An der Erich-Kästner-Schule will Mayer zudem Container nutzen, um das Ganztagsangebot zu erweitern. Die Erwartungen der Bürger an die Kommune stiegen. Das gehe "von der Wiege bis zur Bahre", sagte Mayer.

Finanziell steht die bei der Finanzkraft im Landkreis auf dem vorletzten Platz rangierende Kommune vor schwierigen Jahren. "Wir haben noch nie viel Geld gehabt, und können deshalb auch mit wenig Geld umgehen", sagte Mayer. Mehr werden soll es trotzdem. Hoffnungen liegen da auf dem Gewerbegebiet-Nord an der Hohenbrunner Straße, wo der Baustoffhandel Kraft schon Hallen errichtet. Er steht mit seinem Wegzug vom Bahnhof dafür, was sich das Rathaus erhofft. Es soll innerorts Raum für die Entwicklung entstehen. Auf dem bisherigen Gewerbegrund soll schon bald der Bau einer Wohnanlage mit 70 Wohneinheiten beginnen, wie Mayer sagte. Nebenan hat die Gemeinde Grund erworben, um dereinst das Rathaus und weitere Wohnungen zu errichten.

Um einen Verkehrskollaps abzuwenden, setzt Mayer auf den zweigleisigen Bahnausbau und innerorts aufs Fahrrad. Ein Radwegering sei in Planung. Ihren Mitbürgern redete sie ins Gewissen, weniger mit dem Auto zu fahren. Bei 11000 Einwohnern gebe es 7200 Fahrzeuge in der Kommune, die gewerblich genutzten gar nicht mitgerechnet.

Die Kommunale Verkehrsüberwachung zählte in Höhenkirchen-Siegertsbrunn in diesem Jahr 44 940 Geschwindigkeitsmessungen. 3757 Autofahrer fuhren zu schnell, wobei sich die meisten Verwarnungen im Bagatellbereich bewegten. In Kürze wird der Gemeinderat beraten, ob die Kommune als Vollmitglied dem Zweckverband Oberland beitritt, der schon jetzt die Blitzer aufstellt und auch an Falschparker Strafzettel verteilt.

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