Süddeutsche Zeitung

Taufkirchen:Steuerparadies in spe

Die Gemeinde senkt den Hebesatz, um Firmen anzulocken

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Die Gemeinde Grünwald ist der Krösus unter den Kommunen im Landkreis. Satte 182 Millionen Euro flossen 2019 allein aus der Gewerbesteuer in die Rathaus-Kasse, also durch die Abgaben der im Ort ansässigen Firmen. Nun schickt sich die Gemeinde Taufkirchen an, in Grünwalder Regionen vorzustoßen - allerdings nicht in puncto Einnahmen. Vielmehr hat der Gemeinderat auf Antrag der CSU-Fraktion beschlossen, den Hebesatz von 310 auf 250 Prozent zu senken - und zwar vom Jahr 2024 an. Damit wird Taufkirchen die heimischen Unternehmen mit einem ebenso niedrigen Steuersatz zur Kasse bitten wie Gräfelfing und Oberhaching. Noch geringer ist der Wert im Landkreis lediglich in Grünwald: Hier liegt der Hebesatz für die Gewerbesteuer bei 240 Prozent.

Auf diesen Tiefstwert heruntergehen wollte ursprünglich auch die Taufkirchner CSU. Sie hatte in ihrem Antrag einen Hebesatz von 240 Prozent vorgeschlagen - und das bereits für 2023. Hintergrund seien Entwicklungen rund um den S-Bahnhof, aber auch an der Karwendelstraße und an der Ludwig-Bölkow-Allee, wo demnächst neue Gewerbeflächen entstehen werden, heißt es in dem CSU-Antrag. "Um für steuerstarke Unternehmen als Standort interessant zu werden, braucht es zusätzliche Anreize" - in Form einer Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes. "Das soll nichts anderes sein als ein Lockvogel für attraktive Firmen, um unser Gemeindesäckel aufzubessern", sagte Fraktionssprecherin Hildegard Riedmaier in der Gemeinderatssitzung. Als Vorbild nannte sie die Gemeinde Oberhaching, die ihren Hebesatz ebenfalls gesenkt habe, zuletzt 2017 auf 250 Prozent. Im Vorjahr habe der Nachbarort circa 20 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer eingenommen und damit doppelt so viel wie Taufkirchen - "obwohl wir die weit größere Gemeinde sind", sagte Riedmaier.

Matteo Dolce (SPD) nannte die Senkung des Hebesatzes "grundsätzlich eine gute Idee". Jedoch müsse ein solcher Schritt Teil einer Gesamtstrategie sein, forderte er. "Einfach nur zu sagen, wir senken auf das Niedrigste, was geht, ist mir zu riskant." Ohnehin sei ein solcher Beschluss lediglich eine "Willensbekundung", betonte Dolce, schließlich müsse der Hebesatz jedes Jahr im Haushalt festgesetzt werden. Dennoch könne allein die Ankündigung "ein starkes Signal" an Unternehmen sein, bei denen betriebliche Entscheidungen anstünden, befand Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei). Und auch Paul Haberl (CSU) bekräftigte: "Bei uns entstehen neue Gewerbeflächen. Und wir müssen jetzt ein klares Zeichen setzen für Firmen, die sich an diesen neuen Flächen ansiedeln wollen."

Kritik an den Plänen kam von Beatrice Brückmann von der Initiative Lebenswertes Taufkirchen (ILT), die sich generell gegen neue Gewerbeflächen aussprach. Und auch Herbert Heigl (SPD) sah "keine Notwendigkeit, den Hebesatz zu senken". Derweil zeigte sich David Grothe (Grüne) aufgeschlossen für den Vorschlag. "Allerdings sollte man erst mal bei den Firmen vorfühlen, ob da eine Bereitschaft da ist", sagte der Fraktionssprecher. "Diese Info hätte ich gerne vorher."

Unterdessen schlug Michael Lilienthal (Freie Wähler) vor, den Hebesatz erst 2024 zu senken - auf 250 statt 240 Prozent. "Das wäre taktisch klüger, um keinen Unterbietungswettbewerb zu starten." Mit Grünwald könne Taufkirchen ohnehin nicht konkurrieren, sagte der Zweite Bürgermeister. "Grünwald hat allein vom Namen her Sex-Appeal. Das werden wir nie schaffen - auch wenn wir auf 200 Prozent runtergehen." Lilienthals Vorschlag befürwortete letztlich eine klare Mehrheit des Gemeinderats - gegen die Stimmen von Grünen und ILT.

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SZ vom 16.04.2021
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